Florian Werner liest Musik

"Poisoning Pigeons in the Park" von Tom Lehrer

Taube
Die Taube weiß noch nichts von ihrem Schicksal. Der Amerikaner Tom Lehrer will sie in seinem Song vergiften. © picture alliance / dpa / Foto: Hinrich Bäsemann
Von Florian Werner · 24.03.2016
Den Frühling kann man auch mit "Poisoning Pigeons in the Park" begrüßen. Der amerikanische Songwriter Tom Lehrer hat mit diesem morbiden Lied viele Fans gefunden. Warum genau er allerdings den Tauben den Vergiftungstod wünscht, wird wohl ein Geheimnis bleiben.
Spring is here, spring is here
Life is skittles and life is beer
I think the loveliest time of the year
Is the spring, I do,
Don't you?
Course you do.
Ach ja, der Frühling… Allgemeinem Konsens zufolge ist er die tollste Jahreszeit überhaupt, weil er endlich die Freiluftsport- und Biergartensaison einläutet. Auch der amerikanische Songsatiriker Tom Lehrer schließt sich dieser Mehrheitsmeinung an – wenn, ja wenn eine eher eigenwillige Grundbedingung erfüllt ist:
All the world seems in tune
On a spring afternoon
When we're poisoning pigeons in the park
Every Sunday you'll see
My sweetheart and me
As we poison the pigeons in the park
Obwohl Tom Lehrer hierzulande nicht annähernd so bekannt ist, wie er es verdient hätte, dürfte seine Argumentation vielen deutschsprachigen Hörern bekannt vorkommen:
Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau
Geh’ ma Tauben vergiften im Park!
Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau
Geh’ ma Tauben vergiften im Park!
Die Ähnlichkeiten sind nicht zu überhören – auch wenn der Wiener Chansonnier Georg Kreisler einmal mutmaßte, Tom Lehrer und er seien womöglich unabhängig voneinander auf dieselbe Idee gekommen. Wer hier wen beklaut hat, ist bis heute umstritten. Fest steht, dass beide Lieder im Walzertakt stehen – und dass in beiden arglose Vögel aus der Familie der Columbidae eine tödliche Zyanidvergiftung erleiden.
When they see us coming
The birdies all try and hide
But they still go for peanuts
When coated with cyanide
Aber: Warum töten der Sänger und seine Geliebte eigentlich ausgerechnet Tauben? Liegt es daran, dass diese Vögel symbolisch für den Frieden sowie, im Katholizismus, für den Heiligen Geist stehen – dass ihre Ermordung mithin einen besonders schauwertigen Tabubruch darstellt?
But it's not against any religion
To want to dispose of a pigeon
Oder liegt es daran, dass sie, als sprichwörtliche "Turteltauben", auch für die Liebe und für hemmungslose Vermehrung stehen? Für diese These spricht, dass das taubenvergiftende Pärchen auch zuhause lieber tödliche Tierversuche anstellt, als es den fortpflanzungsfreudigen Vögeln gleich zu tun.
We'll murder them all
Amid laughter and merriment
Except for the few
We take home to experiment
So betrachtet erscheint "Poisoning Pigeons in the Park" als sonnig-fröhliches Geschwisterkind von düsteren Frühlingsbeschimpfungen wie Edna St. Vincent Millays Gedicht "Spring" oder T.S. Eliots Langpoem "Das wüste Land". "April ist der grausamste Monat", heißt es dort, "er treibt / Flieder aus toter Erde, er mischt / Erinnern und Begehren, er weckt / Dumpfe Wurzeln mit Lenzregen."
Furchtbare Fruchtbarkeit! Das einzige, was man dieser Jahreszeit mit ihrem provokanten Übermaß an Eros und Lebensfreude entgegensetzen kann, ist: zumindest ein paar ihrer so aufdringlich gurrenden Boten zu vergiften.
My pulse will be quickenin'
With each drop of strychnine
We feed to a pigeon
It just takes a smidgin
To poison a pigeon in the park.
Mehr zum Thema