Filmgeschichte

Der Übervater des portugiesischen Autorenfilms

Der Portugiesische Regisseur Manoel de Oliveira
Der Portugiesische Regisseur Manoel de Oliveira © picture alliance / dpa / Foto: Ricardo Castelo
Wolfgang Hamdorf im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 11.12.2014
Seinen ersten Stummfilm hat Manoel de Oliveira 1931 gedreht. Und noch immer steht der 106 Jahre alte Portugiese hinter der Kamera. Der ganz große Publikumserfolg ist dem Regisseur zwar nicht gelungen, dennoch hat er maßgeblich die Filmgeschichte seines Landes geprägt.
Korbinian Frenzel: 106 Jahre wird er heute alt und er macht immer noch Filme. Und Manoel de Oliveira ist längst ein Stück Filmgeschichte.

Wolfgang Hamdorf: Manoel de Oliveira, der einzige noch aktive Regisseur, der schon zur Stummfilmzeit gearbeitet hat. Im vergangenen Jahr kam sein bisher letzter Kinofilm, die portugiesisch-französische Produktion "O Gebo e a Sombra" (auf Deutsch: "Gebo und der Schatten"), für die Viennale, dem internationalen Filmfestival in Wien produzierte er im Sommer dieses Jahres den Festivaltrailer. In seinen mehr als 60 Filmen spiegelt sich auch die Filmgeschichte als Ganzes wider. Er erlebte fast alle technischen Umbrüche, vom Stumm- zum Tonfilm, vom Schwarzweiß- zum Farbfilm und von analogen zum digitalen Aufnahmetechniken. Seinen ersten Film realisierte er 1931, ein Dokumentarfilm über den Douro-Fluss der in seiner Heimatstadt Porto ins Meer mündet. Dieser erste Film war ganz stark von der Avantgarde seiner Zeit geprägt. Oliveira war in seinen ersten Filmen ganz experimentell, sprengte den formellen Rahmen.
Frenzel: Ist Oliveira auch ein politischer Regisseur gewesen?
Hamdorf: Er hat in seinen ersten Filmen auch die bittere Armut und die sozialen Gegensätze des Landes gezeigt und das missfiel dem faschistischen Salazar-Regime, so erzählt etwa sein erster Tonfilm "Aniki Bóbó" von 1942 die Geschichte verarmter Kinder, die er mit Laiendarstellern inszenierte. Danach konnte Oliveira bis zum Ende der Diktatur 1974 nur einzelne Dokumentationen und drei Spielfilme fertigstellen.
Frenzel: Weltweit bekannt wurde er besonders auch durch die Zusammenarbeit mit internationalen Stars.
Hamdorf: Seit den 1970er-Jahren wurden prominent besetzte Autorenfilme sein Markenzeichen, unter anderem mit Marcello Mastroianni, Catherine Deneuve, John Malkowich und Michel Piccoli.
Frenzel: Was macht den besonderen Stil der Filme Manoel de Oliveiras aus?
Hamdorf: Seine Filme sind meistens sehr eng mit der portugiesischen Literatur verknüpft, mit literarischen Vorlagen, deren Duktus er oft bewusst altmodisch in die Gegenwart verlegte: mit langen Einstellungen und Dialogen und wenigen Schnitten. Der eigentümlich antiquierte und doch poetische Stil hatte seine ganz eigene Magie, seine Filme begeistern weltweit die Filmkritiker, der große Publikumserfolg blieb ihnen allerdings nicht nur in Portugal versagt.
Frenzel: Manoel de Oliveira ist sicherlich der weltweit bekannteste portugiesische Regisseur. Wie ist generell die Situation des portugiesischen Films?
Hamdorf: Der portugiesische Film hat selten die großen Blockbuster geschaffen, war meist experimentierfreudiger Autorenfilm. Die Marktquote des portugiesischen Films liegt in den portugiesischen Kinos bei etwas über fünf Prozent. (Zum Vergleich, der spanische Film hat in den heimischen Kinos 25 Prozent der Zuschauer erreicht, in Deutschland sieht es ähnlich aus). In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise ist der portugiesische Film in große Schwierigkeiten gekommen. Staatliche Subventionen wurden gestrichen.
Überleben können auch Filmemacher wie Manoel de Oliveira mit internationalen Koproduktionen. So kommen etwa ein Dutzend bis 20 Kinofilme zusammen. Dabei ist das Verhältnis zur staatlichen Filmförderung seitens der Filmemacher sehr gespannt. So bezeichnete der 81-jährige Regisseur José Fonseca e Costa bei der letzten Verleihung der SOPHIA, der portugiesischen Filmpreise, die Filmförderung als "Königreich trauriger Bürokraten" und forderte, die Kreativität müsse endlich wieder den portugiesischen Film bestimmen.