Fotografie

Pure Lebensfreude in Schwarz-Weiß

Der Fotograf Will McBride steht in der Ausstellung mit seinen Bildern in den neuen Räumen der Galerie C/O Berlin an ihrem neuen Standort im Amerika Haus in Berlin.
Der Fotograf Will McBride steht in der Ausstellung mit seinen Bildern in den neuen Räumen der Galerie C/O Berlin an ihrem neuen Standort im Amerika Haus in Berlin. © picture alliance / dpa / Tim Brakemeier
Von Michaela Gericke · 30.10.2014
In den 1950er Jahren zog der junge Amerikaner Will McBride durch Berlin und fing die Atmosphäre der Stadt in zum Teil atemberaubenden Bildern ein - eine Stimmung zwischen bleierner Schwere und Aufbruch. Mit den Bildern eröffnet die Galerie C/O Berlin seinen neuen Spielort im Amerika Haus.
Eines seiner Lieblingsfotos zeigt – 1959 – eine junge Frau, umgeben von lauter Gleichaltrigen. Alle sitzen in einem offenen Boot, das durch die Wasserstraßen Berlins zieht; viele von ihnen haben ein Musikinstrument dabei. Es sieht aus, als singe die junge Frau laut mit, während sie einen Arm in die Luft streckt, den Mund weit öffnet und sich – mit Wind im Haar – zum Fotografen dreht. Will McBride – von Krankheit gezeichnet – erinnert sich:
"River-boat-shuffle hieß das, ein Architektenausflug von der Universität. Durch die Nacht gefahren, durch die Nacht getanzt, eigens gebaute Jazz-Musik, selber gespielt und dann war das eine tolle Fahrt wieder zurück am nächsten Morgen, und da hab ich die ganzen Fotos gemacht."
Mit der Leica durch das Berlin der 50er-Jahre
Sie sind ausgelassen und experimentierfreudig, diese jungen Menschen auf den Fotos von Will McBride, neugierig auf das Leben und auf sich selbst, in lang durchzechten Nächten mit Alkohol und Zigaretten, oder am Strandbad Wannsee. McBride ist mitten unter ihnen, ohne jemals Voyeur zu sein. Schier atemraubend sind manche Motive, voller Spannung und Ästhetik: Ein Junge in Badehose scheint über dem Boden zu schweben, so hat ihn McBride von oben fotografiert: mit durchtrainiertem Rücken stützt er sich horizontal offenbar mit nur zwei Flaschen vom Boden weg.
Die Schatten um ihn herum lassen ahnen, wie sehr er dafür bewundert wird. Der junge Amerikaner Will McBride, 1931 in St Louis geboren, ist Mitte der 50er-Jahre auf dem Weg, Maler und Bildhauer zu werden. Mit seiner Leica hält er in Berlin fest, was er in dieser Stadt empfindet: eine Atmosphäre zwischen bleierner Schwere nach dem Krieg und optimistischem Aufbruch:
"Ja toll, es war eine tolle Zeit, dieser Wiederaufbau von Berlin und da war ich denn irgendwie beteiligt, hinsichtlich, dass ich hier gewohnt hab."

1955 kam Will McBride nach Berlin, um Philologie zu studieren. Sechs Jahre später ist er dabei, als sich am Checkpoint Charlie sowjetische und US-amerikanische Panzer gegenüberstehen. Er erkundet das karg anmutende Leben der Bürger in der geteilten Stadt:
"Ich bin durch Ost-Berlin und West-Berlin gefahren; und hab die Berliner als gleiches Volk empfunden und sehr freundliche Leute, sehr hart arbeitend, und mit dem Versuch, das alte Berlin wieder herzustellen."
Fast fragil wirken zunächst die trennenden Bretterzäune der vier Sektoren, dann, vom August 1961 an, durchschneidet die steinerne Mauer die Stadt. An der Bernauer Straße heben junge Eltern ihre Babies so hoch in die Luft, dass sie von Menschen auf der anderen Seite der Mauer gesehen werden können.
Aufnahmen von Brandt und Kennedy
Will McBride hat einen Anteil nehmenden Blick auf die Menschen, die hier leben, arbeiten, studieren, träumen. Und er fotografiert die wichtigen Politiker jener Zeit: Willy Brandt, Konrad Adenauer, John F Kennedy, während dessen legendärem Besuch in Berlin.
All diese Bilder, authentische Schwarz-Weiß-Fotografien, jetzt im neu eröffneten Amerika Haus zu sehen, ist eine großartige Entscheidung anlässlich des Einzugs von CO-Berlin in dieses Gebäude.
Felix Hoffmann, seit neun Jahren Kurator im Team von CO Berlin, konnte für die drei Räume im Obergeschoss Original-Fotos aus den Schatztruhen wichtiger Sammler zusammenbringen.
"Wir haben Fotos aus der Sammlung von FC Gundlach, dann haben wir von Norbert Bunge Sachen bekommen, der auch wunderschöne Vintages hat und von Will McBride. Norbert Bunge ist sicher einer der ersten gewesen, der Will McBride überhaupt ausgestellt hat in Deutschland."
Norbert Bunge ist auch das Buch Will McBride – Berlin im Aufbruch zu verdanken, das der Lehmstedt Verlag veröffentlicht hat. Es ist neben der Ausstellung eine zusätzliche Würdigung Will McBrides, dessen Motto jedes seiner hier gezeigten Fotos spürbar macht: Was ich nicht fühle, fotografiere ich nicht, ebenso wenig das, was ich nicht selbst erfahren habe.
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