Flick und die "besondere Pflege der Bonner Landschaft"

Von Rolf Wiggershaus · 29.11.2008
Es war einer der großen Skandale der Bundesrepublik: die Flick-Affäre. Das Wort von der "gekauften Republik" ging um, es gab eine Kette von Rücktritten und Verzichten. Die Parteispendenaffäre wurde Thema für Presse, Öffentlichkeit und Justiz. Der Bundestag berief einen Untersuchungsausschuss ein, die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Konzern und verschiedene Politiker.
Nach zweijährigen schwierigen Ermittlungen gegen den größten deutschen Stahlkonzern und eine Reihe von Politikern aller damals im Bundestag vertretenen Parteien gab die Bonner Staatsanwaltschaft am 29. November 1983 bekannt, dass sie im sogenannten Flick-Verfahren Anklage wegen fortgesetzter Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit erheben werde.

"Nach dem Ergebnis der Ermittlungen wird dem Angeschuldigten von Brauchitsch zur Last gelegt, von Dezember 1975 bis Mitte 1977 dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Dr. Friderichs Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 375.000 DM und dessen Nachfolger Dr. Graf Lambsdorff im Dezember 1977 und im Jahre 1980 Bargeld in Höhe von insgesamt 135.000 DM zugewendet zu haben, um hierdurch auf die im Ermessen der Minister stehenden Entscheidungen über Anträge des Flick-Konzerns auf Steuerbegünstigung für die Reinvestition eines möglichst großen Teiles des Gewinns in Höhe von 1,9 Milliarden D-Mark Einfluss zu nehmen, den die Gesellschaft durch die Veräußerung von Daimler-Benz-Aktien erzielt hatte."

Durch die von Oberstaatsanwalt Johannes Wilhelm verlesene Presseerklärung erfuhr die Öffentlichkeit erstmals, wie die juristische Bewältigung einer Affäre aussehen sollte, die zum Schlagwort von der "gekauften Republik" geführt hatte. Die Ermittlungen hatten gezeigt, dass hohe Geldbeträge vom Flick-Konzern an Parteien und Politiker gezahlt worden waren. Der Vorwurf der Bestechung betraf die umstrittene Steuerbefreiung für die Flick-Gewinne aus dem Verkauf von Daimler-Benz-Aktien.

Gemäß Paragraph 6 b Einkommensteuergesetz konnte Steuerbefreiung gewährt werden, wenn es nach Ansicht von Finanz- und Wirtschaftsministerium um volkswirtschaftlich besonders förderungswürdige Transaktionen ging. Ließ sich ein direkter Zusammenhang nachweisen zwischen Flick-Spenden und Minister-Entscheidungen?

Die Staatsanwaltschaft konnte belegen, dass der Flick-Konzern eine großangelegte Strategie verfolgt hatte, um die beim Verkauf der Aktien fälligen 980 Millionen D-Mark Steuern zu vermeiden. Noch vor dem Verkauf hatte Chefmanager Eberhard von Brauchitsch Kontakt mit dem Bonner Wirtschaftsministerium aufgenommen. Unter dem Datum vom 25. August 1975 notierte er über ein Gespräch mit Hans Friderichs, dem damaligen FDP-Wirtschaftsminister:

Friderichs gab mir zu verstehen, dass eine totale Wiederanlage des gesamten Daimler-Benz-Buchgewinns sicherlich zu einem politischen Eklat führen würde.

So kam es zu den - wie es im führungsinternen Sprachgebrauch hieß - drei "Geleitzügen", die das "Haus Flick" auf die Reise schickte, um in den für seine Zwecke schwierig scheinenden Zeiten einer sozialliberalen Koalition die Daimler-Transaktion vor der Steuer zu retten. In einer Notiz vom April 1979 erklärte Brauchitsch seinem Chef Friedrich Karl Flick sein Vorgehen:

Ich glaube, wir sollten nicht unterschätzen, welche große Bedeutung für unser Haus die besondere Pflege der Bonner Landschaft, aber auch der gutwilligen Leute im Gewerkschaftsbereich hat.

Allein von 1969 bis 1980 flossen mindestens 25 Millionen D-Mark auf illegalen Wegen vom Flick-Konzern in die Kassen von FDP, CDU/CSU und SPD. Doch Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit konnte Brauchitsch, Friderichs und Lambsdorff im speziellen Fall nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden. Sie kamen mit einer Bewährungsstrafe beziehungsweise Geldstrafen wegen Steuerhinterziehung glimpflich davon. Das Verfahren beeindruckte sie wenig. Für sie handelte es sich lediglich um Kavaliersdelikte.

Es blieb Unbeteiligten wie dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig, Rudolf Wassermann, überlassen, darauf hinzuweisen, welche Lehren aus dem Flick-Parteispendenprozess zu ziehen wären - erst später kam es zu Reformen der Parteienfinanzierung.

Die Parteien haben einen riesigen Geldbedarf, und wenn der nicht vom Gesetzgeber befriedigt ist, dann hat man geglaubt, gleichsam krumme Wege über Geldwaschanlagen und so weiter gehen zu können. Und das ist vielleicht das Einzige, was hier für den Grafen Lambsdorff spricht: der Umstand, dass so wie er viele denken, [...] und insofern hat ihn auch die Kameraderie so vieler Leute getragen. Aber für mich ist bedrückend, dass die Einsicht hier fehlt, dass der Staat nicht gedeihen kann, wenn gerade diejenigen, die die Verantwortung in ihm haben, die politische Moral so gering achten.