"Fluss der Waffen nicht zu kontrollieren"

Jan Grebe im Gespräch mit Marietta Schwarz · 28.05.2013
Nach dem Ende des EU-Waffenembargos gegen Syrien könnten die Rebellen in dem Land bald mit Waffen unterstützt werden. Der Rüstungsexperte Jan Grebe warnt davor, dass Klein- und Leichtwaffen dann unkontrolliert in der ganzen Welt zirkulieren könnten.
Marietta Schwarz: Die EU-Außenminister haben das Waffenembargo gegen das syrische Regime gekippt. Großbritannien und Frankreich konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, Waffenlieferungen für die syrischen Rebellen zu ermöglichen. Die Mehrheit der EU-Staaten aber war dagegen. Immerhin werden Sanktionen gegen Syrien fortgesetzt. Was spricht für eine Unterstützung der syrischen Rebellen mit Waffen, was dagegen? Fragen dazu an den Rüstungsexperten Jan Grebe vom BICC, dem Internationalen Konversionszentrum in Bonn. Guten Morgen, Herr Grebe!

Jan Grebe: Guten Morgen!

Schwarz: Ja, was sagen Sie, Herr Grebe, zu der Entscheidung aus Brüssel aus der vergangenen Nacht?

Grebe: Es ist natürlich jetzt erst mal zu schauen, wie sich das genau entwickelt. Dass Frankreich und Großbritannien ein Interesse daran haben, das Waffenembargo zu kippen, das war bekannt. Gleichzeitig gab es aber einige Staaten, die doch erhebliche Bedenken anmeldeten, allen voran Österreich, die ihre Sicherheit der Blauhelmsoldaten, die auf den Golanhöhen stationiert sind, gefährdet sehen. Von daher muss man schon jetzt sehr genau sehen, was als Reaktion auf die Aufhebung des Embargos folgt. Ich glaube, man muss auch zunächst erst mal abwarten, was die für Juni geplante Syrien-Friedenskonferenz in Genf bringt und was für ein Signal von dieser Konferenz ausgeht und ob dann Frankreich und Großbritannien voran beginnen, die Rebellen mit Waffen auszustatten.

Schwarz: Diese Aufhebung des Embargos ist und war ja sehr umstritten. Viele Fragen tun sich auf, eine zum Beispiel: Was, wenn die Falschen diese Waffen in die Hände bekommen? Wie kann man das ausschließen?

Grebe: Es ist natürlich erst mal ein nachvollziehbarer Gedanke vor allem Großbritanniens und Frankreichs, dass man die Rebellen mit Waffen ausstatten will, weil man damit umgeht, dass man unter Umständen eigene Soldaten schicken muss. Also, die Rebellen sollen gestärkt werden, damit sie militärisch eine Chance haben. Die Gefahr ist aber – und das ist immer das Problem bei Waffenlieferungen gerade in solche Konfliktgebiete –, man kann den Fluss der Waffen am Ende fast nicht mehr kontrollieren. Man weiß nicht, in wessen Hände die Waffen fallen, man weiß nicht, wann sie unter Umständen weiterverkauft werden. Das heißt, sind die Waffen einmal geliefert, sind sie fast nicht mehr zu kontrollieren und zirkulieren unter Umständen nicht nur im Konflikt in Syrien, sondern irgendwann auf der gesamten Welt.

Schwarz: Die Lieferungen sind an bestimmte Bedingungen oder wären an Bedingungen geknüpft, heißt es aus Brüssel. Reicht das?

Grebe: Die Frage ist, wie werden diese Bedingungen überprüft? Syrien ist ein völlig undurchsichtiges Land, ein Bürgerkrieg. Man hat wenig Informationen aus dem Land. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl von Rebellengruppen. Man hat nicht einen festen Ansprechpartner innerhalb der Rebellen. Von daher ist es immer die Frage, wie kann man solche Absprachen überprüfen oder Bedingungen überprüfen? Ich halte das für extrem schwierig und von daher ist das meines Erachtens auch schwer durchsetzbar.

"Tragbare Waffen können relativ leicht weitergeschmuggelt werden"
Schwarz: Von welchen Waffen reden wir da eigentlich?

Grebe: Ich gehe davon aus, dass es sich hier vor allem um Klein- und Leichtwaffen handelt, Munition, eventuell Sprengkörperraketen, vielleicht auch Luftabwehrraketen. Großwaffensysteme, gehe ich nicht davon aus, dass die geliefert werden, weil auch dort nicht das Know-how ist, diese zu betreiben oder zu fahren. Das heißt, wir reden hier vor allem über Klein- und Leichtwaffen, tragbare Waffen, die unter Umständen auch auf sogenannte Pick-ups montiert werden können und dadurch sehr mobil sind. Und eben diese Waffen sind natürlich dann auch schwer zu kontrollieren, weil sie eben klein sind. Und das heißt, sie können relativ leicht versteckt und dann weitergeschmuggelt werden.

Schwarz: Der Export an diesen Kleinwaffen ist in Deutschland im vergangenen Jahr drastisch angestiegen. In der EU waren es jetzt wie gesagt Frankreich und Großbritannien, die für diese Waffen oder für ein Ende dieses Embargos waren. Auch aus wirtschaftlichen Interessen? Ich meine, das sind keine Milliardenbeträge, von denen wir reden.

Grebe: Nein, also, ich glaube, im Falle von Syrien geht es nicht primär um Wirtschaftsinteressen Frankreichs und Großbritanniens. Gleichzeitig muss man aber sehen, dass die deutsche und auch die europäische Rüstungsindustrie enorm unter Druck geraten sind im Zuge der Sparmaßnamen, die man in Europa derzeit sieht, wo die Verteidigungshaushalte vieler Staaten gekürzt werden. Und dann suchen die Rüstungsunternehmen neue Absatzmärkte und die liegen außerhalb der Europäischen Union oder Nordamerika, vor allem im Nahen, Mittleren Osten, aber auch in Asien. Und dort versuchen die Rüstungsunternehmen, ihre Waffen zu verkaufen. Dass jetzt ein so starker Anstieg von Klein- und Leichtwaffen zu beobachten ist, ist verwunderlich, vor allem vor dem Hintergrund, weil die Bundesregierung immer gesagt hat, dass sie den Export von diesen Waffen, von Klein- und Leichtwaffen, besonders restriktiv handhabt. Gleichzeitig muss man aber erst mal sehen, wer denn die Empfänger dieser Waffen sind, damit man auch genau diese Exporte bewerten kann.

Schwarz: Wer sind die Empfänger?

Grebe: Man hat aus den Informationen, die die Bundesregierung jetzt preisgegeben hat, lediglich herauslesen können, dass die Empfänger im Nahen und Mittleren Osten und auch in Nordafrika ungefähr das gleiche Volumen bekommen haben, was sie auch im Jahr 2011 bekommen haben. Darüber hinaus liegen uns noch keine Informationen vor. Das zeigt wieder ein Transparenzdefizit von Seiten der Bundesregierung, die eine unabhängige und von außen eine Bewertung erschweren.

Schwarz: Der Rüstungsexperte Jan Grebe vom Internationalen Konversionszentrum Bonn. Herr Grebe, danke Ihnen für das Gespräch!

Grebe: Vielen Dank!

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