Foto-Analysen von Amnesty International

Deutsche Waffen in den Händen des IS

Vermutlich eine Gruppe bewaffneter IS-Kämpfer im Nahen Osten
Vermutlich eine Gruppe bewaffneter IS-Kämpfer im Nahen Osten © imago
Von Lisa Schöffel · 16.01.2016
Die zurzeit gefährlichste Terrororganisation der Welt, der sogenannte Islamische Staat, ist bis an die Zähne bewaffnet. Fotos und Videos im Netz zeigen die Kämpfer mit wahren Waffenbergen. Auch mit Waffen made in Germany.
IS-Kämpfer zünden Raketen, andere liegen auf dem Bauch im Staub und ballern in die Ferne.
Seitenweise, auf Videos und hunderten Bilder prahlen die IS-Kämpfer mit ihren Waffen. Die Message ist klar: Wir sind gefährlich.
Die Waffen, die die Männer tragen, sind eine wilde Mischung aus unterschiedlichen Modellen, aus unterschiedlichen Ländern. Einige der Bilder zeigen auch deutsche Waffen. Ein IS-Kämpfer posiert mit einem Maschinengewehr aus deutscher Produktion. Ein anderer richtet eine Geisel hin – anscheinend mit einer Pistole, die sonst vor allem deutsche Polizisten tragen. Selbst typische Bundeswehr-Waffen sind in die Hände von IS-Terroristen geraten. Diese Aufnahmen lassen nur einen Schluss zu, sagt Iverna McGowan von Amnesty International:
"Die Bilder sind ein Beispiel für gescheiterte, für unverantwortliche Politik. Es ist klar, dass europäische und amerikanische Waffen dafür benutzt werden, im Nahen Osten sehr schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu begehen."
Amnesty International hat tausende Fotos von Experten begutachten lassen. Der Großteil der Waffen stammt demnach aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Doch Bilder, die dem ARD-Europamagazin jetzt vorliegen, zeigen, dass IS-Krieger auch mit deutschen Waffen kämpfen.
So zeigen die Bilder den sogenannten Islamischen Staat mit genau den deutschen Maschinengewehren, die die Bundesregierung an die Peschmerga-Kämpfer geliefert hat. Der IS könnte sie von ihnen erbeutet haben. Bei Überfällen auf Lager der irakischen Armee ist der IS wiederum an Waffen aus aller Herren Länder gelangt. Denn nach dem Sturz von Saddam Hussein wurden die irakischen Streitkräfte von unterschiedlichsten Ländern mit Rüstung im Wert von Milliarden versorgt. Waffengeschäfte mit Konfliktparteien im Nahen Osten – ein folgenschwerer Fehler, sagt Amnesty International.
Gleiche Waffen für verschiedene Gruppen
"Alle diese Länder haben während verschiedener Konflikte immer wieder Waffen in diese Region geliefert. Es ist deutlich, dass viele von diesen Waffen jetzt verwendet werden. Tatsächlich stehen sich in diesem Konflikt oft die verschiedenen bewaffneten Gruppen mit den gleichen Waffen gegenüber."
Manchmal fallen die Waffen sogar vom Himmel. Das US-Pentagon hat 2014 zugegeben, dass eines der Fallschirm-Waffen-Pakete zur Unterstützung der kurdischen Peschmerga nie ankam. Und tatsächlich zeigt ein Video, wie IS-Kämpfer ein solches Paket öffnen. Mit dabei: alte deutsche Handgranaten.
Doch nicht nur über Alt-Bestände, auch über neue Modelle wie das aktuelle G36 der Bundeswehr, hat Deutschland nicht die volle Kontrolle. Die staatliche saudi-arabische Waffenfirma MIC hat in den letzten Jahren tausende G36-Gewehre produziert – mit der Lizenz von Heckler & Koch. Hochproblematisch, meint der Friedensforscher Max Mutschler vom Internationalen Konversionszentrum Bonn.
"Das bedeutet eben einfach, dass man die Technologie aus den Händen gibt. Das heißt wir geben den Einfluss an Staaten wie den Iran oder Saudi-Arabien ab."
Amnesty International gibt den westlichen Staaten eine Mitschuld an den Greueltaten des IS – die so viele Menschen zu Flüchtlingen gemacht haben.
"Die westlichen Staaten spielen eine Rolle! Nicht nur dabei, jetzt Asyl zu gewähren. Sondern auch, weil ihre gescheiterte Politik und das unverantwortliche Waffen-Management in einigen Staaten zu diesen Menschenrechtsverletzungen geführt hat. Das geht im Moment in der Öffentlichkeit unter."
Eines zeigen die Bilder deutscher Waffen in den Händen des IS deutlich: Dass Pistolen und Gewehre lange leben. Einmal gebaut können sie leicht außer Kontrolle geraten.
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