Fotograf Ulrich Wüst

"Es gibt nicht das eine Jahr 1989"

Der Fotograf Ulrich Wüst bei der Eröffnung seiner Ausstellung "Stadtbilder Spätsommer Randlagen" bei C/O Berlin am 5.2.2016. Vom 6. Februar bis 24. April präsentiert C/O Berlin erstmals in Berlin 80 zum Teil nie ausgestellte Fotografien und Original-Leporellos.
Der Fotograf Ulrich Wüst bei der Eröffnung seiner Ausstellung "Stadtbilder Spätsommer Randlagen" bei C/O Berlin © imago / IPON
Ulrich Wüst im Gespräch mit Vladimir Balzer · 06.02.2016
Für Ulrich Wüst war 1989 eines der produktivsten Jahre seiner Karriere. Die Berliner Ausstellung "Stadtbilder Spätsommer Randlagen" zeigt jetzt 80 seiner Fotografien von damals. Sie wirken wie ein Abschied in Schwarz-Weiß von einer DDR, die in der Sackgasse steckt.
"Es gibt ja nicht das eine Jahr 1989", erinnert sich Ulrich Wüst. Das Wendejahr zerfalle zumindest in zwei Teile, sagt der Fotograf im Deutschlandradio Kultur, anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung "Stadtbilder Spätsommer Randlagen" bei C/O Berlin:
"Da war dieser erste Teil, in dem zwar viel geschehen ist, aber ich immer davon ausgegangen bin: Dieses Land wird sich immer mehr abgrenzen. Da wird die Mauer eben höher gebaut, wenn das nicht mehr reicht."
Aus seiner DDR-Sicht habe es nur diese eine Perspektive gegeben: "Es war ja bis zum Herbst unmöglich, dass da etwas in die andere Richtung gehen könnte." Im Lauf der Monate hätten dann Galgenhumor und Zynismus immer mehr zugenommen, so Wüst: "Das war wie so ein Tanz auf dem Vulkan."
Bilder aus einem Land in der Sackgasse
Das Jahr 1989 – es war ein Jahr der Entscheidung, für die DDR genauso wie für den ganzen Ostblock. Für Ulrich Wüst eines der produktivsten Jahre seiner Karriere. Er reist neben Moskau und Leningrad auch durch die untergehende DDR, ist in Berlin, in Leipzig, an der Ostsee. Es sind Reisen in ein Land in einer Sackgasse, nichts scheint mehr reformierbar, alles versteckt sich hinter einem Grauschleier. Es sind die letzten Tage einer Gesellschaft, ein Abschied in Schwarz-Weiß.
Ulrich Wüst wurde 1947 in Magdeburg geboren und zog 1972 nach Ost-Berlin. Seine Fotos treffen sehr genau die Stimmung vor den eigentlichen Umbrüchen. Was er zeigt, sind Plätze, Straßen, Gebäude – fast ohne Menschen. Was man sieht ist das Kaputte, das Verlassene, das Übriggebliebene. Die Menschen sind zwar noch irgendwo, aber hier nicht. Sie sind aus ihrem Land schon in Gedanken abgereist.
Die Galerie C/O Berlin zeigt 80 zum Teil nie ausgestellte Fotografien und Original-Leporellos aus drei seiner Serien.

Die Ausstellung "Ulrich Wüst - Stadtbilder Spätsommer Randlagen" ist vom 6.2. bis 24.4.2016 in der Fotogalerie C/O Berlin zu sehen.

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