Flanke von rechts

Radikale am Spielfeldrand

Teilnehmer einer Hogesa-Demonstration in Köln im Oktober 2015.
Teilnehmer einer von Hogesa ("Hooligans gegen Salafisten") angemeldeten Demonstration in Köln im Oktober 2015. © AFP / Patrik Stollarz
Von Thilo Schmidt · 09.10.2016
Sport hat eine klar integrative Wirkung. Das demonstrieren multikulturelle Nationalmannschaften, wie zuletzt bei der Fußball-EM 2016. Doch unter den Fans gibt es zunehmend gewaltbereite Rechtsextreme. Wie gehen die Vereine damit um?
Fußballfans: "Halt die Schnauze! Probstheida-Jude! Probstheida-Jude! Probstheida-Pack!"
"In der Wissenschaft wird immer davon geredet, dass der Sport und der Fußball janusköpfig seien",
sagt Fanforscher Robert Claus von der Kofas, der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit.
"Das heißt: Ambivalent, im Grunde. Soll heißen: Junge Menschen erfahren im Sport eine Sozialisation, eine Bildung, in der sie Teamfähigkeit, Leistungsfähigkeit, Ehrgeiz, Motivation, all sowas lernen können – wenn er sozial gut gerahmt ist. Das heißt, wenn die Trainer auch was von Fairplay und Respekt vermitteln. Wenn der Verein auch ein Leitbild lebt, was für Austausch von Demokratie und Mitbestimmung und Gleichberechtigung steht."
Fußballfans: "Probstheida-Zigeuner! Zigeunerpack! Zigeunerjude!"
"Wenn man das alles nicht tut, kann der Sport auch ins Gegenteil kippen, nämlich in eine Situation, in der Konkurrenz übermäßig gelebt wird, in der es zum Ziel wird, den Gegner abzuwerten, eventuell sogar verbal oder mehr zu vernichten, dort spielt dann auch Diskriminierung eine große Rolle. Und dann liegt es teilweise leider nahe, jemanden anderes homophob oder rassistisch zu beschimpfen, um ihn zu verunsichern oder in seiner Leistung zu schmälern, damit man selber gewinnt."
Anfang Oktober, Jahn-Sportpark, Berlin-Prenzlauer Berg. Der Berliner FC Dynamo gegen Lok Leipzig. Es ist das erste Punktspiel der beiden DDR-Traditionsvereine seit 27 Jahren. Sowohl Lok als auch der BFC sind für ihre teilweise offen rechte Fanszene bekannt.
Eine linke Initiative twittert am Morgen vor dem Spiel:
Bislang ist es ruhig.
Sport und Fußball sind nicht grundsätzlich gut. Aber auch nicht grundsätzlich böse, sagt Fanforscher Robert Claus.
"Wir würden immer sagen, dass der Sport eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllt, und eben sozial gerahmt werden muss. Durch entsprechende Leitbilder, Workshops, Diskussionsrunden und Vorbilder, um seine positiven Eigenschaften herauszukehren. Und, das sei noch angemerkt, wir treffen leider immer wieder auf ein etwas blauäugiges Verständnis von Sport. Wo es heißt, dass Sport an sich gut sei. Ohne Wenn und Aber. Und da müssen wir leider sagen: Das ist nicht der Fall."
In Sportvereinen spielen Flüchtlingsmannschaften. In Fankurven äußern sich Fans rassistisch.
Fußballfan: "Nationaler Chemnitzer FC"
Sport verbindet. Sport trennt.
Fußballfan: "Nationaler Chemnitzer FC"
Die wichtigsten Akteure im Sport sind die Vereine. An ihnen orientieren sich die Fans. So oder anders.
"Sie sind nicht immer glücklich, was der Verein macht, teilweise protestieren sie, aber Orientierungspunkt bleibt immer noch der Verein: Deswegen ist die zentrale Aussage, dass ein Verein am besten für sich ein Leitbild entwickelt, was er a) nach außenstrahlt, über seine Medienabteilungen nach außen strahlt, aber auch in seiner Fanarbeit nach außen strahlt, und b) was er auch nach innen lebt, dass er seine Mitarbeiter schult. Und umso authentischer das passiert, umso authentischer auch Mitarbeiter auf, ich sag mal, negative Vorfälle reagieren können, umso wirkmächtiger wird das ganze sein."
Neuseddin in Brandenburg, unweit der Landeshauptstadt Potsdam. In einem kleinen Gewerbegebiet im Wald residiert die Brandenburgische Sportjugend. Sie berät die Vereine des Landes schon lange und versucht, ihnen ein Leitbild an die Hand zu geben: Damit soll die "gute" Seite des Sports herausgestellt werden. Jugendsekretär Robert Busch.
"Wir versuchen halt mit dem Sport, über den Sport die Werte zu transportieren: Fair Play, Toleranz, und dafür zu werben, dass Leute sich eben ein Gesellschaftsbild machen, das in die Mitte gehört und nicht am rechten Rand behaftet ist. Sport wird momentan noch in jeder Kommune betrieben, auch in der kleinsten Kommune gibt's einen Sportverein, sodass wir die Leute auch erreichen können ..."
Darum sitzt die Sportjugend auch nicht in Potsdam, sondern in dieser Baracke weitab vom Schuss – aber nah an der Autobahn. Denn um jeden Sportverein erreichen zu können, kommen im Flächenland Brandenburg beträchtliche Fahrtstrecken zusammen. Im Gepäck: Soziale Projekte, Integration durch Sport, Fair Play und Werteerziehung, Bildungsangebote für sozial Benachteiligte. Und unpolitisch ist der Sport, ist die Sportjugend ohnehin nicht, sagt Uwe Koch, Referent für soziale Projekte.
"Wir haben einen klaren antirassistischen Kodex, und in dem Kontext spielen wir natürlich in der großen Politik mit. Politik ist natürlich auch das, was passiert, wenn wir uns zu Rechtsextremismus oder zu allgemeinpolitischen Fragestellungen äußern. Und da ist der organisierte Sport durchaus nicht unpolitisch."

Beratung durch die Sportjugend ist Vertrauenssache

Vor drei Jahren alarmierte ein kleiner Fußballverein mit 400 Mitgliedern die Sportjugend. Was war passiert? Bei einem Pokalspiel entrollten Fans ein Transparent, das auf makabre Weise den Holocaust verherrlichte und seine Opfer verhöhnte – und das an einem historisch belasteten Ort. Die Namen von Ort und Verein können hier nicht genannt werden, die Beratung durch die Sportjugend ist Vertrauenssache. Und Beratung war notwendig: Rechtsextreme Fans hatten mobil gemacht und ihre Gesinnungsgenossen in die Fankurve geholt.
"Das haben wir dann erst alles später rausgekriegt. Und dies hat so eine großen Kreise gezogen, auch in der Presse, da haben wir denn gesagt, jetzt brauchen wir ne professionelle Hilfe ..."
sagt der Vereinsvorsitzende. Zu diesem Zeitpunkt war der Vorfall schon Thema in der internationalen Presse. Für die Sportjugend berät Susanne Springborn den kleinen Verein, der plötzlich im Focus der Medien steht. Und mit dem Rücken an der Wand.
"Wir haben versucht, dem Verein ein bisschen den Druck zu nehmen, dass wir uns sozusagen auch schützend vor den Verein stellen, und den Focus der Presse auf den Landessportbund ziehen, damit der Verein wirklich in Ruhe sich erstmal intern sortieren kann. Und dann haben wir gemeinsam geguckt: Was ist das Problem, welche Informationen hat der Verein überhaupt darüber, und haben so Stück für Stück sortiert und gemeinsam überlegt, was wir konkret machen können."
Zusammen mit Polizei und dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus organisiert Susanne Springborn eine Schulung zu rechtsextremen Symbolen und Codes. So wusste niemand im Verein etwas mit der "88" anzufangen, die sich ein Spieler auf das Bein tätowiert hatte, wusste niemand, dass die "88" ein Code für "Heil Hitler" ist. Der Vereinsvorsitzende:
"Dann haben wir gesehen, dass die da was mit zu tun haben. Dann haben wir auch mal geguckt, ob sie mal ne CD mithatten, was für Musik sie in der Kabine abgespielt haben, und haben denn das Gespräch gesucht mit den Jugendlichen, oder Erwachsenen. Jungen Erwachsenen."
Über einige Spieler hat das brandenburgische Innenministerium Erkenntnisse. Der Verein trennte sich von ihnen.
"Det waren gar nicht viel. Det waren zwei Mann jewesen, und von denen haben wir uns getrennt, und die anderen zwei oder dreie sind jetzt schon etliche Jahre älter, der eine ist 28, 29, zwei Kinder, janz tolle Familie, arbeitet, will jar nischt mehr damit zu tun haben ..."
Wer den Verein verlassen musste und wer nicht, hat der Verein selbst entschieden. Das ist weder Aufgabe noch Selbstverständnis der Sportjugend.
Susanne Springborn hat mit dem Verein gemeinsam eine Pressemitteilung formuliert, in der sich der Verein zu Toleranz und Respekt bekennt.
"Also gerade sich bewusst nach außen zu positionieren ist ein Problem, dass Vereine oftmals haben, weil Vereine kommen ganz oft in eine Rechtfertigungshaltung und sagen: Wir haben gar kein Problem, und dann gibt's einen Gegenangriff von der Presse. Und das ist es so ein Pingpong, hin und her, und keiner beschäftigt sich mit dem eigentlichen Thema, was vor Ort ist. Und unser Ratschlag ist immer wirklich: So wenig wie möglich erstmal zu sagen, ein bisschen Zeit zu verschaffen, sich klar zu positionieren, möglichst am Anfang. Das nimmt Druck raus, und dann lässt auch das Medieninteresse nach, wenn der Verein eine klare Position dazu hat."
Vorsitzender: "Die Grenze ist eindeutig Rassismus. Wenn se jegen die Polen vorgehen, gegen jeden Ausländer vorgehen, wir haben ja auch Behinderte ab und zu, wenn se gegen die jehen ... ja? Da ist die Grenze absolut erreicht."
Gegner der Partie, bei der das Holocaust-verherrlichende Transparent entrollt wurde, war der Regionalligist SV Babelsberg 03. Kein Zufall, denn die Fanszene des Potsdamer Vereins gilt als links.
"Ich glaub das liegt so ein bisschen auch am Image, was man sich so aufgebaut hat",
Max Hennig vom Fanbeirat des Vereins.
"Anfang der 90er hat es halt irgendwann angefangen, dass die Punks aus Potsdam, also die linken Punkts, dann zum Fußball gegangen sind, sich einen Verein rausgesucht haben. Das war eben der SV Babelsberg 03. Und wenn es da jetzt schon, ich nenne es mal eine Vorherrschaft von Personen mit linkem Denken gibt, dann ist das auch für Nazis erstmal ziemlich unattraktiv. Also es gibt da so ne Marke vom Verein aus, das nennt sich "Blau-Weiß-Bunt 03". Und da steht unser Verein auch komplett hinter uns. Und da ziehen quasi Fanszene und Vereinsführung an einem Strang. Dass eben Rechtsextremismus bei uns nichts zu suchen hat."
Zwei Dutzend Babelsberger Fans laufen vom Neustrelitzer Bahnhof zum Stadion. Auswärtsspiel. Es sind friedliche, junge Fans, die nicht im Ansatz den Anschein erwecken, als könnten sie irgendjemandem etwas zu leide tun. Dennoch werden sie den gesamten Weg auf Schritt und Tritt von der Polizei begleitet. Als Regionalligist spielt Babelsberg in ganz Ostdeutschland. Fans des SV Babelsberg berichten von unverhältnismäßigen Übergriffen durch die Polizei. Auch mit Fans anderer Mannschaften haben die Babelsberger Erfahrungen gemacht.
Hennig: "Dann gibt es halt eben Banner wie zum Beispiel von Energie Cottbus: 'Juden, Zecken und Zigeuner', oder es kommen Sprüche von Lok Leipzig: 'Wir sind Lokisten, Mörder und Faschisten'."
Beim Heimspiel gegen Leipzig vor drei Jahren durchbrechen Lok-Fans eine Absperrung und greifen unvermittelt die Babelsberg-Fans an. Und rufen dabei rechte Parolen.
Ein Jahr später werden Babelsberg-Fans nach einem Auswärtsspiel beim BFC Dynamo in Berlin nach eigenen Aussagen zuerst von rechtsgerichteten gegnerischen Fans angegriffen und danach von der Polizei. Extremer aber, sagt Max Hennig, spüren Spieler und Trainer den Hass auf dem Platz. Hass, der von gegnerischen Spielern – und auch Trainern – ausgehe.
"Also ein ganz bekanntes Beispiel gab es in der letzten Saison gegen Zwickau. Das war sogar ein Heimspiel bei uns in Potsdam. Dort gab es von Seiten der Zwickauer Spieler und sogar des Trainers einige rassistische Ausfälle, dort sollen Sprüche wie 'Hier spielen ja nur Türken' gefallen sein."
Nachdem der Zwickauer Trainer Torsten Ziegner die rassistischen Entgleisungen seiner Spieler relativierte, platzte Cem Efe, dem deutschtürkischen Trainer Babelsbergs, der Kragen. Das Video der Pressekonferenz ist im Internet abrufbar.
Ziegner: "Ist nun mal so. Die eine Seite erzählt es so, die andere Seite erzählt es so."
Efe: "Ich bin doch dabei! Wenn du sagst: Scheiß Türke, dann ist das doch kein normaler Fall mehr, man! Das ist genau das, das ist es doch! Genau das ist es doch, Torsten! Du kannst alles sagen. Aber doch nicht diskriminieren! Sag dem: Du Flasche, du kannst kein Fußball spielen, oder was auch immer! Noch mal: Meine Jungs dürfen sich von nichts provozieren lassen. Von gar nichts. Das ist nicht deren Aufgabe. Aber genau so haben wir als Trainer eine Verantwortung gegenüber allen hier draußen! Da ist mein kleiner Sohn, der kommt gerne her. Und der muss ein Vorbild da draußen sehen! Und selbst, wenn es der Trainer ist, ist ok, aber doch nicht die ganze Bank! Und wenn ich das sag und er das sagt und es drei andere auch noch genauso sagen, denn stimmt's nicht mehr! Denn können wir auch nicht sagen: Nee, ist nicht passiert!"
Hennig: "Das Schlimme ist dann halt in dem Fall, dass der Verein, also in dem Fall der FSV Zwickau, nicht gegen solche Leute vorgeht und ein Disziplinarverfahren einleitet, sondern dass er negiert und runterspielt und versucht halt kleinzuhalten."
Zwickauer: "Haben sie in der ersten Halbzeit mal ihre Bank beobachtet?"
Efe: "Ich bin zwanzig Minuten mit meiner Bank beschäftigt. Aber fragen Sie mal, ob auf der Bank jemand mit den Spielern beschäftigt ist! Da ist der Co-Trainer von denen der erste, der meine Spieler angeht! Und es geht noch weiter unten in der Kabine! Es geht noch weiter in den Katakomben! Und das ist schlimm! Wenn er was sagt, sag ich: Hey Thorsten, wir haben gegeneinander gespielt, alles gut. Das ist dein Stil, das ist mein Stil, alles gut, das bleibt so stehen. Aber nicht, dass wir die Kleinigkeiten nicht beachten wollen. Ich hab in Zwickau gesagt: Es spielt Babelsberg gegen Zwickau, Männer. Und ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir zusammen miteinander können. Versuchen, respektvoll miteinander umzugehen. Aber das, das passiert je-des-mal! Aber: Wir müssen doch irgendwann mal sagen: jetzt ist gut, jetzt ist alles gut. Am Ende ist es nur Fußball."
Es ist Halbzeitpause beim Spiel BFC-Dynamo gegen Lok Leipzig im Berliner Jahnsportpark. Bislang ist das Spiel unauffällig.
Ein Mann mit Bärenkostüm tapst durch die Ränge. Ein Fan, Marke Türsteher, sagt zu ihm: "Na, bist du der Abschie-Bär?"
Und klopft ihm auf die Schulter. Und lacht. Je tiefer die Liga, desto härter die Bandagen? Fanforscher Robert Claus bescheinigt dem Fußball eine gute Entwicklung. Den offenen Rassismus der Neunziger Jahre finde man in der ersten und zweiten Liga kaum noch, in den unteren Ligen viel seltener als noch vor zehn, fünfzehn Jahren.
"Der DFB, das muss man lobend erwähnen, hat ja ein Programm ins Leben gerufen: Willkommen im Fußball, an dem über 1.000 Vereine teilgenommen haben, Gelder beantragt haben und auch diese finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen konnten, um Fußball mit Flüchtlingen zu spielen. Das heißt, sie haben ne Willkommenskultur gelebt, wie es kaum ne andere gesellschaftliche Institution kann. Wir wissen alle, die Kirchen ziehen nicht mehr so viele Menschen an, Parteien haben Mitgliederschwund. Der Fußball ist glaube ich eine der wenigen Mitgliederschwund hat, sondern immer noch ne sehr zentrale Rolle spielt."
Seddin in Brandenburg, zufälligerweise dort, wo die Sportjugend Brandenburg ihren Sitz hat. Der ESV Lok Seddin spielt heute gegen Welcome United, ein reguläres Punktspiel in der Kreisklasse Havelland. Bei Lok Seddin spielen augenscheinlich nur biodeutsche Weiße. Bei Welcome United spielen nur Migranten: Es ist die Flüchtlingsmannschaft von Babelsberg 03.
"2014 kamen eben viele, und die wollten Fußball spielen. Das stand erstmal im Vordergrund. Und wir als ein Verein ..."
so Thoralf Höntze, Mannschaftsverantwortlicher von Welcome United.
"... der seit Jahren oder Jahrzehnten sich im Antirassismus engagiert und gegen Nazis engagiert, für uns war klar, es kann nur ne Gleichstellung geben. Also wir können jetzt nicht sagen: OK, also ihr spielt hier irgendwie 22 Uhr aufm Platz, wo gerade keiner kann, sondern wir haben gesagt: Wenn ihr hier Fußball spielen wollt, dann müsst ihr Mitglied werden und habt alle Rechte, alle Pflichten, und vor allem, ihr habt die Möglichkeit, in nem geregelten Spielbetrieb Fußball zu spielen."
Die Sportjugend Brandenburg begleitet Welcome United bei jedem Spiel – um Vorkommnisse zu dokumentieren und gegebenenfalls Konflikte zu lösen. Vor dem Spiel stellt sich Martin Pröscheld, der dieses Spiel ehrenamtlich für die Sportjugend beobachtet, den Trainern vor:
"Ich bin Martin, und im Auftrag der Brandenburgischen Sportjugend unterwegs und soll das Spiel hier beobachten, aber auch da sein, falls es Stress gibt oder Konflikte nicht zu lösen sind so schnell, da können wir gerne ins Gespräch kommen ..."
Trainer: "Also von unserer Seite wir nehmen das jetzt hier ganz normal, wie jeden Gegner in der Liga. Wir wollen jetzt hier nicht irgendwelche Kämpfe da draußen austragen, das ist also Quatsch."
Pröscheld: "Ich setze mich im Vorfeld des Spiels mit den beiden Trainern oder auch den Kapitänen der beiden Mannschaften zusammen, sage, dass ich hier bin, und für den Fall der Fälle, dass es Konflikte gibt, Streitereien gibt, die nicht so schnell zu lösen sind, dann da wäre, um mir das anzuhören. Und dann, denke ich, kommen beide Seiten auch zu ner Einigung. Diesen Fall hatte ich aber bisher noch nie."
Höntze: "Wir hatten bisher auch nur ein einziges Mal ein Problem, das war beim letzten Auswärtsspiel in Schlalach, wo es ne Gruppe Fans gab, die sich permanent rassistisch geäußert hat. Dadurch ist der Druck im Kessel natürlich mal gewachsen, das kriegen unsere Spieler natürlich mit, dann entsteht Unmut, und der überträgt sich auf den Platz. Und das ist dann immer so ne Kettenreaktion. Die Rassisten, die im Prinzip dieses Spiel angefangen haben, von Anfang an, haben da ihr Ziel erreicht, weil wenn unsere Mannschaft dann genervt ist, und dann auch mal ein Foul begeht, aus Frust, dann ist es diese Kette ohne Ende, dann schreien die natürlich, oh, der hat hier sinnlos gefoult, und das ist dann die Begründung dafür, dass sie sich rassistisch äußern dürfen. Also zumindest hat mir einer von diesen Zuschauern, mit denen ich mich unterhalten hab, das so gesagt, der meinte: Ja, wenn ihr foult, können wir auch euch Neger nennen. Witzlose Begründung, aber es war seine Begründung."
Ejike Uzoukwu ist von Anfang an bei Welcome United. Welcome United tut den Flüchtlingen gut. Und den Deutschen, sagt der Nigerianer.
Uzoukwu: "So viele Leute kommen besser in die Nähe zu Ausländern. Wir sind in viele verschiedene Dörfer gefahren. So wir haben die Leute auch gesehen. Die Leute haben uns auch gesehen. In der Zukunft wird das besser!"

Der unsichtbare Rassismus

Auch wenn er immer da ist, der Rassismus. Zumindest der unsichtbare Rassismus, der nur von Schwarzen wahrgenommen wird. Jeden Tag.
Uzoukwu: "In der Liga, von den Fans der anderen Mannschaften gibt es ein bisschen Rassismus und so was, aber das ist normal. Man findet das auch in der Straße, jeden Tag."
Höntze: "Und insofern, wie gesagt, ich glaube, das ist ein bisschen auch unsere Aufgabe, auch über die Städte und Dörfer zu ziehen und für Normalität zu sorgen. Denn nichts anderes ist das ja."
Fußball ist nicht grundsätzlich gut und nicht grundsätzlich böse. Es gibt Fußballmannschaften für Flüchtlinge, Integrationsarbeit in fast jedem größeren Fußballverein.
"Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass es rechte Hooligans gab, die an Angriffen auf Asylbewerberunterkünte beteiligt waren, die an Gewalttagen beteiligt waren, unter anderem im Januar 2016, als mehrere 100 Hooligans durch Leipzig-Connewitz randaliert sind am Rande einer Legida-Demonstration. Insofern haben wir ein Bild, das einerseits unübersichtlich ist und andererseits genauso polarisiert ist wie die gesamte politische Debatte."
Es war der 11. Januar 2016, als Hooligans aus dem ganzen Bundesgebiet in Connewitz randalierten und dutzende Geschäfte und Kneipen verwüsteten. Zeitgleich feierte Legida in der Innenstadt Geburtstag. Eine zielgerichtete politische Attacke von Hooligans verschiedener Vereine, die sich sonst spinnefeind sind. Ein Milieu, das sich – vor allem in Sachsen – auf den Pegida-Demonstrationen wiederfindet.
"Wenn wir uns zum Beispiel mal die Fanszenen der ostdeutschen Dritt- und Viertligisten angucken, dann wissen wir, dass ein Teil davon an den Demonstrationen namens Pegida in Dresden beteiligt war. Das sah man an den entsprechenden Schals, Buttons. Man konnte das auch im Social-Media-Bereich sehen, wie dafür geworben wurde."
Demonstranten laufen am 26.10.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) während einer Demonstration von Hooligans bei der Aktion "Gemeinsam gegen Salafismus" durch die Innenstadt.
Hooligan-Demo gegen Salafisten in Köln© Caroline Seidel / dpa
Schon im Oktober 2014 demonstrierten 5.000 Hooligans in Köln, nach einem Aufruf der "Hooligans gegen Salafisten", kurz Hogesa. Bereits kurz nach Beginn der Demo kam es zu exzessiven Gewaltausbrüchen, die niemand vorhergesehen hatte. Die Hooligans warfen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper, kippten Polizeiautos um und riefen rassistische und neonazistische Parolen.
"Da haben sich auch tatsächlich viele Experten, viele Beobachter gefragt, wo diese ganzen Leute herkommen. Und was Hooligans gegen Salafisten damals wirklich – man muss es leider wirklich sagen – einzigartiger Weise geschafft haben, ist: Sie haben es geschafft, ein so politisches Milieu zu mobilisieren für eine politische Demonstration, das für derlei Veranstaltungen sonst nicht erreichbar ist. Die Hooligans, die sich dort gezeigt haben, würden niemals auf einen Partei ... also in der Masse, Ausnahmen gibt es immer – also sie würden in der Masse niemals auf einen Parteitag der NPD gehen oder ein Schulungszentrum für rechtsextreme Ideologie besuchen. Das würden sie niemals tun. Sondern es geht eher um ein Milieu, was die selbe Musik hört, 'Kategorie C' spielt da eine große Rolle, was sich in den selben Kneipen trifft, und was auch teilweise dieselben Kampfsport-Gyms besucht. Da herrscht dann auch ein entsprechender Humor, man hat dieselben Hobbys, man guckt Fußball zusammen und reißt rassistische Witze. Das heißt, es ist ein rechtsextremes Milieu, was uns tatsächlich im Blick verloren geht, wenn wir nur auf Kameradschaften und etablierte Organisationen wie Parteien gucken würden."
Pegida steht in der Tradition von Hogesa. Ideologisch und zum Teil personell. Könnte es sein, dass der Beginn von Pegida – und damit vielleicht auch der Aufstieg der AfD – in der rechten Erlebniswelt in der Fankurve liegt?
"Ja, so kühn finde ich das gar nicht. Ich würde sagen, das stimmt. Hogesa war seinerzeit die erste große Demonstration am Anfang einer Debatte, die angefangen hat zum Thema Migration und Asyl in Deutschland. Hogesa hat quasi den Startpunkt gesetzt, und einige der Hooligans haben im Nachhinein auch die Ansicht geäußert, dass sie sich als politische Avantgarde empfinden. Weil sie eben die ersten waren. Und danach, in der Folge, haben Hooligans eben als Ordner und als Demonstrationsteilnehmer gewirkt bei den Pegida-Demonstrationen, auch bei Legida, waren bei den 'Nein-zum-Heim'-Protesten gegen den Bau von Asylunterkünften beteiligt, insofern war Hogesa tatsächlich der Start zu den ganzen rassistischen Aufmärschen und Social-Media-Bewegungen, die wir in den letzten zwei Jahren beobachten können."
Das Spiel ist aus. Die Fans von Lok Leipzig und BFC Dynamo verlassen den Jahn-Sportpark in Berlin durch verschiedene Ausgänge, getrennt durch ein massives Polizeiaufgebot. Im Verlauf des Nachmittags sangen Lok-Leipzig Fans rechtsradikale Lieder, es kommt zu rassistischen Beleidigungen und Körperverletzung. Vier Polizeibeamte werden verletzt, 19 Fans werden festgenommen.
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