Flüchtlinge im Hangar Tempelhof

Ein Jahr ohne Schrank, Tisch und Privatsphäre

Ibrahim Al Hussein in seiner drei mal vier Meter große Kabine im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin.
Ibrahim Al Hussein in seiner drei mal vier Meter große Kabine im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin. © Deutschlandradio / Claudia van Laak
Von Claudia van Laak · 27.10.2016
In Berlin leben noch viele Asylbewerber in Notunterkünften - unter anderem am ehemaligen Flughafen Tempelhof, in einem Hangar. Vor genau einem Jahr wurde das Heim eröffnet.
Sicherheitskontrolle am ehemaligen Airport Tempelhof. Vor acht Jahren hob das letzte Flugzeug ab, statt der Fluggäste werden jetzt 1300 Flüchtlinge und die Mitarbeiter der Notunterkunft kontrolliert.
In den großen Flugzeughangars ist es immer laut. Kinder jagen durch die Halle, in einer Ecke sitzen Sozialarbeiter, beraten bei Behördengängen. In den provisorischen Kabinen - sie haben keine Türen, sind nach oben offen - stehen Doppelstockbetten.
"Du kannst nicht schlafen in der Nacht. So laut. Ich mag nicht. Ich kann nicht schlafen."
Mohamad Tambi und Ibrahim Al Hussein zeigen ihre drei mal vier Meter große Kabine. Nur noch vier, nicht mehr 12 Personen wie im letzten Winter teilen sich eine solche Kabine – ein kleiner Fortschritt. Die Doppelstockbetten sind mit einem Laken verhängt – dahinter: ein kleines bisschen Privatsphäre. Kein Schrank, kein Tisch, kein Stuhl.
"Es sind zu viele Personen in einem solchen Raum. Manchmal können wir uns nicht verständigen, wir kommen aus unterschiedlichen Ländern, das ist das Problem."
... seufzt Ibrahim Al Hussein aus Aleppo. Seit fast einem Jahr haust der 18-Jährige hier. Die Zukunft: ungewiss.
"Die Leute werden verrückt hier. Es gibt ein paar Leute hier, die haben gar nichts zu tun. Keine Schule, keine Freunde, zu denen sie gehen können, sie bleiben den ganzen Tag hier."

Bald feiern sie zum zweiten Mal Weihnachten

Ursprünglich sollten die Geflüchteten nur ein paar Wochen am ehemaligen Flughafen leben. Aus Wochen wurden Monate, in Kürze feiern sie das zweite Mal Weihnachten. Der private Betreiber Tamaja bemüht sich gemeinsam mit Ehrenamtlichen um halbwegs humane Zustände. In einer Ecke übt ein Kinderzirkus.
Über die alte Flughafen-Lautsprecheranlage laden Ehrenamtliche zum Deutschkurs ein.
"Liebe Bewohnerinnen, liebe Bewohner….."
Doch eine Notunterkunft bleibt eine Notunterkunft. Einige Bewohner reagieren aggressiv auf die dauerhaft fehlende Privatsphäre, doch die meisten werden passiv, ziehen sich zurück, beobachtet Maria Kipp vom Heimbetreiber Tamaja.
"Das was hier passiert, ist eine erlernte Hilflosigkeit. Ich kann nicht selber für mich kochen, ich kann nicht selber für mich waschen, ich kann nicht selber entscheiden, wann ich ausziehe. Keiner kann ihnen sagen, wann neue Unterkünfte entstehen, und keiner kann ihnen sagen, wann sie hier ausziehen werden – was für das Leben der Menschen einfach entscheidend ist, für die psychische Stabilität und vor allem für die Perspektive entscheidend ist."

Berlin ist das traurige Schlusslicht

Immer wieder bricht der Berliner Senat zuvor gemachte Versprechen. 60 Flüchtlings-Notunterkünfte in Turnhallen sollten ursprünglich bis zu den Sommerferien geräumt sein – aktuell sind immer noch 40 in Betrieb.
Der rot-schwarze Senat arbeitet schon lange nicht mehr konstruktiv, die künftige rot-rot-grüne Landesregierung ist noch nicht im Amt, die Errichtung von Containerbauten für Flüchtlinge verzögert sich, die Verantwortung dafür wird hin und hergeschoben. Noch-Sozialsenator Mario Czaja, CDU:
"Wir sind ja nicht der Errichter. Das tut der dafür zuständige Bereich. Die baulichen Gegebenheiten auf den Grundstücken, auch der Bedarf in allen Bundesländern hat höchstwahrscheinlich dazu geführt, dass es ein Stück weit zu Verzögerungen gekommen ist."
Berlin ist bundesweites Schlusslicht – die Asylbewerber konnten mittlerweile fast überall aus Turnhallen und Baumärkten ausziehen, Probleme haben nur die Großstädte. Doch während in Hamburg noch 1500 Flüchtlinge in Notunterkünften ohne Privatsphäre leben, sind es in der Hauptstadt noch 21.000.
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