Fingerhakeln-Meister Josef Utzschneider

Die stärksten Finger Deutschlands

Josef Utzschneider, Meister im Fingerhakeln, beim Training in seiner Garage
Josef Utzschneider, Meister im Fingerhakeln, beim Training in seiner Garage © Deutschlandradio Kultur / Georg Gruber
Von Georg Gruber · 05.09.2015
Es ist ein kraftraubendes Gezerre: Beim Fingerhakeln versuchen zwei Kontrahenten den Gegner am Mittelfinger zu sich heranzuziehen. Der Bayer Josef Utzschneider ist seit acht Jahren ungeschlagener Meister der Disziplin. Er sagt: Es eine komplexe Sportart.
Den anderen über den Tisch zu ziehen, darum geht es beim Fingerhakeln. Hört sich einfacher an, als es ist.
Josef Utzschneider: "Ja Fingerhakeln ist, meine ich, eine komplexe Sportart, weil es kommt nicht nur auf Kraft an, es kommt auch auf die Reaktion und auf die Schnellkraft, dass man zur richtigen Zeit die nötige Kraft einsetzt. Und natürlich einen guten Finger braucht man noch, einen guten Mittelfinger, der das ganze Zeit- und Kraftspiel mitmacht."
Der 32-jährige Josef Utzschneider aus dem oberbayerischen Ohlstadt dominiert die Haklerszene wie kein zweiter: Seit acht Jahren ist er ungeschlagen, bayerischer, deutscher und alpenländischer Meister. 1,86 m groß, 93 Kilo, breites Kreuz, starke Oberarme, kräftiger Händedruck. Vor wichtigen Wettkämpfen trainiert er zweimal wöchentlich in der kleinen Zimmererwerkstatt des Bruders.
Utzschneider:"Nimm ich erst mal ein Schluck Bier, na Radler ist gut."
Klimmzüge mit den Mittelfingern
Josef Utzschneider kommt direkt von der Arbeit, er ist LKW-Mechaniker, das Öl und das Fett, sagt er, sind gut für die Geschmeidigkeit der Haut. Zum Aufwärmen macht er Klimmzüge an zwei Haken an der Decke – mit den beiden Mittelfingern. Dann setzt er sich an den Tisch und zieht mit einem Finger einen Betonklotz, 50 Kilo schwer, an einem Seil, das über eine Umlenkrolle läuft. Mit dabei ist auch sein Vater Anton, der selbst mehrfacher deutscher, bayerischer und alpenländischer Meister war.
Anton Utzschneider: "Er wird schon von mir was vererbt gekriegt haben. Aber ich sag, so gut wie der ist, so gut war ich noch nie. Und der hat einfach eine Technik, der hat eine Grundschnelligkeit und eine Gewalt einfach, Gewalt. Der kann das so umsetzen auf Kommando, dass der mit voller Gewalt einfach die Kraft auf den Punkt bringt."
Im Hintergrund zu hören: die Kuh Liesl. Die Regeln sind einfach: Gezogen wird auf Kommando. Gewonnen hat, so steht es in den Statuten, Absatz 38, wer die "Vorderkante des Zugfingers seines Gegners" über die "Auslinie" an seiner Tischkante gezogen hat.
Austragungsort: Bierzelt
Beim Wettkampf im Bierzelt stemmen sich die Kontrahenten, natürlich in Tracht, mit den Knien und aller Kraft gegen den Tisch. Hinter jedem Hakler sitzt zur Sicherheit einer der ihn auffangen kann, falls der Gegner loslässt.
Utzschneider: "Kämpfe dauern von einer halben Sekunde bis 30, 40 Sekunden. Am Besten ist natürlich, wenn man es in einer halben Sekunde schafft. Wenn es dann eine halbe Minute dauert, kommt es dir vor wie eine halbe Stunde, weil du bist voller Anspannung und denkst nur: Gib auf! Der auf der anderen Seite muss aufgeben!"
Das Fingerhakeln, heute eine der letzten Männerdomänen überhaupt, hat in Bayern eine Jahrhunderte lange Tradition.
Ein Sport mit mindestens 400-jähriger Tradition
Anton Utzschneider: "Seit 1600 ist das überliefert, dass in der Wirtschaft fingerhakelt worden ist. Früher war es ja eher eine Streitfrage, statt dem Raufen, hat man es einfach mit dem Finger ausgetragen."
Der Sport hat sich seither kaum verändert, nur: Heute wird nicht mehr Finger an Finger gehakelt, sondern mit einer Lederschlaufe. Das ist fairer, es kommt nicht mehr auf Fingerlänge und -dicke an. Verletzungen kann es trotzdem geben:
Utzschneider: "Es gibt Verletzungen in dem Sinn, dass sich halt die oberste Hautschicht bei einem strengen Zug einfach ablöst, also die oberste Hautschicht reißt es dann runter. Schaut schlimmer aus, weil es manchmal bluten tut ohne Ende, aber wenn man sich diese oberste Hautschicht antrainiert, dann ist in Anführungsstrichen nur die oberste Hautschicht weg."
Nach dem Wettkampf sitzt man freundschaftlich beim Bier zusammen
Als Siegprämie gibt es auch bei den großen Meisterschaften kein Geld, sondern Sachpreise, vom Fernseher bis zum Akkuschrauber. Sponsoren hat Utzschneider keine, trotz seiner zahlreichen Meistertitel:
Utzschneider: "Das ist wahrscheinlich auch das Gute, dass der Sport ein bisschen am Boden bleibt. Nicht so abgehoben, wie der Boxsport oder Kraftsport allgemein. In die Schiene möchte man gar nicht gehören."
Zum Fingerhakeln gehört auch, dass man nach dem Wettkampf freundschaftlich beim Bier zusammen sitzt, man kennt sich. Das Geheimnis seines Erfolges ist letztlich ganz simpel:
Utzschneider: "Es ist wie bei allen Sportarten, manche können es halt einfach und manche lernen es nie."
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