Forschung

Meerkatze, Mensch & Co.

Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer, wobei sich das eine Tier der Fellpflege des anderen widmet, aufgenommen am 24.09.2007 in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Im Hinduismus, der Hauptreligion in Nepal, wird der Rhesusaffe als heiliges Tier verehrt.
Was teilen wir mit allen anderen Primaten, was zeichnet uns allein aus? © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Daniela Kletzke und Anne Ipsen · 13.09.2014
"Die sind ja wie wir!" Dieser Ausruf begleitet Jahrzehnte der Erforschung nichtmenschlicher Primaten. Wer in den 60er-Jahren Jane Goodall schmökernd oder vom Fernsehsessel aus in den Regenwald von Tansania folgte, der erfuhr, dass junge Schimpansen viele Dinge ganz ähnlich lernen wie Menschenkinder, und konnte darüber staunen, wie unmittelbar ihre Gesten und Gesichtsausdrücke uns berühren.
Anfang des Jahres 1978 berichtete der berühmte Nachrichtensprecher Walter Cronkite dem amerikanischen Fernsehpublikum, dass Dian Fosseys Lieblingsgorilla Digit von Wilderern erschlagen worden war. Die großen Menschenaffen sind uns nah gerückt.
Viele andere Primaten, Meerkatzen und madagassische Fingertiere, Languren und Lemuren, haben es nicht bis in die Abendnachrichten geschafft, doch die Vielfalt ihres Verhaltens und ihrer Gesellschaftsformen ist faszinierend. Dank ihrer Intelligenz besiedeln Primaten Wüsten und alpine Regionen, Moorwälder und Savannen. Forscher, die ihnen durch die Wildnis folgen, gewinnen erstaunliche Einblicke in die Entstehung von Gefühlen und geistigen Fähigkeiten, die lange als spezifisch menschlich galten. Von diesen Erkenntnissen und den abenteuerlichen Reisen, auf denen sie gewonnen werden, wollen wir berichten.
Viele Primatenforscher fürchten, "ihre Affen" könnten noch zu ihren Lebzeiten aussterben. Primatenforschung in Afrika oder Asien wird häufig zu einem Kampf um das Überleben von Arten, weil Wilderei, Landhunger und der Palmölkonsum in den Industrieländern die Lebensräume von Affen rapide zerstören. Wenn aber eine Primatenart ausstirbt, dann schließt sich für immer ein Fenster, durch das wir Menschen auf unsere eigene Entstehungsgeschichte blicken können.
Je mehr wir über nichtmenschliche Primaten wissen, desto mehr Grund haben wir, unser Verhältnis zu ihnen zu überdenken. Auch in diese Diskussion möchte die "Lange Nacht über Primaten" Einblicke geben. Unstrittig scheint, dass große Menschenaffen sich an ihre Lebensgeschichte erinnern und ein Empfinden ihres privaten Selbst haben. Viele Fähigkeiten, mit denen wir Menschen unsere Würde begründen, sehen Primatenforscher bei Menschenaffen, aber auch bei anderen Primaten, entweder voll ausgeprägt oder im Entstehen. Sind Menschenaffen also Personen? Stehen Orang-Utans Grundrechte zu? Ist die Ausrottung von Schimpansen auch die Zerstörung einer ganzen Kultur, also ein Genozid?
In seinem vor 51 Jahren erschienen Roman "Der Planet der Affen" kehrte Pierre Boulle die Verhältnisse zwischen Menschen und Affen um. Affen führen Experimente an Menschen durch, und eine Schimpansin erklärt die Entstehung von Intelligenz: "Die Tatsache, dass wir Vierhänder sind, stellt einen der wichtigsten Faktoren unserer geistigen Entwicklung dar. ... Unserer manuellen Geschicklichkeit entspringt die Lust am Konstruktiven."
Sind wir so einzigartig, wie wir lange dachten? Die Grenze zwischen Menschen und anderen Primaten wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neu begründet. Die Primatenforschung ist der alten und immer noch rätselhaften Geschichte unserer Intelligenz und unserer Gefühle auf der Spur und fordert uns heraus, andere Geschöpfe als gleichwertig anzuerkennen - weil sie sind "wie wir" und wegen ihrer faszinierenden Andersartigkeit.
Daniela Kletzke
Große Fragen
Vor etwa 80 Millionen Jahren begann die Entwicklungsgeschichte der Primaten. Es ist eine Geschichte, in der Intelligenz zum Überlebensfaktor wurde. Primatenforscher stellen große Fragen nach der Entwicklung unserer Gefühle und geistigen Fähigkeiten. Die Antworten versuchen sie in jahrelanger Kleinarbeit aus unzähligen Einzelheiten zusammenzusetzen. Sie protokollieren soziales Miteinander, stellen Verwandtschaftsverhältnisse durch Gentests fest, machen Tonaufnahmen von den Rufen der Tiere, sammeln Haare, Kot- und Nahrungsproben und schicken sie an Labore. Primatenforschung ist ein Puzzle, und viele Mitspieler weltweit versuchen kleine Informationen an die richtige Stelle zu rücken. Eine der großen Fragen lautet: Warum leben manche Primaten eigentlich in friedlichen Matriarchaten, während andernorts aggressive Männchen das Sagen haben? Bonobos leben nur in einem Gebiet südlich des Kongo und sind bekannt für ihr friedfertiges Miteinander. Befreundete Weibchen führen die Gruppen und nutzen Sex, um zu trösten, zu beschwichtigen und Konflikte zu schlichten. Schimpansenmännchen dagegen herrschen meist mit körperlicher Überlegenheit und oft mit Gewalt. Ist das Leben südlich des Kongo vielleicht einfacher? Gibt es mehr und bessere Nahrung? Vielleicht entstanden die unterschiedlichen Gesellschaftsformen von Schimpansen und Bonobos auch als Folge lange zurückliegenden Ereignissen im Lauf ihrer Entwicklungsgeschichte. Um dieses und viele andere Rätsel zu lösen, bleibt Primatenforschern nicht viel Zeit. Viele von ihnen fürchten, noch erleben zu müssen, wie die von ihnen untersuchten Arten aussterben. Weil Wilderer, Holzfäller, Viehhirten und Palmölkonzerne die Lebensräume von Affen in rasendem Tempo zerstören, wird aus Primatenforschung im Freiland oft sehr rasch das verzweifelte Bemühen, Primaten zu schützen. Wenn überhaupt, gelingt es nur, Inseln zu verteidigen, Überbleibsel von Regenwald und Wildnis in Nationalparks. Eine dieser Inseln ist der entlegene Gashaka-Gumti-Nationalpark im Nordosten Nigerias, den Volker Sommer leitet. Noch eine große Frage der Primatenforschung: Setzen intellektuelle Höchstleistungen einen gesunden Tiefschlaf voraus?
Volker Sommer: "Also alle sogenannten großen Menschenaffen fertigen jede Nacht eine neue Schlafstätte an. Das heißt, die biegen, wenn es sich denn um nichtmenschliche Menschenaffen handelt, in den Baumkronen Zweige zusammen und verflechten die innerhalb von drei, vier Minuten zu so einer Art Matratze."
In solchen Nestern kann auch ein müder Primatenforscher Erholung finden und zu den großen, spannenden Fragen über unsere gemeinsame Entwicklungsgeschichte zurückkehren.
Volker Sommer: "Diese mit uns verwandten Menschenaffen haben ein ziemlich großes Gehirn, und die denken vermutlich auch viel, und das ist sehr energieaufwendig, und irgendwie scheint es gut zu sein, wenn man dann in Ruhe schlafen kann. Und eine solche Matratze in einem Baum, man kann sich da auch als Mensch reinlegen, also viele von den Nestern können durchaus 50, 60, 70, 80 Kilogramm tragen, das wippt so ein bisschen, ist oft auch sehr bequem, wenn man drin liegt, und es kann durchaus sein, dass sich hier über Nacht das Gehirn entsprechend erholen kann, und deshalb hab ich das dann eben mal als Wiege der höheren Erkenntnis bezeichnet."
Typisch Affe? Typisch Mensch?
Michael Tomasello, geboren in Florida, leitet das Leipziger Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie. Im großen Puzzlespiel der Primatenforschung ist er auf der Suche nach einem ganz bestimmten Teil. Wo, so lautet seine Frage, verläuft eigentlich genau die Grenze zwischen Menschen und anderen Primaten. Was ist das Besondere an uns? Wo in unserer langen Evolutionsgeschichte beginnt unsere sich immer stärker beschleunigende kulturelle Entwicklung?
Michael Tomasello: "Es gibt eine Menge unterschiedlicher Theorien über die Evolution, die alle auf die eine oder andere Art davon ausgehen, dass es die Sprache ist, die Menschen so einzigartig macht. Ich finde aber, das ist so, als würde man sagen, dass nur Menschen Hochhäuser bauen. Dabei sind Menschen die einzigen Primaten, die überhaupt frei stehende Hütten bauen. Also muss man erst etwas über die Hütten herausfinden und dann über die Hochhäuser."
Sprache ist für Tomasello, ähnlich wie Wolkenkratzer, bereits eine kulturelle Höchstleistung. Zu Anfang seiner Karriere hat sie ihn fasziniert, doch nach und nach kam er zu dem Schluss, dass etwas anderes grundlegender ist: gemeinsame Absichten und Zusammenarbeit.
Michael Tomasello: "Ich fragte mich, was die Voraussetzungen für Sprache sind, und es stellte sich heraus, dass es davon eine ganze Menge gibt, zum Beispiel das Verfolgen von Blicken, das Deuten von Zeigegesten und das Vereinbaren von Konventionen, aus denen Sprache ja besteht. Ich habe mich also rückwärts vorgearbeitet. Zuerst habe ich mich mit Sprache beschäftigt, die zu den komplexesten kognitiven und sozialen Leistungen von Menschen gehört, und dann fand ich immer mehr Entwicklungsschritte, die der Sprache vorausgegangen sein mussten, und interessierte mich mehr für unsere grundlegenden kognitiven Fähigkeiten und nicht mehr nur für Sprache.
Wir glauben, dass es im Verlauf der Evolution zu einer Situation gekommen ist, in der Menschen zusammenarbeiten mussten, um genug Nahrung zu bekommen. Andere Arten wie zum Beispiel die großen Menschenaffen, bei denen die einzelnen Individuen weniger stark voneinander abhängig sind und sich allein mit Nahrung versorgen können, sind nicht unter dem gleichen Druck.
Abenteuer Primatenforschung
Julia Fischer, Professorin am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, faszinieren die Lautäußerungen von nichtmenschlichen Primaten. Ursprünglich war sie ein Stadtmensch. Als Biologiestudentin interessierte sie die Arbeit im Labor mehr als Vogelbeobachtungen in aller Herrgottsfrühe oder pflanzenkundliche Querfeldeinmärsche.
Julia Fischer: "Als dann das Angebot kam, nach Botswana zu gehen, hab ich gedacht, wer kriegt schon so eine Möglichkeit, das muss ich machen. Und als ich dann da war, hab ich natürlich gedacht, bin ich völlig wahnsinnig geworden, das ist so gefährlich. Da sind lauter Tiere, die einem nach dem Leben trachten, und ich hatte richtig Muffe. Und man ist auch immer angespannt, weil’s einem sofort klar wird, man ist Beute. Man hat richtig, richtig Muffe. Aber es ist auch interessant, wie sich dann die Sinne verändern, also wenn man draußen in der Wildnis lebt und dann plötzlich jedes Rascheln mitbekommt und Gerüche, die sich verändern, und dann plötzlich alles leise wird. Man entwickelt so ein Sensorium, das einem natürlich in der Stadt völlig abgeht. Braucht man hier nicht, ja, also warum soll man das haben, aber da draußen braucht man es eben die ganze Zeit, und dann plötzlich merkt man, dass man Elefanten eher riecht als sieht zum Beispiel. Die haben also wirklich intensive Ausdünstungen, aber wenn die im Wald stehen, sieht man die einfach nicht. Man muss immer aufpassen, das ist die goldene Regel, und dann wird man ja auch entschädigt, also das ist so unglaublich in einer Situation zu sein, wo man keine Halteseile mehr hat, wo es keine Notrufnummer gibt, die man anrufen kann, und wirklich in der Situation zu leben ganz konkret, das hat natürlich auch was wahnsinnig Bereicherndes und Beglückendes."
2006 reiste Julia Fischer mit ihren Mitarbeitern in den Senegal, um einen geeigneten Ort für eine Forschungsstation zu suchen. Sie entschieden sich für ein Gebiet am Ufer des Gambiaflusses.
Julia Fischer: Da waren mehr Paviane als Kaninchen in einem Stadtpark, also da waren wirklich überall Paviane, saßen da rum auf den Schwemmflächen, und die schienen mir auch gar nicht so besonders scheu zu sein, und das ist dann wirklich so als würde man in ein fremdes Land kommen: Man kann die Leute nicht befragen, sondern nur beobachten, beobachten, was passiert, wer interagiert wie mit wem, wer ist mit wem wo unterwegs und so weiter, und dann hat man irgendwann eine Vermutung und denkt: Ich glaube, das ist so und so. Zum Beispiel diese Männchen, die miteinander immer zusammen sind, sind vermutlich Brüder, die sehen sich ja auch ähnlich. Ja, und dann haben wir genetische Analysen gemacht und gefunden, na ja, es gibt zwar schon Brüder oder Cousins, aber viele, die miteinander befreundet sind, sind nicht miteinander verwandt, also Verwandtschaft erklärt das eigentlich nicht. Und so da so schrittweise durchzugehen und sich immer neu zu überlegen, ja wie könnte es denn jetzt eigentlich sein, das ist ein fantastisches Erlebnis eigentlich. Eine wirklich tolle Erfahrung.
In ihrem Buch "Affengesellschaft" beschreibt Julia Fischer die abenteuerlichen Seiten der Primatenforschung ebenso wie die wichtigsten theoretischen Fragen. Manche oft gestellten Fragen und viel zitierten Befunde stehen ihrer Ansicht nach neuen Erkenntnissen eher im Wege. Das gilt auch für den Streit über die Ursprünge menschlicher Sprache.
Julia Fischer: Also, je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das eigentlich keine wissenschaftliche Frage ist. Also es ist nichts, wo wir in absehbarer Zeit zu einer Antwort kommen können. Also wenn man sich anguckt, wie unterschiedlich die unterschiedlichen Szenarien sind, die die Leute immer wieder vorbringen, also das ist jetzt über das Singen entstanden, oder es ist über die gemeinsame Arbeit entstanden oder es ist über Gesten entstanden oder es ist über Grunzen entstanden, da sieht man schon sozusagen, die Daten geben die Antwort nicht her. Und die werden sie auch in absehbarer Zeit nicht hergeben, und in der Zeit mach ich lieber was anderes.
Die "Trimates" und Louis Leakey
Im Englischen hat man ein Wort für das Dreigestirn Jane Goodall, Dian Fossey und Birute Galdikas erfunden: The Trimates, die Trimaten. Die Schicksale der drei Primatenforscherinnen sind eng mit dem Schicksal ihrer Affen verbunden, denn die Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, über die sie der westlichen Welt Unerhörtes berichteten, waren bedroht und das Jahrhundert der spektakulären Erkenntnisse über große Menschenaffen drohte auch das Jahrhundert ihrer Ausrottung zu werden. In Kinosesseln, beim abendlichen Fernsehen und schmökernd in die Lebensberichte der drei versunken nahmen die Menschen bald Anteil an ihrem Kampf. Sie sahen und lasen, wie ein kleiner Schimpanse die Hand ausstreckte und Jane Goodalls Nase berührte und wie Dian Fossey den Torso des Gorillas Digit streichelte, dem Wilderer Kopf und Gliedmaßen abgeschlagen hatten.
Bevor sie nach Tansania, in den Kongo und nach Indonesien aufgebrochen waren, waren alle drei Frauen demselben Mann begegnet, dem Archäologen und Anthropologen Louis Leakey. Birute Galdikas traf ihn 1969 als letzte der drei an der University of California in Los Angeles.
Birute Galdikas: "Im März 1969 hielt Louis Leakey an der UCLA eine Vorlesung über seine Fossilienfunde. Jemand wollte wissen, welchen Stellenwert die Untersuchung von Primaten für das Verständnis der Evolution des Menschen habe. "Den höchsten!", erklärte er und fügte hinzu, dass lebende Primaten Modelle liefern, anhand derer wir die Knochen ausgestorbener Hominiden mit Fleisch bedecken können. "Im übrigen", triumphierte er, "habe ich gerade ein Telegramm bekommen, in dem mir Dian Fossey mitteilt, die Berggorillas hätten sich so sehr an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass einer ihr die Schuhbänder öffnet." Zur Bekräftigung klopfte er auf seine Hemdtasche, in der sich das Telegramm wohl befand."
Louis Leakey war als Kind britischer Missionare im späteren Kenia in zwei Kulturen aufgewachsen. Seitdem er mit einundzwanzig von Cambridge aus an einer archäologischen Expedition ins spätere Tansania teilgenommen hatte, setzte Leakey alles daran, Darwins These von der Herkunft des modernen Menschen aus Afrika durch fossile Funde zu beweisen. Er und seine Frau Mary lebten teils in Armut, teils von Forschungsstipendien und Aufträgen des britischen Geheimdienstes. Inmitten der Wirren, die das Ende der Kolonialzeit begleiteten, gruben sie nach Fossilien. Ihre wichtigste Ausgrabungsstätte war seit 1951 die Olduwai-Schlucht im heutigen Tansania, doch erst 1959 fand Mary hier die ersten fossilen Überreste eines Geschöpfes, das die Leakeys in die menschliche Ahnenreihe einordneten. Etwa zur selben Zeit gründete Leakey einen Fond zur Erforschung der großen Menschenaffen. Von Anfang an war er entschlossen, Frauen als Forscherinnen in die Wildnis zu schicken. Birute Galdikas erklärte er, Frauen seien besser in der Lage, unvoreingenommen eine Fülle von Einzelheiten aufzufassen, und riefen außerdem bei männlichen Menschenaffen weniger Aggressionen hervor.
Birute Galdikas: "Es ist unbestreitbar, dass Louis Leakey eine Vorliebe für Frauen hatte. Allerdings begriffen die wenigsten Leute, dass es nicht den geringsten Unterschied machte, ob es sich dabei um eine schlanke Zweiundzwanzigjährige im Minirock oder um eine untersetzte Fünfundsechzigjährige in Kampfstiefeln handelte. Ich hatte stets den Eindruck, dass er in Frauen Wesen sah, die sich grundlegend von Männern unterscheiden, und vermute, dass er während seiner Kindheit unter den Kikuju keine engen Beziehungen zu Frauen und Mädchen gehabt hatte. Als er dann in jungen Jahren nach England ging, dürften ihn diese einst verbotenen Geschöpfe fasziniert haben. Jane, Dian und ich wurden seine Töchter. Ähnlich wie Mary traten wir ihm nicht mit blinder Verehrung entgegen. Dann und wann vertraten wir andere Ansichten als er und setzten uns ihm gegenüber gelegentlich auch durch. Wie richtige Geschwister wählten wir einander nicht aus, sondern waren vom Schicksal zur Rolle der "Trimates" bestimmt, wie man uns häufig nannte."
Orang-Utans haben Zeit zum Denken
Dian Fossey dokumentierte, wie erschütterbar und lebensnotwendig die Bindungen in einer Gorillagruppe sind, Jane Goodall entzifferte über Jahrzehnte die fein abgestuften Hierarchien unter Schimpansen. Birute Galdikas dagegen begegnete in Borneo den großen Einzelgängern unter den Menschenaffen. Auch heute noch ist es die Unabhängigkeit erwachsener Orang-Utans, die sie am meisten fasziniert.
Birute Galdikas: "Die Orang-Utans konnten tagelang allein im Wald unterwegs sein und wirkten dabei überhaupt nicht einsam. Sie sind fast wie Gott, so wenig brauchen sie jemand anderen. Ihre Welt gehört ihnen allein. Ein erwachsener Orang-Utan könnte jahrelang den Wald durchstreifen, ohne einem anderen Orang-Utan zu begegnen, und ich glaube nicht, dass ihm das das Geringste ausmachen würde. Ich glaube, wir Menschen sind viel schwächer als Orang-Utans, aber in unserer Schwäche liegt unsere Stärke, weil wir Bindungen eingehen und zusammenarbeiten. Orang-Utans sind dazu nicht in der Lage, sie tun nichts dergleichen."
Orang-Utans leben selbstgenügsam und brauchen große Regenwaldflächen, um genug Nahrung zu finden. Anders als Schimpansen und Gorillas bewegen sie sich fast nie am Boden fort, sondern reisen durch die Baumkronen. Birute Galdikas glaubt, dass unser Auszug aus dem Paradies sich vor rund 10 Millionen Jahren ereignete, als sich unsere Entwicklungslinie von der der Orang-Utans trennte. Mit den Anfängen eines Lebens auf festem Boden begannen auch die Scherereien eines intensiven sozialen Miteinanders. Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Menschen verließen das Paradies der Selbstgenügsamkeit, das Orang-Utans noch immer bewohnen.
Birute Galdikas: "Sie haben Eden nie verlassen. Der tropische Regenwald ist unser Garten Eden. Die Schimpansen haben ihn verlassen, die Gorillas auch, aber Schimpansen können immer noch beides, sie sind im Wald und sie streifen durch die Savanne. Wir dagegen sind aus den Bäumen herabgestiegen und auf dem Boden geblieben."
Während wir Menschen ganz in der Hektik unseres sozialen Lebens aufgehen, haben Orang-Utans Zeit zu denken.
Birute Galdikas: "Sie haben sehr viel Zeit. Einer der Gründe dafür ist, dass sie so lange leben. Orang-Utans können in Gefangenschaft über siebzig werden, und ich bin sicher, dass es auch wilde Orang-Utans, vor allem Weibchen, gibt, die älter als siebzig werden. Außerdem stecken sie keine Energie in soziale Beziehungen. Menschen und Schimpansen verschwenden eine Menge Zeit, indem sie miteinander reden, einander schmeicheln. Orang-Utans tun das nicht. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, weshalb sie anscheinend so viel Zeit haben, einfach dazusitzen und nachzudenken. Manchmal sitzen sie einfach da und denken angestrengt nach und man weiß nicht genau worüber, aber sie haben eine große Fähigkeit, Dinge in ihrem Verstand zu bewegen, zu meditieren. Deshalb sind sie auch wahre Künstler, wenn es darum geht, aus einem Käfig zu entkommen. Sie überlegen sich, wie sie etwas auseinandernehmen können, und dann tun sie es."
Palmöl kostet Orang-Utans das Leben
Freiheit ist für Orang-Utans gleichbedeutend mit einem zusammenhängenden Kronendach von Regenwaldbäumen. In den Jahrzehnten, die Birute Galdikas in Indonesien erlebte, ist diese Freiheit immer mehr geschrumpft. In den 80er-Jahren wurden neue Maschinen für die Papierherstellung entwickelt, die es möglich machten, uralte Regenwaldbäume zu Zellulose zu verarbeiten. Nun arbeiteten die Holzfäller, die widerrechtlich in den Nationalpark eindrangen, nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern für Firmen, die in der Lage waren, Beamte großzügig zu bestechen.
Birute Galdikas: "Als ich ins Land kam, war die Zerstörung noch auf einzelne Orte beschränkt. Die Leute, also die illegalen Holzfäller, hatten nicht einmal Kettensägen, sie fällten die Bäume mit Sägen und Äxten. Und dann wurde es seit den 80er-Jahren durch die globalisierte Wirtschaft schlimmer und schlimmer."
Heute ist es der Konsum von Palmöl in der industrialisierten Welt, der Orang-Utans und viele andere Primaten bedroht.
Birute Galdikas: "Die Leute können etwas tun, um Orang-Utans vor der Ausrottung zu bewahren: Kein Palmöl benutzen. Das ist so wichtig. Palmöl kostet Orang-Utans das Leben, es bringt sie an den Rand des Aussterbens. Wenn ich auf einem Etikett "Pflanzenöl" lese, dann kaufe ich das Öl nicht."
Katja Liebal, Primatenforscherin und Professorin für evolutionäre Psychologie, hat Birute Galdikas 2007 zum ersten Mal besucht und erlebt, was unser Palmölverbrauch für die Menschen auf Borneo bedeutet.
Katja Liebal: "Palmöl ist in Kosmetikartikeln jeglicher Art, in Waschmitteln, in Müsli, in Brotaufstrichen, diverse Nahrungsmittel eigentlich fast jeder Art. Da steht dann pflanzliche Öle, aber es ist nicht deklariert, welche Öle, es versteckt sich wirklich überall. Und das Problem ist natürlich auch zum Teil, dass es viel billiger produziert werden kann, aber was man eben oft nicht weiß, ist, dass diese Plantagen, die angelegt werden, nach drei bis vier Jahren keine Erträge mehr bringen, weil diese Bodenschicht auf Kalimantanas, in diesem Regenwald, sehr, sehr dünn ist. Das heißt, die Nährstoffe sind nach wenigen Jahren verbraucht, und für die Bevölkerung dort ist das natürlich kurzzeitig ein Segen, weil plötzlich es Einkommen gibt und auch Arbeit gibt, aber das hält wirklich nur ganz, ganz kurz an, und dann sind sozusagen die Firmen weg, die Palmen bringen keinen Ertrag mehr und es wächst aber auch nichts anderes mehr. Also selbst wenn man es wieder nur auf den Menschen bezieht und einem Affen und jegliches andere Getier egal wäre: Für die Menschen dort ist es genauso ne Katastrophe, was ihre Landwirtschaft und so weiter angeht. Es gibt so bestimmte Ureinwohnergruppen, die sehr eng verbunden sind noch mit ihrem eigenen Land, und einige Gruppen leben direkt im Regenwald und die haben sich geweigert, ihre Rechte abzutreten an diese Firmen, und eines Tages waren die Bagger hinterm Haus. Also selbst wenn man sich weigert und sich sozusagen nicht bestechen lässt oder kein Geld annimmt, ist das immer noch keine Garantie, dass man das Land nicht trotzdem verliert. Und eigentlich müssten wir zuerst hier anfangen und unser Konsumverhalten noch einmal überdenken. Wenn wir’s nicht kaufen würden, würde es nicht die Notwendigkeit geben, dort den Regenwald in Palmölplantagen umzuwandeln."
Lebensbedingungen großer Menschenaffen in deutschen Zoos
Der Psychologe Colin Goldner trat 2011 eine Reise an, die ihn zwei Jahre lang quer durch Deutschland führte. Er besuchte alle 38 deutschen Zoos, in denen große Menschenaffen, also Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen oder Bonobos, leben. Die meisten suchte er mehrmals auf. An den eingesperrten Affen beobachtete er Verhaltensstörungen, die er von Patienten auf psychiatrischen Stationen kannte.
Ein Orang-Utan-Kind im Leipziger Zoo
Ein Orang-Utan-Kind im Leipziger Zoo© Anne Ipsen
Colin Goldner: "Ich bin mit symptomorientierten Checklisten aus der klinischen Humanpsychologie in die Affenhäuser gegangen, und habe dort anhand dieser Checklisten systematische Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen betrieben, verbunden mit Beobachtungen, ob und in welchem Ausmaß die Tiere mit psychopharmakologischen Präparaten sediert worden sind, was insbesondere zu beobachten war naheliegenderweise in der kalten Jahreszeit, in der die Tiere allein der klimatischen Bedingungen wegen rund um die Uhr auf diese in aller Regel extrem beengten Innenkäfige und Innengehege beschränkt sind. Diese Beschränkung führt natürlich zu enormem Stress, zu sozialem Stress, weil die Tiere viel zu eng aufeinander hocken und keine Möglichkeit haben, die in vielen Affengesellschaften vorherrschenden Hierarchien auszubilden, verbunden mit dem Stress, den es für die Tiere bedeutet, zumindest an den Wochenenden und an Feiertagen konfrontiert zu sein mit Massen an Menschen, ohne dass die Tiere die Möglichkeit hätten, sich zurückzuziehen oder auszuweichen. Für einen Gorilla etwa ist es ja eine fast unerträgliche Zumutung, wenn ihm Menschen in die Augen sehen, deshalb sieht man in den Zoos oftmals Gorillamänner mit dem Rücken zum Publikum. Und das alles wird noch getoppt von der chronischen kognitiven Unterforderung, unter der die Tiere leiden, das heißt, die haben den ganzen Tag nichts zu tun. Vielfach haben sie keinerlei Beschäftigungs- oder Spielmaterial, außer eben so festeingebauten Totholzstämmen oder vielleicht ein paar aufgehängten Feuerwehrseilen, aber das wird auch nach kurzer Zeit natürlich stinklangweilig. Die hocken in ihren Käfigen und langweilen sich buchstäblich zu Tode. Und diese drei Faktoren, enge Raumverhältnisse, kognitive Unterforderung und Stress durch die Besucher, machen die Tiere in den Zoos krank. Die auffälligsten Verhaltensstörungen sind Bewegungsstereotypien, wenn die Tiere etwa ständig mit dem Kopf wackeln oder Kopf nicken oder mit dem Oberkörper hin- und herwippen oder auch innerhalb ihres Käfigs, ihres Geheges ganz eng umrissene Distanzen abgehen, drei Schritte hin und drei zurück, oder im Kreise gehen. Hinzu kommen Apathien, Lethargien, dass sie einfach nur im Eck sitzen, in sich versunken, und von der Welt um sie herum nichts mehr wahrnehmen. Wir haben Agitiertheiten, dass sie im Gegensatz dazu wie blöde und wie von Sinnen durch den Käfig düsen. Wir haben Hyperaggressivität, gelegentlich auch Hypersexualität. Es gibt kaum eine Störung aus der Humanpsychiatrie, die man nicht auch im Affenkäfig wiederfände."
Grundrechte für große Menschenaffen?
1993 gründeten die Philosophen Paola Cavalieri und Peter Singer mit der Unterstützung namhafter Primatenforscher wie Jane Goodall und Volker Sommer das Great Ape Project und forderten in einer Kampagne Grundrechte für die großen Menschenaffen. Seitdem wird darüber gestritten, ob große Menschenaffen auch im juristischen Sinn Personen werden sollten. Wie für einen Säugling, ein Kind oder einen verwirrten alten Menschen könnten Treuhänder dann auch für einen Schimpansen bestimmte Rechte einklagen. Ein mit Grundrechten ausgestatteter Schimpanse würde also nicht zur Wahl gehen, aber Tierschutzverbände könnten gegenüber Zoos oder Behörden darauf pochen, dass ihm ein artgerechtes Leben zusteht. Die Philosophen Singer und Cavalieri wollen die "Gemeinschaft der Menschen", von der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 die Rede ist, zu einer "Gemeinschaft der Gleichen" erweitern. Sie begründen ihre Forderung mit der Intelligenz der großen Menschenaffen und mit der Vielschichtigkeit und dem Reichtum ihres sozialen und emotionalen Lebens. Was bedeuten all das Wissen, das wir über die genetische Ähnlichkeit zwischen nichtmenschlichen und menschlichen Primaten gewonnen haben, und all die spektakulären Begegnungen zwischen Menschen und großen Menschenaffen für unseren Umgang mit Affen heute? Die Fähigkeiten, zu denken und sich selbst als Individuum zu begreifen, gehören zum Kern der verschiedenen philosophischen Definitionen des Begriffs Person. Können wir die Begegnung mit großen Menschenaffen in Zoos erzwingen oder zerstören Zwang und Gefangenschaft das, was uns am meisten an Menschenaffen fasziniert, die Begegnung mit einem Geschöpf, das sich selbst und uns als Individuum wahrnimmt? Die Primatenforscherin und Juniorprofessorin für Evolutionäre Psychologie Katja Liebal begrüßt die Diskussion um Grundrechte für große Menschenaffen, findet es aber problematisch, wenn die Würde von Tieren am Grad ihrer Ähnlichkeit mit Menschen gemessen wird.
Katja Liebal: Die Fronten sind zum Teil sehr verhärtet, aber solche Vorträge, solche Ansätze und vor allem solche Kontroversen sind extrem wichtig - dann kommt man zumindest ins Gespräch. Und dann ist man auch wieder bei der Frage, wo zieht man dann die Grenze. Ist es dann okay, einen Pavian zum Beispiel in biomedizinischen Studien zu benutzen, weil er uns eben nicht so ähnlich ist, und worauf beziehe ich denn diese Ähnlichkeit? Ist das das emotionale Leben, das Sozialleben, die körperliche Ähnlichkeit, und gerade wenn wir uns anschauen, was Ratten für spektakuläre kognitive Eigenschaften haben, auch wenn sie uns nicht ähnlich sind und ein anderes Sozialsystem haben, rechtfertigt das dann, die für zum Teil furchtbare Experimente zu benutzen und Affen dann eben nicht? Also das ist für mich das größte Problem, und viele argumentieren dann halt, okay, lasst uns mit einer Art anfangen, und Menschenaffen sind halt in der Hinsicht wirklich dankbar, weil man sehr viel über diese Ähnlichkeit argumentieren kann. Aber ich finde das in der Beziehung ein bisschen gefährlich. Man vergisst vielleicht die anderen Arten und beschäftigt sich zu sehr mit diesem Ähnlichkeitsprinzip.
Der Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper war sieben Jahre alt, als 1949 das Grundgesetz ratifiziert wurde. Weil Verfassungsideale die Wirklichkeit prägen können und umgekehrt, hat er erstritten, dass Tierschutz in Deutschland 2002 zum Verfassungsziel wurde. Grundrechte für Menschenaffen, so glaubt von Loeper, wären Ausdruck eines gewandelten Bewusstseins und könnten zu weiterem Wandel beitragen und unseren Umgang mit Tieren verändern.
Eisenhart von Loeper: Es ist klar, dass damit die Dimension, dass Tiere auch Rechte haben, beispielhaft wirklich weitergebracht werden kann. Es soll eine Tür geöffnet werden, die den Blick freimacht dafür, dass die Tiere als Mitgeschöpfe und als Mitlebewesen, als fühlende Wesen, eben wirklich ein Anrecht darauf haben, von uns Freiräume zu bekommen und dass sie sich ihrer Art und ihrem Schöpfungsgedanken entsprechend verhalten können.
Weitere Links:
Wer wissen möchte, was die Rufe nichtmenschlicher Primaten bedeuten, kann sie unter den folgenden links anhören. Dort finden Sie auch kleine Lexika der Schimpansen-, Orang-Utan- und Gibbonkommunikation.
Mehr über Orang-Utans und Möglichkeiten, sich für ihr Überleben zu engagieren, erfahren Sie auf der Homepage des Vereins Orang-Utans in Not.
Gibbons, die großen Sänger unter den nichtmenschlichen Primaten, sind noch stärker bedroht als die großen Menschenaffen. Von einer Art, den Hainan-Gibbons, leben nur noch 23 Individuen. Die Homepage www.gibbons.de informiert ausführlich über die Erforschung der kleinen Menschenaffen. Unter www.gibbonconservation.org finden Sie Möglichkeiten, sich für den Schutz der Gibbons einzusetzen.
Mehr vergleichende Versuche zu kognitiven Fähigkeiten von großen Menschenaffen, Menschenkindern und Hunden sind unter http://www.eva.mpg.de/psycho/ zu entdecken.
Greenpeace kämpft von großen Menschenaffen und Tigern durch Palmölkonzerne
Den Fortgang der Debatte um Grundrechte für große Menschenaffen dokumentiert die Homepage: http://www.greatapeproject.de/
Nationalparks, in denen große Menschenaffen überleben, können Sie auch als Urlauber besuchen:
Ausgewählte Bücher unserer Interviewpartner:
Julia Fischer
Affengesellschaft
Suhrkamp 2012
Kämpfende Berberaffen, schreiende Bärenpaviane, kuschelnde Guineapaviane: Das sind nur einige der Protagonisten dieses spannenden Buches. Die Primatenforscherin Julia Fischer geht in ihm den Fragen nach, welche Informationen Affen mittels ihrer Laute, Gesten und Grimassen austauschen und ob sie so etwas wie eine Sprache besitzen. Durch die Verbindung von Labor- und Feldforschung gelingt es ihr, erstaunliche Gemeinsamkeiten im Sozialverhalten von Mensch und Affe aufzuzeigen, aber auch die Unterschiede, die uns von unseren nächsten Verwandten trennen, darzustellen.
Ob im Senegal, in Botswana oder in einem Freilandgehege in Frankreich: Fischer beschreibt Sozialverhalten, Intelligenz und Kommunikation der Affen auf ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame Art und Weise. Angereichert um viele Episoden aus dem Forschungsalltag, in dem nicht nur Gefahr durch Leoparden droht oder bürokratische Hürden zu bewältigen sind, ist dies ein Buch, das auf der Höhe des Forschungsstandes sein Thema allgemeinverständlich beschreibt: die Affengesellschaft.
Birute Galdikas
Meine Orang-Utans
Zwanzig Jahre unter den scheuen "Waldmenschen" im Dschungel Borneos
Bastei-Lübbe 1998
Mehr auf Wikipedia und in ihrem offiziellen Blog
Colin Goldner
Lebenslänglich hinter Gittern
Die Wahrheit über Gorilla, Orang Utan & Co in deutschen Zoos
Alibri 2014
In 38 deutschen Zoos werden Große Menschenaffen zur Schau gestellt. Dort, so wird behauptet, könnten wir Menschen unsere nächsten Verwandten Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang Utans beobachten und verstehen lernen. Doch die Realität sieht anders aus.
Katja Liebal
Primate Communication.
A multimodal approach
Cambridge University Press 2013

Volker Sommer
Schimpansenland
Wildes Leben in Afrika
C.H.Beck 2008
Expeditionen ins Reich der Affen
Volker Sommers Buch ist nicht nur eine wortgewaltige grüne Kampfschrift für den Naturschutz, sondern ebenso ein eindrucksvolles Zeugnis des faszinierenden Abenteuers Wissenschaft in einer der letzten Wildnisse auf unserem Planeten.
Dass in Afrika noch Abenteuer zu erleben sind, davon erzählt einer der führenden Primatenforscher unserer Zeit. Engagiert und informativ berichtet Volker Sommer von seinem Kampf für den Erhalt der seltensten Schimpansen. Die erst kürzlich entdeckte vierte Unterart hat nur im entlegenen Gashaka-Wald von Nigeria eine Chance auf Fortbestand - umlagert von Wilderern und Waldvernichtern. Sommer erforscht unsere allernächsten Verwandten als Evolutionsbiologe. Ökologie, Sozialverhalten, Werkzeuggebrauch und Naturmedizin der Schimpansen entpuppen sich dabei als feine Anpassung an einen schwierigen Lebensraum. Nur dank einer über Urzeiten gewachsenen Kultur können die Menschenaffen in diesem Dschungel am Rande der Savanne überleben. Werden sie ausgerottet, verliert unser Planet nicht nur Biodiversität, sondern auch kulturelle Vielfalt.
Volker Sommer,
Darwinisch denken
Horizonte in der Evolutionsbiologie
Hirzel 2007
Ausgehend von seiner eigenen Forschung an wilden Affen berichtet Volker Sommer über Themen, die auch uns Menschen betreffen: über Traditionspflege, Artgenossentötung und Kinderaufzucht ebenso wie über Eigennutz, Partnertreue, die Frage nach dem Sinn von Leiden und das unglückliche Konzept der "Rassen".
In gewohnt provokantem Stil präsentiert er sich dabei als radikaler Evolutionist, der sich selbst und seine Mitmenschen als "Affenmenschen" begreift. Das freilich ist für Sommer ein Kompliment. Und eröffnet uns zugleich die Chance, andere Lebewesen mehr schätzen zu lernen, nämlich als natürliche Verwandte.
Michael Tomasello
Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation
Suhrkamp 2004
Menschen sprechen im Gegensatz zu allen anderen bekannten Lebewesen auf diesem Planeten. Generationen von Wissenschaftlern haben sich an diesem bemerkenswerten Faktum abgearbeitet, Spekulationen über die Herkunft der menschlichen Sprache gibt es viele, aber bis heute keine überzeugende Erklärung. Mit Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation gelingt Michael Tomasello ein entscheidender Schritt zur Lösung dieses Rätsels.
Gestützt auf reiches empirisches Material aus der Primaten- und Säuglingsforschung und die einflußreichen Theorien der Sprachphilosophie sowie anhand einer Vielzahl von schlagenden Beispielen aus der menschlichen Alltagskommunikation präsentiert er ein raffiniertes mehrstufiges Modell der Sprachentwicklung in individualgeschichtlicher wie auch artgeschichtlicher Perspektive. Zentrale Gelenkstelle in diesem Modell sind Gesten, Zeigen und Pantomime, die sich im Zuge der Herausbildung sozialer Kooperation unter Primaten evolutionär entwickelt haben. In diesen Gesten erkennt Tomasello die Urformen der menschlichen Sprache. Um von diesen gestischen Vorformen zu einer komplexen sprachlichen Kommunikation zu gelangen, die dann kulturell kodiert, tradiert und verfeinert werden kann, bedarf es allerdings noch einer weiteren biologisch verankerten, aber exklusiv menschlichen Voraussetzung: einer "psychologischen Infrastruktur geteilter Intentionalität". Diese sorgt dafür, dass Menschen ihre Wahrnehmungen und Absichten untereinander abstimmen und zum Bezugspunkt ihres gemeinsamen Handelns machen können. Der Mensch spricht, so könnte man sagen, weil er ein genuin soziales Wesen ist.