Filmemacher in Spanien

Kampf um grundlegende Werte

Die spanische Regisseurin Iciar Bollaín (r) posiert mit der Schauspielerin Anna Castillo während einer Präsentation ihres Films "El Olivo" für die Fotografen.
Die spanische Regisseurin Iciar Bollaín (r) mit der Schauspielerin Anna Castillo während einer Präsentation ihres Films "El Olivo" © imago / Agencia EFE
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 28.06.2016
Spanien befindet sich seit neun Jahren in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Wie der spanische Film die vielen Probleme verarbeitet, wird auf der Exportfilmmesse "Madrid de Cine" sichtbar - zum Beispiel in "El Olivo" von der Regisseurin Iciar Bollaín.
Zahlreiche Demonstranten versammeln sich zu nächtlicher Stunde vor der Zentrale eines großen Energiekonzerns in Düsseldorf. Unter ihnen Alma, eine junge Spanierin. In der großen Eingangshalle des Konzerns steht ein 2000 Jahre alter Olivenbaum, der gehörte Almas Großvater. Aber die Familie hatte ihn gegen seinen Willen vor Jahren verkauft, der Bürgermeister wollte Bestechungsgeld, für eine Baugenehmigung.

Alma will den Olivenbaum zurück

Jetzt will Alma den Baum zurück in ihr spanisches Dorf bringen. Für die 22-jährige Schauspielerin Ana Castillo verkörpert Alma alle jungen Spanier und Spanierinnen, die gegen die politischen und sozialen Verhältnisse in ihrer Heimat rebellieren:
"Das Wichtigste an Alma ist: Sie kämpft um ganz grundlegende Werte. Ich glaube nicht, das sie dabei alle politischen und ökologischen Aspekte im Blick hat, aber sie sieht, dass in der Krise verbindliche Werte, Gefühle und Bindungen verloren gegangen sind, dass Menschen sich gegenseitig schaden, um des Geldes willen."
"Der Olivenbaum" ("El Olivo") ist ein gelungenes Beispiel für ein sozial engagiertes Kino, das auf ein großes Publikum zielt. Regisseurin Iciar Bollaín mischt elegant den politischen Film mit dem Familiendrama und dem Roadmovie. Der Baum wird zum Symbol für den Ausverkauf von kulturellen und sozialen Werten, Almas Familie spiegelt den ganze Niedergang der spanischen Gesellschaft in den letzten Jahren wider.

Die soziale Wirklichkeit ist bitter

Auch andere spanische Filmemacher zeigen die bittere soziale Wirklichkeit des Landes in Genrefilmen, etwa in einem Musical über die Zwangsräumung verschuldeter Familien aus ihren gepfändeten Wohnungen.
Korruption und Krise haben auch den konventionellen Genrefilm erreicht: Banken werden ausgeraubt, um dort gelagerte geheime Listen korrupter Politiker zu vernichten, bis in die letzte andalusische Strandbar reicht der Arm der Mafia, und andere Filme erzählen von gnadenloser Ausbeutung in der Arbeitswelt. Der Schauspieler Fernando Cayo verkörpert in dem Thriller "La Punta del Iceberg", "Die Spitze des Eisbergs", einen knallharten Unternehmer: Zur Effizienzsteigerung treibt er seine Angestellten bis in den Selbstmord.
"Es ist ein Thriller über die Arbeitswelt. Das (ist) eine Mischung die immer häufiger zu finden ist, übrigens auch im amerikanischen Kino: Thriller mit einer sozialen Komponente und einer spannenden Geschichte. Ich glaube, das ist für den Zuschauer interessant, dass es eben keine reine Unterhaltung ist, sondern Unterhaltung mit einem gesellschaftskritischen Element."
In den Filmen zur Krise verkörpern die Banken das Böse in einem erstarrten Wirtschaftssystems, das den Einzelnen ausbeutet, ihn seiner Wirklichkeit entfremdet und vernichtet. Die Korruption und die Verfilzung der geschäftsführenden Eliten, der gigantische Reichtum an der Spitze, während die kleinen Leute Arbeit und Wohnung verlieren, sind aber auch Thema vieler spanischer Komödien.

Gefährliche Wut und Panik

Ein Hochgeschwindigkeitszug bremst und bleibt auf offener Strecke stehen. Es ist der 31. Dezember und über die kastilische Hochebene pfeift ein kalter Wind. Es gibt keine Verbindungen mehr nach Außen. Ein junger Franzose arabischer Herkunft löst eine gefährliche Wut und Panik unter den Reisenden aus. Für Regisseur Juan Cruz ist sein jüngster Film "Incidentes" ("Vorfälle") eine Satire über die zunehmende Panik und Fremdenfeindlichkeit, die Spanien und ganz Europa beherrscht:
"Das Leben gibt dir immer eine Gelegenheit, das Schlechteste von dir zu zeigen, besonders dann, wenn ein Hochgeschwindigkeitszug einfach stehenbleibt: In unserem Land weiß man, was passiert, wenn der Zug einfach stoppt: Zuerst geht der Alkohol aus, dann gibt es kein Essen mehr und dann endet auch die gute Erziehung."

Komödien sind das beliebteste Genre

Die Komödien sind nach wie vor das beliebteste Genre des spanischen Films und haben die Zuschauer trotz der starken Wirtschaftskrise wieder in die Kinos gelockt. Die Komödien "Ocho Appellidos Vascos" ("Acht baskische Nachnamen") und deren Fortsetzung "Ocho Apellidos Catalanes" ("Acht katalanische Nachnamen") wurden zu den erfolgreichsten Blockbustern der spanischen Filmgeschichte. Es geht um katalanischen und baskischen Nationalismus, und beide Filme leben in erster Linie vom Lachen über regionale Vorurteile zwischen Andalusiern, Basken und Katalanen. Auch Clara Lago, die Hauptdarstellerin beider Filme, war von dem großen Erfolg überrascht:
"Für Spanien war dieses Thema über viele Jahre ein Tabu, aber vielleicht wollten die Menschen endlich einmal darüber sprechen und auch einmal darüber lachen. Die Filme kamen aber auch zu eine Zeit in die Kinos, als die Leute nichts zu lachen hatten und endlich einmal wieder richtig lachen wollten."
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