Filmkritikerin Renate Holland-Moritz

Die Eule im Kino wird 80

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Als Redaktionsküken beim "Eulenspiegel" kam Renate Holland-Moritz zur Kinokritik. © dpa / picture alliance
Von Matthias Biskupek · 27.03.2015
Sie gilt als eine der bekanntesten deutschen Filmkritikerinnen: Renate Holland-Moritz. Seit 1960 schrieb sie für das Satriremagazin Eulenspiegel. Ob DEFA-Filme oder Hollywood-Produktionen, ihre Kritiken sind geliebt und gefürchtet. Jetzt wird sie 80.
Gesungen hat sie also auch noch, damals, 1979, gemeinsam mit ihrem Eulenspiegel-Kollegen John Stave. Da war Renate Holland-Moritz längst DIE Kino-Eule, bis heute hochverehrt. Bettina hat die Verehrung quasi geerbt:
"Meine Mutti brachte mich damals drauf, ich glaube, ich hab von ihr alle Bücher – bis auf eins, bis auf das erste – und ich hab da sehr viel Freude bei empfunden und ich glaube, sie hat dazu beigetragen, dass ich auch über mich selber lachen kann."
Verehrt – und gehasst.
"Auf die Geistesblitze der Holland-Moritz, die sich doch nur aus dümmlichem Geifern und wütendem Gekläff zusammensetzen, verzichten wir gerne. Wetten, dass ihr das nicht druckt?"
Die Meinung des Herrn Hakri aus Potsdam wurde im "Eulenspiegel" gedruckt. Eine erste Sammlung der Kino-Kritiken war damals in Vorbereitung. Die Holland-Moritz hatte Kurzgeschichten, Reportagen, Glossen geschrieben, gesammelt auch in allerlei Bänden, darunter "Das Durchgangszimmer", eine Geschichte aus Berlin-Pankow. Davon später.
Ihre Berliner Wurzeln sind nicht zu überhören. Der Bindestrich-Name aber ist keine emanzipatorische Ehe-Anzeige, sondern thüringisches Erbe. In Steinbach-Hallenberg hießen und heißen ganze Sippen Holland-Cunz. Oder Holland-Moritz. So auch ein junger Handwerker und Kommunist, der in den 1920ern aus der Heimatschlucht gen Berlin türmte. Und auch nach 1933 nicht vom Kommunismus lassen wollte.
"Sein Werk I war das Romanische Café und dort hat er hochinteressante und für ihn auch politisch wichtige Bekanntschaften gemacht, die übrigens noch fortwirkten bis in meine Kindheit, also bei uns war ein zwar nicht regelmäßiger aber doch gelegentlicher Besucher Erich Kästner; ich hab noch Liesl Kisch gut gekannt, Egonek war ja lange schon tot, also all diese Leute, Friedrich Hollaender, hat mein Vater im Romanischen Café kennengelernt und auch ausreichend hübsche junge Damen."
Und eine davon ...
"Also zu seinen interessanten Damenbekanntschaften gehörte eine sehr aparte Artistin, die gerade, ich glaube im Wintergarten auftrat und im Kabarett der Komiker und die hatte außer ihrem interessanten Beruf eine Eigenschaft, die mein Vater über alles schätzte – sie schwieg weitgehend. Sie ließ ihn reden. Als sie ihm mitteilte, dass diese Beziehung Folgen gehabt hätte, hat er sie sogar geheiratet, was sonst nicht in seiner Natur lag. Ich weiß gar nicht ganz genau, wie viele Halbgeschwister ich habe – aber: es sind etliche."
Nach dem Krieg war die Ehe der Eltern zu Ende
Dieses eine Kind aber wollte Papa Holland-Moritz kennenlernen. Doch dann ...
"... kam alles Übel zugleich. Seine Widerstandsgruppe ist aufgeflogen, durch Verrat, er musste fliehen, nun hatte er Frau und Kind am Hals, fliehen, wohin, aus Berlin. 1935 war für ihn schon klar, es wird Krieg geben, wo wird der Krieg in erster Linie stattfinden? In den Großstädten, wo Industrie, speziell Waffenindustrie gibt. Wo war so etwas nicht? In seinem Heimatnest, in Steinbach-Hallenberg. Dorthin ist er mit neugeborenem Baby, als wie icke, und Gattin geflohen, fand Unterschlupf bei seinen etlichen Brüdern. Das waren alles Nazis, aber gutartige. Also zumindest fromme. Fromm genug, um ihren roten Bruder - wollten sie doch immerhin beschützen vor ihrer eigenen braunen Sippschaft."
So wurde er jedes Mal gewarnt, wenn die Gestapo ihren Ortskommunisten besuchen wollte.
"Haussuchung im Anmarsch. Dann hat mein Vater alles versteckt, was ihm hätte gefährlich werden können. Am allergefährlichsten war eine Sache, die er aus seiner Berliner Widerstandszeit mitgenommen hatte: Eine Pistole. Des fand ich einerseits sehr aufregend, dass er so was hatte und andererseits sehr jefährlich. Ich hatte doch durchaus als Kind schon den Eindruck: Manche Sachen soll man nicht machen. Das geht nicht. Das kann tödlich enden. Und da hat er immer gesagt: Das soll es auch. Wenn sie mich erwischen. Lebend ergebe ich mich denen nich. Und wenn nun die Gestapo-Männer im Anmarsch waren, dann - kriegte ich meine große Funktion. Es wurde an den Griff der Pistole eine Strippe jeknüpft. Dann wurde die Pistole ins Klo gebaumelt. Die Strippe wurde über die Brille gelegt. Und ich hatte mich aufs Klo zu setzen. Für die Dauer der Haussuchung."
Der Krieg war zu Ende, die Ehe der Eltern auch – die halbwüchsige Renate landete dort, wo sie hingehörte.
"Ich fühlte schon immer: Das, was in meiner Geburtsurkunde stand, geboren in Berlin, am Wedding, am Roten Wedding. Ich wollte das respektiert wissen, dass ich sozusagen aus der Hauptstadt kam. Und dafür erfährst Du ja in der Provinz nur Schimpf und Schande. Eigentlich völlig zu recht. Dass die Berliner dann auch weiterhin, und dann später aus politischen Gründen, weil sie in einer üblen Weise bevorzugt wurden, jehasst waren in der Provinz – alles verständlich. Aber als kleenes Kind verstehste sowat ja überhaupt nich. Also ich sehnte mich nach meiner Heimatstadt und fühlte mich ihr lange schon verbunden, bevor ich sie je betreten hatte. Aber als ich dann eben hier war, hat es dann auch sofort geklappt."
Berlin klappte wunderbar, anderes nicht. Sie ging in die Hegel-Schule in Köpenick und glaubte, nie das Abitur zu schaffen.
"Dann sagte eines Tages ein mir eigentlich zugeneigter Chemielehrer, der völlig verzweifelt war, dass ich nu immer noch nix begriffen hatte, holte mich an die Tafel und sagte dann also wirklich in heller Verzweiflung: Wie kann ein intelligenter Mensch so dämlich sein. Es ist unfassbar, Chemie ist so einfach – und hat dann, um noch eins draufzusetzen, gesagt: Aus Ihnen wird überhaupt nichts. Es sei denn, Sie gingen zum Film oder zur Presse."
Eine allererste Humoreske für die National-Zeitung
Folglich schmiss sie die Schule und bewarb sich bei der Zeitung.
"Ich war sechzehn und ganz dünn und ganz klein, klein bin ick immer noch, kam da ins Vorzimmer und dann passierte janz lange nüschd. Und irgendwann kam der Chefredakteur raus, fragte mich: Wann kommt denn nun ihre Frau Mutter? Ich sagte: Ich bin es aber selbst. Und hat er gesagt: Wir sind hier keine Kinderbewahranstalt. - Aber ich hab Schule geschmissen. Und ich möchte gerne lernen ein Journalist zu werden, Redakteurin. - Und da hat er gesagt. Entschuldigung, wir sind hier keine Kinderbewahranstalt. Gehen sie erst noch mal zur Schule. Bisschen erwachsener dürften sie schon noch werden."
Renate Holland-Moritz
Renate Holland-Moritz© Das Neue Berlin Verlags GmbH dpa/lbn
Das wurde sie, etwas. Lernte Steno und Schreibmaschine – das eine vergaß sie sofort, die Maschine traktiert sie bis heute mit zehn Fingern - verfasste Gerichtsreportagen für die "National-Zeitung" und eine allererste Humoreske, die sie an den "Eulenspiegel" schickte. Postwendend - ein Brief. Der bewunderte Hansgeorg Stengel hatte geschrieben, denn ihre Geschichte ...
"... sei bereits im Druck und falls ich in angemessenen Grenzen hübsch sei, könne ich doch mal bei ihm vorsprechen – und zwar dann und dann. Das lief auch alles gut und dann fragte er so ganz beiläufig: Können Sie eigentlich dichten? Genauer gesagt: Reimen? Und da dachte ich – zu früh gefreut, nu is alles vorbei. Hab jesagt, nee, genau das eine kann ich nicht. Entweder es reimt sich oder es hat'n Sinn. Beides zusammen jelingt mir nich. Und da hat er den schönen Satz gesagt: Dann können Sie bleiben. Dichten kann hier jeder Idiot."
Für das Folgende müssen wir wissen: was ist Berlinisch?
"Es wird gesprochen vom Berlinischen Humor. Ich bestreite das. Der Berliner hat kaum Humor. Der Sachse hat Humor, vielleicht noch stellenweise der Thüringer. Der Berliner hat Witz. Ganz schnellen, bösartigen Witz, den er aber immer nich böse gemeint haben will."
Das Vorbild für den späteren Bucherfolg "Das Durchgangszimmer" stand in der Maximilianstraße, Ecke Berliner, in Pankow. Man findet sogar eine Passantin, die den Namen Holland-Moritz gehört hat.
"Jaja, die hat mal hier gewohnt, hat meine Mutter oft von gesprochen, ich selber war da noch ein Kind, also ich hab sie nicht gekannt."
Im Buch wird das Haus beschrieben:
"Plötzlich, inmitten der Häuserzeile, erhebt sich wie ein altersschwacher Backenzahn unser Haus. Sein Abriss wäre Verschwendung gewesen, denn es ist noch intakt, von Schwamm, Feuchtigkeit und abbröckelnden Putz ist keine Rede. Und so steht es nun als ein Rudiment vergangener, unfreundlicher Zeit, ein bisschen verloren in all der modernen, nutzvollen Pracht, ein bisschen verloren und ein bisschen rührend."
Unsentimentaler Berliner Witz
"55, als ich freiberufliche Gerichtsreporterin war und ich hatte dort eine Zimmerwirtin, die war sozusagen das Urbild einer liebevoll-tyrannischen Berliner Schlummermutter, also so der Prototyp einer unsentimentalen, gefühlsmäßig gewalttätigen Person, die also darauf bestand, dass ich mich so benähme, als wäre ich ihre Tochter."
Der unsentimentale Berliner Witz der Holland-Moritz ging so weit ...
"... dass ich also genau diese Schlummermutter in der Erzählung 'Das Durchgangszimmer' abjebildet hab und in dem Haus auch lauter Leute unterjebracht hab, die ich im Laufe meiner Berliner Jahre, die ja so um 1950 begannen, kennengelernt hatte, natürlich alles, mehr oder weniger originelle Typen."
Als die Kinokritikerin längst bekannt, ja berühmt war, fielen ihre Bücher filmproduzierenden Einrichtungen auf. Zumal im Jahr 1972 ein Ruf aus führendem Parteimunde erscholl, dass UNSERE MENSCHEN doch auch mal lachen sollten.
"In der selben Woche haben mich zwei Dramaturgen anjerufen, einer vom Fernsehen, das war der Hermann Rodigast, der selber ein ganz erfolgreicher Drehbuchautor war, der wollte also, dass "Das Durchgangszimmer" fürs Fernsehen verfilmt wird, und Willi Brückner, Dramaturg bei der DEFA, wollte, dass "Graffunda räumt auf" verfilmt wird. Beim Durchgangszimmer hamse den Titel jemacht, beim Fernsehen, "Florentiner 73", watt ick völlig bescheuert fand, aber dasse "Graffunda räumt auf", dasse daraus "Der Mann, der nach der Oma kam", gemacht haben, das fand ich originell und schön."
Warum schreibt sie heute nicht mehr solche Humoresken?
"Ich hab mich zu DDR-Zeiten über unendlich viele Dinge ungeheuer geärgert. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass es nich veränderbar sei. Ich hatte die Hoffnung – aber auch das ziemlich sichere Jefühl, dass es dialektisch zugeht. Dass der Mensch und die Welt veränderbar ist. Diese Art hoffnungsvollen Lachens ist mir vergangen. Ich hab keine Hoffnung mehr."
Als Redaktionsküken in der großen Runde
Damals hingegen, als hoffnungsfrohe Anfängerin - wie begann es mit den Kino-Kritiken im "Eulenspiegel"? Das Redaktions-Küken saß zunächst allwöchentlich bei der Heft-Auswertung in großer Runde ...
"Ich sagte etwas zu der Kinokritik des von mir am meisten beneideten Kollegen, der hieß Hans-Joachim Stein, war ein exzellenter Autor, aber ich beneidete ihn, weil der über Kino schreiben konnte – was ich so gerne wollte. Und der hatte gerade über einen Film geschrieben, den ich auch gesehen hatte, in Westberlin – war 1959 – 'Nachts wenn der Teufel kam', war von Robert Siodmak. Und dies war eigentlich der erste wirklich antifaschistische, westdeutsche Film – und Adorf war großartig in seinem Debüt – und Hans-Joachim Stein hatte im Eulenspiegel geschrieben, dass es ein saublöder Film mit einem unsäglichen Hauptdarsteller sei und es stellte sich dann raus, bei gezielten Fragen, weil ich den Film ja grade gesehen hatte, dass der Stein überhaupt nicht wusste, worüber ich sprach. So dass auch der Chefredakteur Heinz H. Schmidt mitkriegte: Dieser Himmelhund Stein hatte den Film nicht gesehen. Woraufhin ihm die Kolumne sofort entzogen wurde. Mal musste der, mal musste jener – und die hatten alle keene rechte Lust. Und als ich das merkte, wie schleppend die das machten, da hab ich etwas getan, dessen ich später nicht mehr fähig gewesen wäre. Ich habe auf blauen Dunst was geschrieben. Ich habe Kino-Eulen auf Vorrat geschrieben, für den Fall, dass mal einer nich liefert. Und dieser Fall trat ein. Genau ein Jahr später. 1960. Seit der Zeit hab ich's gemacht."
Genau in diesem Jahr, 1960, wurde ein gewisser Knut Elstermann geboren, derzeit meistbeschäftigter Filmkenner.
"Durch Renate Holland-Moritz' Texte habe ich überhaupt erst mal gelernt, was Filmkritik ist, denn das waren die ersten Filmkritiken, die ich bewusst gelesen habe, im 'Eulenspiegel', also die Kino-Eule hatte für mich absolute Verbindlichkeit, was sie empfohlen hat, hab ich gesehen, was sie abgelehnt hat, hat mich nicht interessiert. Später hab ich dann noch die große Freude gehabt, Renate Holland-Moritz selbst kennenzulernen, erst mal mit großer Ehrfurcht, die – ja - Göttin der deutschen Filmkritik, aber ich hab sehr schnell gemerkt, dass sie vollkommen unprätentiös ist, dass sie zu jungen Leuten, was ich damals eben war, zu Berufsanfängern überhaupt keine Herablassung zeigt."
Manchmal ganz schön fies
Und in der Rückschau, was hat die Kino-Eule sonst so verzapft?
"Ich habe mal aus lauter Neid, aus Neid auf eine Frau, die so schön und so wohlgeformt war, wie ich gern gewesen wäre, hab ich so hundsjemein jeschrieben."
"Der aufrechte Gang des schwedischen Fleischbergs ist eine flagrante Verletzung des Schwerkraftgesetzes und dürfte vor allem Statiker in Erregung versetzen."
"Das war Anita Ekberg."
Und die kürzeste Filmkritik?
"Es gab mal einen wunderbaren französischen Film, der hatte einen Welterfolg, einen wirklichen Welterfolg, auch in politisch beiden Welten, der hieß 'Der große Blonde' und darüber habe ich auch eine Eloge geschrieben und dann passierte, was immer passiert, wenn ein Erfolg fortgesetzt wird. Es ist immer der zweite Aufguss, es wird nie was Richtjes, in diesem Fall hatten sie gemacht: 'Der große Blonde kehrt zurück' und da konnte ich, anstelle dieser ersten Eloge mich mit einem Satz begnügen und der hieß – nach Nennung des Titels: Das hätte er lieber nicht tun sollen."
Was muss eine Kinokritikerin am meisten beachten?
"Ich habe in meiner Laufbahn als Filmkritikerin eine Warnung zu spät erhalten. Das war die von dem berühmten RIAS-Theater-und-Filmkritiker Friedrich Luft, der jesagt hatte: Man solle sich nie mit Leuten, mit denen man sich irgendwann mal aus beruflichen Gründen irgendwann kritisch auseinandersetzen muss, man solle sich mit denen niemals auf den Duzfuß stellen. Das bringt immer Schwierigkeiten. Das, wie gesagt, hatte ich nicht gewusst und es war mir schon massenhaft unterlaufen. Die DDR war so klein, man traf die Leute überall, in allen Klubs, in der Möwe – und wenn se nett waren, und viele waren sehr nett – manche sogar intelligent – was bei Schauspielern nicht zwingend Voraussetzung ist, so dass man sich auch anfreundete und natürlich aufm Duzfuß stand."
Einer dieser Duzfreunde war der Kameramann des berühmten Regisseurs Konrad Wolf, Werner Bergmann. Der aber wollte – oder musste und sollte – einen eigenen Film drehen. Der war misslungen - und die Holland-Moritz in der Bredouille: Duzfreund, großartiger Mensch – und grauenhafter Film ...
"Also habe ich und zwar wirklich unter Tränen, und hab lange, lange Zeit jebraucht, hab ich einen Verriss jeschrieben. Dis is erschienen und ich konnte nich schlafen aus lauter Angst vor der Reaktion – und auch aus Angst, dass überhaupt keine Reaktion käme. Es kam aber eine. Nach vierzehn Tagen kam ein Brief von Werner Bergmann. Und in dem hat er jeschrieben: Er habe die Zeit gebraucht, um mit diesem Schlag in die Magengrube fertig zu werden. Aber jetzt hätte er es einigermaßen geschafft und er müsse sagen: Was wäre Freundschaft ohne Wahrheit."
"Ich schätze an ihr ihre Präzision"
Fragen wir heute nach der Wahrheit. In einer einstigen Stammkneipe der Holland-Moritz, im "Metzer Eck":
"Renate -- – Renate Holland-Moritz - Ach Du Scheiße, ewig her, ewig her, - Eulenspiegel Filmkritik – ja, ich erinnere mich."
"Eulenspiegel"-Chefredakteur, Mathias Wedel, muss nicht so lange nachdenken – wenn er durch die Hallen der Eulenspiegelredaktion eilt:
"Renate gehört zum Eulenspiegel – sozusagen zum Label, so wie Tucholsky zur 'Weltbühne'. Ich schätze an ihr ihre Präzision – und dass sie sich durch keine Pointe korrumpieren lässt, also sie ist keine Pointenjägerin: Präzision und Schärfe – aber, neben dem, was man von ihr weiß, hat sie noch eine andere Fähigkeit ausgebildet und ich würde sogar sagen: Eine Zivilisationstechnik, die in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt ist. Renate ist der Mensch, der besonders gut - schlecht über andere Menschen sprechen kann."
Und wie schlecht spricht die Kino-Eule über jenes Kino, das sie im vergangenen Vierteljahrhundert beobachtete und beschrieb?
"Ich glaubte, in den 40 DDR-Jahren alle Schrecken, die man im Kino erleben kann, erlebt zu haben. Und ich musste danach zugeben – Oh nein! Es kam weitaus schlimmer. So viel Schrott, wie sich heutzutage im Kino versammelt, das war einst für mich nicht vorstellbar. Das hätte ich mir auch ökonomisch nich vorstellen können, dass man so mit Geld umgeht. Es werden beispielsweise im Jahr weitgehend durch öffentliche Mittel, also Steuermittel, gefördert, im Jahr über 200 deutsche Filme gemacht. Es kommt davon nicht mal die Hälfte ins Kino. Und von dieser Hälfte bleibt kaum die Hälfte länger als ne Woche. Im Kino. Das ist eine solche Vergeudung!"
Richtig wütend kann sie also werden. Margit Voss charakterisiert ihre Kritikerkollegin so:
"Renate ist erstaunlich belesen. Ich glaube, sie liebt die Literatur mehr als den Film und – sie ist eine glühende Verteidigerin und Kennerin der deutschen Sprache. Vor 25 Jahren, also wir kannten uns schon mindestens ebenso lange, schenkte mir Renate einen kleinen Kaktus. Er steht bis heute neben meinem Computer und misst inzwischen so etwa 130 Zentimeter. Man sagt ja, dass ein Geschenk auch den Schenkenden charakterisiert. Der treue Leser der Kino-Eule wird feststellen, dass Renate auch stachlig pointiert formuliert. Ohne Angst verteidigt sie bis heute ihre Lebensmaximen, so aufrecht wie mein langer, grüner Kaktus, der stolz darauf ist, ein Kaktus zu sein."
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