Forscher: Permafrost hat großen Einfluss auf Treibhauseffekt

Hugues Lantuit im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.11.2012
Das Auftauen der Permafrostböden setzt die Treibhausgase Kohlenstoff und Methan frei. In sehr großen Mengen, wie der Permafrostforscher und Geomorphologe Hugues Lantuit vom Alfred-Wegener-Institut für Meeres- und Polarforschung beschreibt.
Liane von Billerbeck: Das Weltklima wird von vielen Faktoren beeinflusst. Die CO2-Belastung der Atmosphäre ist eine davon, eine menschengemachte mit dramatischen Folgen. Ebenso gefährlich ist das Tauen der sogenannten Permafrostböden und dessen Folgen für das Klima. Ein Bericht, der die Erkenntnisse der Forschung darüber zusammenfasst, ist jetzt erschienen, vor der Klimakonferenz in Doha. Und einer der Autoren ist der Permafrostforscher und Geomorphologe Hugues Lantuit vom Alfred-Wegener-Institut für Meeres- und Polarforschung. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen.

- Monsieur Lantuit, was genau geschieht, wenn jahrelang die tiefgefrorene Erde, die Permafrostböden tauen? Beschreiben Sie uns das doch mal.

Hugues Lantuit: Also der Permafrost, Sie haben das angesprochen, das ist einfach gefrorener Boden, das ist wie ein Boden, den ich hinter einem Garten hier in Berlin hätte, der frieren würde. Der Unterschied ist, dass die Temperaturen einfach in der Arktis sehr kalt sind und dann diese Böden bis Tiefen von 1500 Metern manchmal gefroren sind. Was passiert, ist jetzt, dass im oberen Teil dieser Permafrost auftaut. Und wenn es auftaut, dann wird Kohlenstoff, der dort gespeichert war, umgewandelt in CO2 oder in CH4, das heißt, Kohlendioxid oder Methan, die beiden Treibhausgase. Und die weiter zu diesem Treibhauseffekt beitragen.

von Billerbeck: Was heißt, die Oberfläche taut? Wie tief taut das dann?

Lantuit: Es taut sowieso jedes Jahr im Sommer auf, um die 40, 50 Zentimeter, das ist unterschiedlich. Nun ist das mit wärmeren Temperaturen in der Arktis, es kann bis zu einem Meter, zwei Metern, drei Metern auftauen. Und was passiert dann? Es friert nicht alles wieder im Winter. Und dann redet man vom auftauenden Permafrost, weil es nicht mehr ganz gefroren ist. Und das bedeutet, dass diese bakterielle Aktivität, diese Mikroben, das ganze Jahr aktiv sind und diesen Kohlenstoff in CO2 und CH4 umwandeln.

von Billerbeck: Sind das drastische Folgen für das Weltklima?

Lantuit: Es gibt drastische Folgen, sofortige Folgen auf die Infrastruktur, und das kann man schon in der Arktis sehen, auf Häuser, auf Gebäude, auf Häfen. Aber es gibt auch, Sie haben das angesprochen, Folgen für das Klima. Und diese Folgen wird man progressiv sehen, die sind einfach ein zusätzlicher Beitrag zu dem schon relativ großen Treibhauseffekt.

von Billerbeck: Wenn die Folgen so drastisch sind, wenn also der Treibhauseffekt noch zunimmt, weshalb gibt es so wenig Aufmerksamkeit für das Tauen der Permafrostböden?

Lantuit: Na ja, das ist einfach weit von uns. Wir wissen, glaube ich, nicht mal, dass es Permafrost in Deutschland gibt. Es gibt einen halben Quadratkilometer Permafrost unter der Zugspitze. Allerdings: Permafrost ist unter 24 Prozent des Landteils der nördlichen Hemisphäre, das ist riesig! Ein riesiger Teil. Und es gibt kaum eigentlich Menschen, die sich über Permafrost wundern. Ich glaube, das ist der Grund, warum man das nicht bemerkt hat. Aber das ist schon eine relativ neue Wissenschaft.

von Billerbeck: Es müssen sich also einfach mehr Leute damit beschäftigen?

Lantuit: Ja gut, es gibt viele Leute, die sich damit beschäftigt haben, aber sie haben sich hauptsächlich mit der Infrastruktur beschäftigt oder mit der Bewegung der Erdoberfläche, um zu gucken, ob es Gefährdung für Infrastruktur, für Gebäude dort gab. Jetzt ist es neu, dass man bemerkt hat oder verstanden hat, dass es Riesenmengen an Kohlenstoff in den Permafrostböden gibt. Verstehen Sie, es gibt doppelt so viel Kohlenstoff in Permafrostböden als in der Atmosphäre. Das ist eine riesige Zahl. Und das hat man – jetzt versucht man, diese Zahlen oder diese Mengen einzubeziehen in diese Modelle, um zu verstehen, was für Folgen es hat.

von Billerbeck: Wie ist das eigentlich untersucht worden, dass man da festgestellt hat, das taut so und so viele Zentimeter oder sogar Meter, und mehr als vorher?

Lantuit: Also, wir haben eine hochtechnologische Methode, um das zu messen. Wir nehmen eine Metallstange und stecken die Metallstange in den Boden bis zum gefrorenen Boden. Also das ist eigentlich eine sehr einfache Methode, die überall funktioniert. Man macht das ...

von Billerbeck: Sie müssen nur dahin kommen, wo es so gefroren ist?

Lantuit: Ja, eigentlich schon. Sie haben recht. Das ist die Herausforderung eigentlich, dahin zu kommen. Und die Herausforderung ist vor allem logistisch. Es kostet relativ viel Geld, das zu machen. Und man muss das konsequent machen, das heißt, international konsequent machen und das betreiben. Das ist die größte Herausforderung für die wissenschaftliche Gemeinde allgemein.

von Billerbeck: Wo sind Sie denn hingegangen oder wo sind Ihre Kollegen hingegangen, um zu erforschen, wie es den Permafrostböden geht, wie weit die getaut sind?

Lantuit: Das Alfred-Wegener-Institut hat eine Station, zusammen mit der – das ist eine einmalige Gelegenheit, das zu studieren, weil es gibt eine deutsch-russische Station, wo Herr Putin eigentlich war vorletztes Jahr. Im Lena-Delta in Sibirien. In dieser Station betreiben wir schon Forschung seit fast 20 Jahren und haben wir Langzeitreihen, wo wir eigentlich dann beobachten können diese Evolution des Permafrosts, der Auftauschichttiefe oder der Permafrosttemperaturen.

von Billerbeck: Nun ist es ja gut, wenn man weiß, der Permafrostboden taut, dann könnte man ja etwas dagegen unternehmen. Was wäre das?

Lantuit: Es gibt zwei Antworten, glaube ich, zu dieser Frage: Es gibt erst einmal eine Ingenieursantwort, das heißt, wie baut man dann auf diesen tauenden Böden. Und da haben Ingenieure eigentlich zum Glück seit Hunderten Jahren Antworten dafür. Das heißt, sie bauen einfach für Böden ohne und mit Permafrost. Die große Frage ist dann, wo und wann werden die Böden auftauen, dass man dann vernünftig aufbaut. Das ist die größte Herausforderung.

von Billerbeck: Aber das ist ja nur die Frage, wenn man sich quasi damit zufrieden gibt, dass das nicht mehr unumkehrbar ist.

Lantuit: Genau. Und dann das Impakt des Klimas auf den Permafrost – dann ist es einfach, glaube ich, die Politik muss sich damit beschäftigen, weil das sind eigentlich diese Ziele, die während dieser Konferenz besprochen werden. Das heißt, dieses Zwei-Grad-Ziel ist sozusagen ein wichtiges Ziel, um auch dieses Auftauen des Permafrosts zu vermeiden. Also, das ist einfach, was wir heutzutage überall machen in unseren Häusern, das heißt, das Fernsehen abschalten, einfach Recycling zu machen, das sind alle diese kleinen Dinge, die wir zusammen machen, um das zu vermeiden.

von Billerbeck: Nun ist ja von einer Erderwärmung von zwei Grad die Rede. Ich habe vor gar nicht allzu langer Zeit eine Studie der Bundeswehr gelesen, die unter anderem von Erwärmungen von bis zu vier und neun Grad ausgeht. Welche Folgen hätte es denn, wenn der Permafrostboden noch weiter auftaut?

Lantuit: Man muss schon sagen, dass auch, wenn die Erwärmung nur zwei Grad wird, es wird wesentlich stärker in der arktischen Region. Die arktischen Regionen werden viel mehr gefährdet. Man erwartet fast bis plus zwölf Grad in diesen Regionen. Das heißt, das Impakt wird sowieso dort stattfinden. Das heißt, diese Frage ist aktuell eigentlich für die arktische Region. Dort beschäftigen sich eigentlich die lokalen Einrichtungen, aber auch die lokale Bevölkerung, damit. Und es gibt schon Strategien für Adaptation, die dort entwickelt werden.

von Billerbeck: Bloß werden Sie als Wissenschaftler nicht verrückt dann, wenn Sie mitkriegen, wie langsam die Politik funktioniert? Denn wenn man jetzt Doha erlebt, da hat der Umweltminister schon von vornherein alle Erwartungen gedämpft – wenn denn noch irgendjemand welche gehabt haben sollte.

Lantuit: Ich glaube, unsere Mission als Wissenschaftler ist, das wahrzunehmen und das zu verstehen. Es wäre, glaube ich, ein Fehler, bitter zu werden. Aber konstruktiv eigentlich daran zu arbeiten, die Politik zu informieren, das ist unsere Mission. Ich glaube, das wäre ein Fehler eigentlich, sich in seinem Büro zu verbarrikadieren und bitter über die Lage zu sein. Was wir machen mit diesem Bericht, ist eigentlich, dieses Permafrostproblem in die Öffentlichkeit zu bringen, damit die Politik sich damit beschäftigt und vielleicht Antworten dazu liefert.

von Billerbeck: Das sagt Hugues Lantuit, Permafrostforscher und Geomorphologe vom Alfred-Wegener-Institut für Meeres- und Polarforschung in Potsdam und einer der Autoren des heute vorgestellten Berichts über die Forschung, den Zustand des Permafrostbodens betreffend. Danke Ihnen!

Lantuit: Danke!

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