Finanzierung des Straßenbaus

Warum Privatinvestoren es nicht richten sollten

Ein Auto fährt am 19.08.2013 an einem geflicktem Schlagloch in einer Straße in Büderich (Nordrhein-Westfalen) vorbei.
Für den Straßenbau fehlt das Geld: Deshalb sollen demnächst vielleicht Privatinvestoren die Schlaglöcher stopfen helfen. © dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel
Winfried Hermann im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 06.03.2015
Privatinvestoren helfen klammen Kommunen, ihr Straßennetz in Schuss zu halten? Wenn es nach der Bundesregierung geht, könnte das bald Realität sein. Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann hält nichts von dieser Idee. Kredite seien die bessere Lösung.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat Pläne der Bundesregierung, den Straßenbau mit Hilfe von Privatinvestoren zu finanzieren, scharf kritisiert. Im Deutschlandradio Kultur sagte Hermann bezogen auf Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die von ihm eingesetzte „Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen":
„Ich bin wirklich überrascht und in Sorgen, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge über Infrastrukturen das Wort redet." Die öffentliche Infrastruktur werde derzeit „völlig zerstückelt", es werde verschiedene Betreiber auf 20, 30 Jahre geben. Und damit sei eine einheitliche, effiziente Bewirtschaftung unmöglich.
Kommunen verlieren die Kontrolle
Bislang hätten verschiedene Beispiele aus der Vergangenheit gezeigt, dass Straßenbauprojekte der Kommunen mit an Investitionen interessierten Unternehmen und Konzerne unterm Strich teurer geworden seien, als eine Finanzierung mit Krediten. Zwar würde die Kommunen durch öffentlich-private Partnerschaften zwar die für die Länder geltende Schuldenbremse umgehen, dafür jedoch an Kontrolle und Einfluss auf ihre Einrichtungen verlieren.
Denn über eines müsse man sich klar sein: Die privaten Geldgeber, „wollen uns ja nicht beglücken und uns Geld schenken, sondern sie wollen eine Anlage, also eine Rendite erzielen". Und dies sei für den Staat immer teurer, als wenn er es auf eigene Rechnung und über günstige Kredite finanziere.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Was haben marode Brücken und Straßen mit Ihrer Altersversorgung zu tun? Nichts? Doch! Denn wenn es so kommt, wie das der Bundeswirtschaftsminister will, dann werden Ihre Altersversorgung und die sanierungsbedürftigen Straßen und Brücken mehr miteinander zu tun haben, als Sie annehmen! Und das geht so: Die öffentliche Infrastruktur braucht Geld, viel Geld. Alleine um den Bestand zu sichern, braucht es 80 Milliarden Euro, und zwar jedes Jahr. Nun könnte man sich Kredite besorgen, die sind beim derzeitigen Zinssatz sehr billig, jedoch das geht nicht. Denn der Bundestag hat ja beschlossen, keine neuen Schulden mehr zu machen, die berühmte Schuldenbremse!
Also holt sich der Bundeswirtschaftsminister Experten, einen Deutsche-Bank-Chef, eine Managerin der Allianz und einen Vorstand der Ergo Versicherung. Deutschlands Finanzkonzerne verwalten immerhin Billionen Euro, die sie gern anlegen würden, auch weil sie die Versprechungen der kapitalgedeckten Altersversorgung erfüllen wollen. Und so schließt sich der Kreis, deshalb also haben kaputte Straßen sehr wohl etwas mit Ihrer Altersvorsorge zu tun. Der Bund indes plant einen Systemwechsel. Der Straßenbau soll nicht mehr nur öffentlich, sondern in einer öffentlich-privaten Partnerschaft finanziert werden. Und deshalb will er nun eine Bundesautobahn-Infrastruktur-Gesellschaft gründen, die den staatlichen Fernstraßenbesitz übernimmt. Winfried Hermann vom Bündnis 90/Grüne ist Minister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg und in Stuttgart am Telefon, schönen guten Morgen!
Winfried Hermann: Guten Morgen!
von Billerbeck: Wie soll denn diese Bundesfernstraßen-Gesellschaft funktionieren?
Hermann: Also, wie das Ganze funktioniert, ist ja noch reichlich unklar. Bisher sind das ja sozusagen Meldungen in den Medien. Aber die alarmieren natürlich, denn es wäre tatsächlich ein Systemwechsel in Deutschland, wenn öffentliche Infrastruktur wie Straßen eben privatisiert werden. Denn das, was als ÖPP, als Öffentlich-Private Partnerschaft daherkommt, ist letztlich die Privatisierung von öffentlicher Verkehrsinfrastruktur. Und das sehen wir sehr skeptisch. Übrigens, auch eine Bundesgesellschaft wäre das Ende des Föderalismus in diesem Bereich. Also, da müsste das Grundgesetz geändert werden. Da gibt es also viel zu diskutieren.
von Billerbeck: Aber man könnte ja auch sagen, das ist möglicherweise doch eine gute Lösung, denn das Herumgemurkse beim Straßenbau wäre vorbei und Sie als Verkehrsminister eines Landes müssten dann nicht mehr beim Bund um Geld aus dem Bundeshaushalt betteln!
Transparenz der Mittelströme
Hermann: Also, richtig ist, dass das jetzige System reformbedürftig ist und dass man unbedingt die Abläufe verbessern muss und auch die Zuständigkeit besser klären muss. Da ist sicherlich Reformbedarf. Wir haben allerdings als Länder ja zwei Kommissionen gemacht, die das ganze Problem bearbeitet haben. Das war die Kommission unter dem früheren Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt Daehre und dem früheren Bundesverkehrsminister Bodewig. Und dort haben wir konkrete Vorschläge gemacht, wie man besser und anders finanzieren kann, wie man eine Auskömmlichkeit herstellt, im Wesentlichen zwei Elemente: Erhöhung der Haushaltsmittel, denn der Bund nimmt erhebliche Mittel aus dem Verkehr ein, aus Steuereinnahmen, und eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung, im Wesentlichen Ausweitung, und zwar deutliche Ausweitung der Lkw-Maut auf letztendlich das ganze Straßennetz.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen)
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen)© dpa / picture alliance / Daniel Naupold
Und das wäre eine auskömmliche Finanzierung und dann hätten wir auch nicht die Probleme, die wir heute haben. Und wir haben dazu gesagt, wir brauchen auch andere Abläufe, also eine Verlässlichkeit zwischen Bund und Ländern, Transparenz der Mittelströme und auch dringend eine Überjährigkeit. Denn wir haben ja ein Jährigkeitsprinzip bei der Mittelvergabe, was völlig anachronistisch ist angesichts der großen und teuren Infrastrukturprojekte.
von Billerbeck: Das gilt ja für alle Ausgaben. Welche Erfahrung hat denn Deutschland mit solchen öffentlich-privaten Partnerschaften, wie sie jetzt eben für den Bundesstraßenbau da in Aussicht gesetzt sind?
Hermann: Also, wir haben ja in den letzten 20 Jahren verschiedene Modelle unter der Überschrift ÖPP laufen. Und letztendlich sind alle nicht sehr erfolgreich gewesen. Denn viele sind probiert worden, aber dann nicht wiederholt worden. Am Ende war es sehr viel teurer für die öffentliche Hand. Der Bundesrechenhof hat das dem Bund und auch den Ländern sehr eindeutig gesagt, dass es sich in der Regel für die öffentliche Hand eher nicht rechnet, sondern nur am Anfang so aussieht, als würde es sich rechnen. Ich sage Ihnen mal ein Beispiel: Vor etwa 20 Jahren ist in Baden-Württemberg ein großer Autobahntunnel privat vorfinanziert worden, am Ende war er mehr als doppelt so teuer, wie wenn man ihn mit öffentlichen Mitteln gebaut hätte.
Und generell muss man mal sagen: Der Staat würde, wenn er die ÖPP-Finanzierung sucht, dann würde er sozusagen zwar keine direkten Schulden machen, aber dieser dann halbstaatlichen Gesellschaft die Verschuldung erlauben, also damit sozusagen die Schuldenbremse geschickt umgehen und gleichzeitig aber an Kompetenz und Einfluss verlieren. Denn eines muss einem ja schon klar sein: Die Gesellschaften, die Versicherungen wollen ja nicht uns beglücken und Geld schenken, sondern sie wollen eine Anlage, also eine Rendite erzielen. Und eine Rendite ist am Ende immer teurer, als wenn der Staat es sozusagen auf eigene Rechnung und in eigener Finanzierung macht mit günstigen Kreditkonditionen. Und was für die Länder besonders problematisch ist an den bisherigen Modellen: Öffentliche Infrastruktur wird im Moment völlig zerstückelt. Wir haben unterschiedliche Betreiber aus 20, 30 Jahren, und damit ist eine einheitliche Bewirtschaftung, die eher effizienter ist als eine Zerstückelung, wird zunehmend aufgelöst.
Also, wir haben ein ziemliches Durcheinander der Konzepte gerade. Und ich bin wirklich überrascht und in Sorge, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge über Infrastruktur das Wort redet.
Privatinvestoren erwarten Rendite
von Billerbeck: Das heißt, Sie erwarten – weil Sie ja gerade von Renditen sprachen, die diese privat beteiligten Unternehmen dann ja auch erwarten würden –, dass am Ende das Ganze vor dem Bundesrechnungshof landet, der das Projekt ja ohnehin mit Zweifeln, mit Argusaugen betrachtet?
Hermann: Er wird es sicherlich schon vorher prüfen. Und was jetzt dringend notwendig ist, wir müssen diese halböffentliche Debatte jetzt wirklich öffentlich führen. Also, im Bundestag und auch in den Landesparlamenten, in der Öffentlichkeit muss man wirklich mal öffentlich diskutieren, ob das ein kluges Modell ist, dass man, weil es gerade ein schlechtes Zinsniveau gibt für private Anleger, dass sie sich dann beim Staat melden und sagen, ach, wir würden euch gerne was finanzieren. Und der Staat ist dann so blöd und zahlt ihnen mehr Zinsen und gibt ihnen mehr Rendite, als sie auf dem privaten Finanzierungsmarkt bekommen. Und dann wird das Ganze noch als sozusagen soziale Wohltat und Reform des Straßenbaus angedient.
Und ich meine, wenn man was ändern will, kann man in den bestehenden Strukturen etwas ändern. Die Länder sind bereit, wir haben uns wirklich auch Gedanken gemacht in den Kommissionen, eben auch, wie man eine effiziente Straßenbauverwaltung machen kann. Das hat der Bund und die Kommission konsequent ignoriert, obwohl das einstimmig Beschlüsse waren der Verkehrsminister der Länder. Und noch nicht mal zwei Jahre ist es her, dass wir das verabschiedet haben. Und das wundert mich schon sehr, dass man da quasi das alles ignoriert und jetzt einen ganz anderen Weg geht.
von Billerbeck: Das klingt nach Widerstand aus Baden-Württemberg. Winfried Hermann war das, Minister für Verkehr und Infrastruktur, dort selbst über den Versuch, die Infrastruktur in einer öffentlich-privaten Gesellschaft zu finanzieren. Danke Ihnen!
Hermann: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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