Flüchtlingshilfe

Menschlichkeit hat ihren Preis

Alltag im Flüchtlingsheim Essen im Herbst 2014
Alltag in einem Flüchtlingsheim Essen im Herbst 2014 © picture-alliance / dpa / Roland Weihrauch
Von Gudula Geuther, Hauptstadtstudio · 04.10.2014
Flüchtlingshilfe braucht eine verlässliche Finanzierung. Doch für die Kreise und Kommunen sei es derzeit völlig unklar, mit welcher Unterstützung durch den Bund sie rechnen können, kommentiert Gudula Geuther. Diese strukturellen Probleme müssten schnell behoben werden.
Es ist müßig zu spekulieren, ob es sich bei den Übergriffen gegen Flüchtlinge um Einzelfälle handelt. Wir wissen es nicht. Wir wissen, dass es mindestens drei Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen gibt, in denen jetzt ermittelt wird. Und allein die bekannt gewordenen Bilder genügen um zu wissen, dass Menschen erniedrigt und misshandelt wurden.
In jedem Fall sind die Vorfälle ein Weckruf, und auch wenn das zynisch klingen mag: Der kommt gerade zur rechten Zeit. Denn im Umgang mit Flüchtlingen - auch in dem engen Bereich: Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland - liegt vieles im Argen. Viel mehr, als dass sich Kriminelle verabredet hätten, was man manchmal nicht verhindern könne, wie es tatsächlich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger mit Bezug auf die Wachleute ausgedrückt hat. Es gibt viel mehr strukturelle Fehlentwicklungen. Es muss jetzt gegengesteuert werden. Denn gerade werden neue Weichen gestellt.
Das ist zwangsläufig so. Denn auf den neuen Zustrom von Flüchtlingen waren die Länder, waren die Gemeinden nicht vorbereitet. Und die Zahl der Neuankömmlinge wird weiter steigen. Auch hier lässt sich wieder trefflich streiten, ob die Verantwortlichen es besser hätten wissen müssen, ob sie Warnungen schlicht nicht ernst genommen haben.
Schnelle Lösungen sind gut, langfristige besser
Vieles spricht dafür, Fachleute sagen das, aber es ist nun, wie es ist. Und offenbar bemühen sich die Verantwortlichen auf allen Ebenen um schnelle Lösungen. Nur – wenn Länder nun in aller Eile Großeinrichtungen aus dem Boden stampfen, wenn der Bund jetzt leer stehende Kasernen zur Verfügung stellt, dann lindert das die erste Not, dann ist das besser als die Einquartierung in Turnhallen oder gar Zelten. Langfristig aber sind solche Strukturen nicht die Lösung – zumindest nicht, wenn der Staat damit die Verantwortung abgibt.
Was die letzten Tage noch einmal deutlich gemacht haben, das ist die Größe der Aufgabe. Die kann nicht einfach delegiert werden, sie braucht Engagement. Und leider braucht sie auch viel Geld. Die Arbeit mit Flüchtlingen ist anstrengend und anspruchsvoll. Menschen, die viel durchgemacht haben, leben auf engem Raum beieinander.
Je größer die Einrichtung, je weniger Rückzugsraum, desto mehr steigt das Konfliktpotential. Das ist ohnehin groß, wenn verschiedene Kulturen und Religionen aufeinander treffen. Mitarbeiter, die mit all dem umgehen und zurechtkommen müssen, brauchen eine gute Ausbildung, sie brauchen eine gute Motivation und sie brauchen genügend Kollegen. All das können auch Private leisten. Nur muss all das auch die Anforderung für die Vergabe sein.
Nötig sind einheitliche Standards für die Kostenerstattung
Der Ruf nach besserer Finanzierung ist also nicht einfach Gutmenschentum, es ist die Voraussetzung dafür, dass die Unterbringung funktioniert. Eine Unterbringung im Übrigen, die in großen Einrichtungen teurer ist als in Wohnungen für Familien oder Wohngemeinschaften. Zumindest dann, wenn die nötigen Standards gewahrt sind. Auch deshalb sollten Kasernen keine Einrichtungen auf Dauer sein.
Die eigentliche strukturelle Frage aber ist die nach der Finanzierung. Die müssen derzeit zuerst die notorisch klammen Kommunen leisten, die Kreise und Städte. Was sie erstattet bekommen, ist völlig unterschiedlich. Gerade daran aber entscheidet sich, was sie leisten wollen und können. Wer pauschal abrechnet, kann sparen. Auch das kann problematisch sein. Wer nur Teile des Geldes wiederkriegt, muss sparen. Die Folgen haben wir gerade anschaulich vor Augen geführt bekommen.
Nötig sind also einheitliche hohe Standards und eine einheitliche hohe Kostenerstattung nach Abrechnung für die Kommunen. In den vergangenen Tagen sind noch viel mehr Forderungen laut geworden und – zu Recht – viel Kritik. Das Bild, das dadurch entsteht, ist schief. Denn insgesamt wäre es vor Ort nicht möglich, die großen Flüchtlingszahlen zu bewältigen, wenn nicht viele Menschen mit viel Engagement daran arbeiten würden. Häufig im Ehrenamt, es gibt sogar Gemeinden, wo ausschließlich Freiwillige Deutschunterricht geben.
Aber auch die Zuständigen in den Kommunen haben in den vergangenen Monaten viel geleistet. Im Angesicht der Bilder aus Syrien und dem Irak gibt es trotz der hohen Zahlen eine Aufnahmebereitschaft, wie sie noch Jahre zuvor kaum denkbar gewesen wäre. So günstige Stimmungslagen gibt es gerade in Flüchtlingsfragen selten. Es gibt keine Ausrede für die Politik, die jetzige nicht zu nutzen.
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