Flix und seine "Schönen Töchter"

Der Wal im Wohnzimmer

Der Künstler Flix steht am 4.8.2009 an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße in Berlin vor seinen Zeichnungen mit dem Titel "Da war mal was...". Gemeint ist die Berliner Mauer.
Der Comiczeichner Flix, mit bürgerlichem Namen Felix Görmann © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Von Frank Meyer · 10.08.2015
Das Wort "Comic" kommt eigentlich von komisch, lustig, witzig − daran erinnert der Berliner Zeichner Felix Görmann alias Flix mit seiner preisgekrönten Serie "Schöne Töchter". Sie widmet sich vor allem den paradoxen Momenten von Paarbeziehungen.
Comic-Bücher sind heute meistens ausgesprochen ernst. Mit der Aufwertung der Comics zu Graphic Novels sind Krieg und Krankheit, problematische Kindheiten und diktatorische Regime zu vorherrschenden Themen geworden. Dass Comics ursprünglich tatsächlich komisch waren, ist darüber fast in Vergessenheit geraten. Es ist gut, wenn jemand an das komische Potenzial des Comics erinnert, wie es der Berliner Comic-Autor Flix mit seinen "Schönen Töchtern" tut.
Comic-Strips wurden die kurzen Bildgeschichten genannt, die zuerst im frühen 20. Jahrhundert in Zeitungen erschienen sind, von diesen komischen Geschichten hat das ganze Genre seinen Namen geerbt. Felix Görmann alias Flix hält auch diese Tradition hoch, so konsequent wie kein anderer deutscher Comiczeichner veröffentlicht er seine Arbeiten zuerst als Comic-Strips in Zeitungen, bevor er sie als Buch herausbringt. Kulturelle Berührungsängste kennt er nicht, Flix hat schon literarische Schwergewichte wie "Faust" und "Don Quixote" als Zeitungscomics veröffentlicht. Mit seiner jüngsten Serie hat er sich einem anderen Großthema gewidmet, der Sache zwischen Frau und Mann.
Seit 2010 erscheint die "Schöne Töchter"-Serie alle vier Wochen in der Sonntagsausgabe des Berliner "Tagesspiegel", 2012 wurde sie mit einem Max-und-Moritz-Preis als Comic-Strip des Jahres ausgezeichnet. Jetzt ist die Serie in einer großformatigen Buchausgabe herausgekommen. Mit melancholischer Heiterkeit widmet sich der Zeichner vorzugsweise den paradoxen Momenten von Paarbeziehungen. In einer Episode liegt ein erschöpfter, riesiger Wal im Wohnzimmer, er wird zur Kühlung begossen und entwickelt starken Appetit auf Heringe und Schokomandeln. Erst als der Wal-Pfleger im Spätkauf über seine hochschwangere Frau redet, wird klar, wer der Wal im Wohnzimmer tatsächlich ist.
Philosophieren im Motorradgespann
Flix hat mehrere Reminiszenzen an den von ihm bewunderten Zeitungs-Comic-Künstler Bill Watterson in seine Serie eingebaut. Watterson ließ sein Paar Calvin und Hobbes immer wieder in halsbrecherischer Bollerwagenfahrt in den Abgrund rasen und dabei tief philosophische Gespräche führen, Flix spielt dieses Motiv mit zwei schönen Töchtern im Motorradgespann nach. Der Zeichner hat für jede seiner Episoden eine neue Seitenarchitektur gefunden, die Größe und den Rhythmus der Bilder verändert, so dass die Folge auch in der konzentrierten Präsentation im Buch nie schematisch wirkt.
Von Episode zu Episode entwickelt sich in diesem Buch das Panorama eines modernen Liebeslebens. Flix macht viele Varianten zum Thema, traurige und trickreiche und theoriebeladene. Einige der Geschichten kommen ganz ohne Worte aus, Flix' zurückhaltend kolorierte und ironisch vereinfachten Figuren entfalten dann ganz allein einen berückend sanften Fatalismus im Blick auf die Liebe.

Flix: Schöne Töchter
Carlsen Verlag, Hamburg 2015
128 Seiten, 24,99 Euro

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