Fotomissbrauch auf Facebook

Wie unsere Redakteurin zur obdachlosen "Marlies T." wurde

Autorin Ellen Häring hält vor einem Supermarkt Gutscheine im Wert von 30 Euro in der Hand
Das Originalbild von Ellen Häring, das bei ihrer Recherche über Gutscheine für Asylbewerber entstand. © Deutschlandradio
Ellen Häring im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting · 12.08.2015
Identitätsklau mit Folgen: Ein Foto unserer Redakteurin Ellen Häring, das sie bei der Recherche für eine Reportage zeigt, fand sich plötzlich auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite. Wie es dazu kam, erklärt sie uns im Gespräch.
Identitätsklau im Internet und der Missbrauch einer Radio-Reportage durch Rechtsradikale - das ist Deutschlandradiokultur-Redakteurin Ellen Häring widerfahren. Für eine Reportage war sie vor einem Jahr in Brandenburg unterwegs. Sie hatte Lebensmittelgutscheine von Flüchtlingen dabei und wollte zeigen, wie schwierig der Einkauf damit ist – fast kein Geschäft wollte die Gutscheine annehmen. Ihre Reportage lief im Sender und wurde auch online gestellt, zusammen mit einem Foto.
Das gefälschte Bild von Ellen Häring, das sie auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite zeigt und als Obdachlose bezeichnet.
Das gefälschte Bild von Ellen Häring, das sie auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite zeigt und als Obdachlose bezeichnet.© Screenshot
Ellen Häring berichtete darüber, wie ihr Foto dann in einen ganz anderen, missbräuchlichen Kontext gestellt wurde:
"Das Foto zeigt mich vor einem Supermarkt mit drei Gutscheinen. Und das habe ich eben jetzt nach einem Jahr wiedergefunden auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite Da ist mein Gesicht verpixelt. Aber man sieht eben die Gutscheine. Und darunter steht, dass ich "Marlies T." bin, obdachlos und leberkrank. Und mich jetzt darüber freue, dass zwei großzügige afrikanische Flüchtlinge mir ihre Gutscheine geschenkt haben."
Viele können sich gegen solche Darstellungen nicht wehren
Auf dieses Foto gab es heftige Reaktionen. Der Sub-Text des verfälschten Fotos sei klar gewesen, meinte Häring: Er sollte sagen: "Denen geht es viel zu gut." So seien zahlreiche fremdenfeindliche Postings entstanden, zum Beispiel:
"'Die klauen sich doch sowieso alles zusammen. Wozu brauchen die noch Lebensmittelgutscheine?' Dann werden oft auch so sexuelle Anspielungen gemacht. Zum Beispiel stand auch darunter: 'Die kaufen sich Frauen mit Lebensmittelgutscheinen.' Insgesamt haben doch sehr viele gar nicht gemerkt, dass das ein Fake ist."
Das missbrauchte Foto sei auf Facebook mittlerweile gelöscht worden, sagte Häring:
"Ich bin natürlich in der komfortablen Situation, dass sich das bei der Arbeit ergeben hat. Und ich konnte unseren Justitiar damit beauftragen, dagegen etwas zu unternehmen. Andere erfahren vielleicht gar nichts davon oder können sich auch nicht dagegen wehren."
Mehr zum Thema