Filmstudenten auf der verzweifelten Suche nach Ruhm

Von Gesa Ufer · 16.02.2012
Schon jetzt gilt er als erfolgreichster philippinischer Independentfilm aller Zeiten: "The Woman in the Septic Tank" - so der merkwürdige Titel dieses Films, der bei der Berlinale für viel Gelächter gesorgt hat. Es geht darin um drei Filmstudenten, die davon träumen, einen Oscar zu gewinnen. Gesa Ufer hat ihn sich gemeinsam mit einer echten Filmstudentin angesehen.
"Ich heiße Soleen Yusu, ich studiere an der Filmakademie Baden-Württemberg, bin jetzt im vierten Jahr, im Diplomjahr, und hab eben meinen Drittjahresfilm 'Trattoria' hier eingereicht – und ja! – der lief jetzt schon drei Tage, wir hatten am Montag Premiere, und es ist eine großartige Erfahrung, auf jeden Fall."

Von der Erfahrung wie dieser träumen die drei Protagonisten im Film "The Woman in the Septic Tank". Sie überlegen rein strategisch, was ein Film von den Philippinen mitbringen müsste, um international erfolgreich zu werden. Ihr Ergebnis: Es muss ein Plot her, der großzügig alle Klischees bedient, die über die Philippinen im Umlauf sind und sie nach Möglichkeit sogar noch übertrifft: eine wilde Mischung also aus Elend, Slum, Missbrauch und Prostitution.

Mit diesen Einstellungen beginnt "The Woman in the Septic Tank": Die Kamera zeigt eine Frau, die in einer armseligen Hütte Tütensuppe für ihre sieben hungernden Kinder zubereitet. Dann nimmt sie eins der Kinder, wäscht es über einer Regentonne, zieht es adrett an und geht mit ihm los, um es an einen reichen Freier zu verkaufen.

Immer weiter drehen die Studenten an dem Plot, um ihn noch greller, noch spektakulärer zu machen. Ernsthaft überlegen sie etwa, ob sie das Opfer des widerlichen Päderasten im Film lieber mit einem Junge oder einem Mädchen besetzen sollen. Oder – ob es nicht besser wäre, vielleicht gleich ein Slum-Musical zu drehen? Oder eine Soap mit aggressiver Produktwerbung?

Das Charmante: All diese Gedankenspiele werden gleich für die Zuschauer durchdekliniert. Immer abstruser werden die Filmvarianten, ohne dass die Studenten sich dessen bewusst sind. Irgendwann stehen die Drei auf einem Müllberg inmitten unbeschreiblichen Elends und jubeln hysterisch, weil sie meinen, einen perfekten Drehort gefunden zu haben. Soleen Yusuf von der Filmhochschule in Ludwigsburg gefällt das:

"Ich mag ja dieses Makabre, wirklich an die Grenzen gehen und auch dieses Überhöhte. Man erkennt sich auch in einigen Situationen wieder. Dass man einfach ... Die Leidenschaft so groß fürs Filmemachen, dass man leider manchmal sich selbst vergisst oder seine Prioritäten oder die Welt um sich herum vergisst, auch."

Der Titel des Films "Die Frau in der Klärgrube" ergibt sich übrigens aus der Schluss-Szene - einem fulminanten Showdown: Den drei Filmstudenten ist es gelungen, eine berühmte Schauspielerin für ihr Elendsdrama zu engagierten. Zu fast allem haben sie die Schauspielerin überreden können: Nacktszenen, Stunts, Sexszenen – nur die Szene in der Klärgrube weigert sie sich zu spielen. Die nächste Einstellung zeigt die Schauspielerin bei den Dreharbeiten.

Während der Pause passiert es: Sie stolpert und landet in einer unfassbar widerlichen Klärgrube. Und weil sie ja nun ohnehin schon drin steckt, lässt sie sich überreden, die Szene kurzerhand doch zu spielen.

Für die junge Filmstudentin Soleen Yusuf durchaus eine Metapher aufs Filmemachen überhaupt:

"Ob das jetzt das Schreiben des Buches oder der ersten Stoffidee – also auch während dem Dreh und nach dem Dreh - kommt man immer wieder an Scheiß-Punkten an. Also, wo man das Gefühl hat, irgendwo funktioniert auch gar nichts mehr. Oder: Warum mache ich das eigentlich. Und trotzdem zieht man das auch irgendwie durch, weil´s eben ja – das ist auch ein schönes Bild, wie sie da unten eigentlich (lacht) tief in der Scheiße schwimmen muss und keine andere Wahl hat, weil sie eben dieser Rolle zugesagt hat – also das zu machen. Weil es eben ihre Aufgabe ist. Und ich glaube, so erfüllt halt jeder seine Position."

Die einen haben dabei mehr Glück, die anderen weniger. Soleen Yusuf hat mit nur 24 Jahren ihren Film "Trattoria" auf der Berlinale und ist überglücklich, der Regisseur von "The Woman in the Septic Tank", Marlon Rivera, dürfte es auch sein. Das Berlinale-Publikum jedenfalls liebt diese schräge Komödie.

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