Forschungsflugzeug Halo vor erstem Einsatz

Hans Schlager im Gespräch mit Gabi Wuttke · 20.08.2012
Welche Prozesse laufen bei der Erderwärmung ab? Wie entstehen Erdbeben? Das deutsche Höhenforschungsflugzeug Halo, das heute in Betrieb geht, soll aufschlussreiche Daten in der Atmosphäre sammeln.
Gabi Wuttke: 15.000 Meter Höhe, 8000 Kilometer Reichweite, Platz für drei Tonnen Nutzlast. Heute wird das Flugzeug mit dem Namen Halo Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft übergeben, auf dass mit seiner Hilfe die Atmosphären-, Umwelt- und Klimaforschung vorankommt. Um uns Einzelheiten zu erklären, ist Hans Schlager am Telefon. Er ist beim DLR Abteilungsleiter am Institut für Physik der Atmosphäre. Schönen guten Morgen!

Hans Schlager: Guten Morgen.

Wuttke: Ist Halo ein umgebautes Reiseflugzeug, oder eine Extraanfertigung?

Schlager: Halo ist schon eine Extraanfertigung. Die Basis ist ein Business-Flugzeug, aber es wurde dann in dreijähriger Arbeit umgewandelt jetzt in ein Forschungsflugzeug.

Wuttke: Und was wurde alles getan, bis jetzt Vollzug gemeldet werden konnte?

Schlager: Da wurden viele Einlassöffnungen montiert in das Flugzeug und auch Außenstationen angebaut, also Stationen, wo man auch Sensoren außerhalb des Flugzeugs anbringen kann. Und dann wurde eine Datenanlage installiert und es wurden Einrichtungen in der Kabine installiert, wo man die ganzen Messinstrumente montieren kann.

Wuttke: Und das alles hat 70 Millionen Euro gekostet?

Schlager: Das gesamte Flugzeug, das Basisflugzeug, hat etwa, glaube ich, 40, 50 Millionen gekostet, und der Rest waren die ganzen Umbauten. Sie müssen sich vorstellen: wenn Sie eine Öffnung zum Beispiel machen – da haben wir Öffnungen drin, die einen Durchmesser von 50 Zentimeter haben -, dann müssen Sie die gesamte innere Struktur des Rumpfes des Flugzeugs verstärken. Das war also sehr aufwendig.

Wuttke: Und was kann denn jetzt Halo möglicherweise eben auch im Vergleich zu seinem Vorgänger Falcon?

Schlager: Wir haben ja zwei Hauptanwendungsgebiete: das ist die Atmosphären- und Klimaforschung auf der einen Seite, aber auch geophysikalische Anwendungen. Zum Beispiel untersuchen wir, wie es zu Erdbeben kommt, mit dem Flugzeug. Ein drittes Feld, was ich auch noch nennen will, ist die Erprobung und Entwicklung von Satellitensensoren.

Im Bereich der Atmosphären- und Klimaforschung: die ersten Kampagnen, die jetzt kommen, sind schon sehr spannend. Zum einen untersuchen wir atmosphärische Dynamik. Da geht es darum, wie Spurenstoffe vom Boden in große Höhen kommen. Da sehen Sie schon: wir brauchen da die große Höhe. Wir wollen Messungen machen bis 15 Kilometer Höhe. Man möchte diese Prozesse verstehen, wie kommen Spurenstoffe, die am Boden emittiert werden, bis in diese Höhe.

Wuttke: Warum stellen Sie sich die Frage? Welchen praktischen Nutzen hat das für jemanden als Laien, der es gerne verstehen möchte, nämlich ich?

Schlager: Genau. Da geht es darum, wenn wir das Prozessverständnis bekommen haben über die Messungen, dann simulieren wir, wie sich in dem künftigen Klima diese Transportwege verändern können, und das hat nämlich Auswirkungen insgesamt auf die Entwicklung der Atmosphäre und des Klimas.

Wuttke: Inwiefern?

Schlager: Zum Beispiel ein Transportweg ist der Vertikaltransport von Spurenstoffen in Gewittern, in hoch reichenden Gewittern, speziell in den Tropen, und in einem künftigen Klima könnte die Gewitterhäufigkeit zunehmen und deswegen kommen die Spurenstoffe dann auch effizienter in die größeren Höhen. In größeren Höhen sind viele Spurengase klimawirksamer als am Boden.

Wuttke: Und warum jetzt dieses Flugzeug? Können das Satelliten nicht unter Umständen viel besser?

Schlager: Das Flugzeug füllt sozusagen eine Lücke zwischen den Satellitenbeobachtungen und den Bodenbeobachtungen. Wir operieren hauptsächlich in einer Höhe so zwischen acht und 15 Kilometern, also die sogenannte Tropopausenregion, wo das unterste Stockwerk der Atmosphäre, die Troposphäre, und das nächste Stockwerk sozusagen ineinandergreifen, und das sind Höhenschichten, wo eine sehr hohe örtliche Auflösung nötig ist bei den Messungen. Das können die Satellitensensoren nicht leisten.

Wuttke: Das heißt, Halo kommt da näher heran?

Schlager: Genau und kann hoch aufgelöstere, örtlich und räumlich hoch aufgelöstere Messungen durchführen.

Wuttke: Wie oft soll denn Halo eingesetzt werden? Was hat denn so ein Arbeitsjahr bei Halo in sich?

Schlager: Ich würde sagen, das sind mindestens drei größere Messkampagnen, und da spreche ich von Messkampagnen, wo wir global unterwegs sind. Um ein Beispiel zu nennen: Jetzt im September gibt es eine Messkampagne, die ich leiten werde. Da fliegen wir von der Nordpolar-Region bis zur Südpolar-Region innerhalb von zehn Tagen entlang Afrikas und Indischer Ozean zurück. Da geht es darum, Messdaten zu gewinnen, um die Klimamodelle zu überprüfen, ob sie die Prozesse richtig implementiert haben im Modell.

Wuttke: Nach diesen Untersuchungen, mit den Ergebnissen werden Sie uns besser Auskunft darüber geben können, wie es um den Zustand der Pole bestellt ist?

Schlager: Und allgemeiner noch, wie es um den Zustand des Klimas bestellt wird. Sie wissen ja zum Beispiel: in der Nordpolar-Region ist die Erwärmung am stärksten, was die Bodenbeobachtungen aussagen, und wir versuchen, jetzt die Prozesse zu verstehen: wie kommt es dazu eigentlich, dass in der Nordpolar-Region die Erwärmung am stärksten ist.

Wuttke: Wie lange brauchen Sie dann noch mal, um all das, was Halo jetzt mit Ihnen zusammen einsammelt, auszuwerten?

Schlager: Das sind ja eine Reihe von Messkampagnen. Jede Kampagne konzentriert sich auf einen speziellen Prozess und insgesamt versucht man eben, die Klimamodelle, die Atmosphärenmodelle zu verbessern. Das ist ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht. Ich meine, wir haben jetzt ja schon eine Planung an Messaktivitäten mit Halo, die die nächsten fünf Jahre umfasst.

Wuttke: Das heißt, so lange muss das Flugzeug durchhalten. Aber die Technik geht doch weiter mit Sieben-Meilen-Stiefeln. Glauben Sie denn, dass in fünf Jahren Halo noch so ausgestattet ist, dass es das Optimum für Ihre Forschungsarbeit überhaupt ermitteln kann?

Schlager: Also, das Wichtige in Halo ist ja nicht nur das Flugzeug und das jetzt umgebaute Flugzeug in ein Forschungsflugzeug, sondern die Messinstrumente, die wir an Bord haben, und das sind immer Messgeräte, die nach dem neuesten Stand der Technik aufgebaut sind. Das heißt, auch auf dieser Seite der Messgeräte werden in den nächsten Jahren natürlich weiterentwickelte Messgeräte zum Einsatz kommen. Da ist also kein Stillstand, sondern fortwährend gibt es da eine Weiterentwicklung.

Wuttke: Ist denn jetzt alles drin, was Sie sich gewünscht haben? Man muss ja manchmal Abstriche machen.

Schlager: Jetzt ist alles drin. Wir sind jetzt in Europa, würde ich sagen, einzigartig mit der Kombination von Messgeräten. Das gibt es, wenn überhaupt, nur in den USA in vergleichbarer Form. Wir hatten auch in Europa bisher so ein Messflugzeug nicht, was die Kombination aus Reichweite und Gipfelhöhe angeht. Zum ersten Mal haben wir jetzt diese Möglichkeiten, hier eben auch in schneller Zeit solche Flüge zu machen bis in die Südhemisphäre. Das war vorher nicht möglich mit dem Flugzeug, was nur eine Reichweite von dreieinhalb Tausend Kilometern hatte.

Wuttke: Heute beginnt Halo seine Mission, dazu im Deutschlandradio Kultur Hans Schlager vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ich danke Ihnen sehr und viel Erfolg!

Schlager: Bitte schön!


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