Folter in der Ostukraine

Ein Regime der Willkür mit Moskaus Hilfe

Ein Panzer der prorussischen Separatisten in der Region um Donezk
Ein Panzer der prorussischen Separatisten in der Region um Donezk © dpa / picture-alliance / Mikhail Sokolov / TASS
Von Sabine Adler · 18.05.2016
Im Osten der Ukraine werden Menschen verschleppt und gefoltert. Möglich sei das, weil die prorussischen Separatisten bislang keinerlei Strafen zu fürchten hätten, kommentiert Sabine Adler: Weil in den besetzten Gebieten reine Willkür herrsche, sei nun Russland gefragt.
Dass Zivilisten wie Militärangehörige in der Ostukraine verschleppt und gefoltert werden, war bekannt; im Minsker Friedensprozess wurde nicht ohne Grund immer wieder der Austausch von Gefangenen vereinbart. Wenn sich die Konfliktparteien dann erbarmten, kamen maximal ein paar Dutzend Soldaten frei.
Die übergroße Zahl der Gefangenen schmorte weiter in den Foltergefängnissen. In 28 Städten und Dörfern gibt es fast 80 dieser illegalen Haftanstalten. Meist sind es Keller in Verwaltungsgebäuden, Universitäten, Schulen, sogar in Krankenhäusern und Restaurants - alle befinden sich in den beiden sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk, wo der weit überwiegende Teil der Kriegsverbrechen geschieht. Von über 4.000 Personen wissen russische und ukrainische Menschenrechtsorganisationen nach Befragungen von Zeugen und Opfern.
Dass die Verbrechen in einem derartigen Ausmaß stattfinden konnten, liegt zu allererst daran, dass die Täter im Herrschaftsgebiet der prorussischen Separatisten bislang keinerlei Strafen zu fürchten hatten, der Ministerpräsident der sogenannten Donezker Volksrepublik Alexander Sachartschenko sogar mit eigenem Beispiel voranging. Er hat einem der registrierten Opfer mit einem Hammer den rechten Zeigefinger zertrümmert.
Alexander Sachartschenko
Alexander Sachartschenko, Ministerpräsident der "Donezker Volksrepublik", schlug selber zu.© picture alliance / dpa / Sharifulin Valery
Großes Risiko für Journalisten
Kriegsverbrechen in diesem großen Maßstab sind auch deshalb möglich, weil die Separatisten unliebsamen Beobachtern wie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa fast vollständig den Zutritt verwehren. Auch Journalisten kommen kaum in das besetzte Gebiet, wenn sie nicht für die Medien der sogenannten Volksrepubliken oder für Russland berichten. Das Risiko für alle anderen Korrespondenten ist riesig, denn Kollegen, vor allem von Medien aus den nichtbesetzten Gebieten der Ukraine, wurden bereits gekidnappt.
Die Separatisten haben mit Moskaus Hilfe ein Terrorregime errichtet. Von 58 russischen Militär- bzw. Geheimdienstangehörigen wissen die Juristen der Menschenrechtsorganisationen, dass sie bei Festnahmen bzw. Folter beteiligt waren.
Reden mit Moskau, erst dann Wahlen
Viele Gefangene werden zudem zur Zwangsarbeit verpflichtet, müssen unter anderem LKW mit angeblich humanitärer Hilfe entladen, die sich als Waffentransporte herausstellen. Auch das ist in den Zeugenaussagen protokolliert, die für Gerichte wie das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angefertigt wurden.
Die massenhaften Festnahmen, die meist ohne Begründung, immer unter Androhung von Waffengewalt und erst recht ohne Rechtsbeistand geschehen, zeugen von reiner Willkür in den besetzten Gebieten. In einem derartigen Klima der Angst Wahlen abhalten zu wollen, sollte niemand mehr ernsthaft fordern. Die Reihenfolge kann nur umgekehrt sein: Reden mit Moskau, die Willkür im Donbass beenden, Androhung von Strafverfolgung anstelle einer Amnestie, die Russland immer wieder möchte, Herstellung von Kontrolle, Recht und Sicherheit. Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt würden die Terrorherrschaft im Donbass nur legitimieren.
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