Filme der Woche

Einsamer Ermittler der alten Schule

Liam Neeson als Privatdetektiv und ehemaliger Polizist Matthew Scudder in einer Szene des Films "Ruhet in Frieden - A Walk Among The Tombstones".
Liam Neeson als Privatdetektiv und ehemaliger Polizist Matthew Scudder in einer Szene des Films "Ruhet in Frieden - A Walk Among The Tombstones". © dpa/ Foto: Atsushi Nishijima / Universum Film GmbH
Von Hans-Ulrich Pönack · 12.11.2014
Liam Neeson gibt in "Ruhet in Frieden" den hartgesottenen, lakonischen Ex-Cop, der sich jetzt als Privatdetektiv verdingt. Jetzt muss er die Entführer eines Drogenbosses ausfindig machen.
Der Genre-Hüne mit dem melancholischen, "angewiderten” Blick, für den Part ist seit geraumer Zeit keiner so geeignet und erfolgreich wie der irische Schauspieler Liam Neeson. Der heute 62-Jährige, der 1994 eine "Oscar"-Nominierung als "Bester Hauptdarsteller" für "Schindlers Liste" von Steven Spielberg bekam, danach in den neuen "Star Wars"-Folgen als Jedi-Meister Qui-Gon Jinn auftrat und als "sanfter Papa" in "Tatsächlich ... Liebe" (2003) Gutmütigkeit verbreitete, wechselte in den letzten Jahren die filmische Charakter-Seite, um als sympathischer wie verzweifelter Actionhero reihenweise Bösewichter zu jagen und fertig zu machen. Siehe etwa die beiden "96 Hours"-Streifen von 2008/2012 (Kino-Teil 3 folgt am 8. Januar 2015), als Chef von "A-Team – Der Film" (2010) oder zuletzt in "Non-Stop" als irritierter, verzweifelter Flugzeug-Cop.
Hier heißt er Matt Scudder, ist Ex-Polizist und trockener Alkoholiker. Acht Jahre zuvor baute er im Dienst versehentlich Mist, als bei der Verfolgung dreier Gangster ein Querschläger ein Kind traf und tötete. Matt quittierte den Polizeidienst, gab das Saufen auf und verdiente sich seitdem seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv ohne Lizenz.
Konventionelle Ermittlungsmethoden
Er findet sich als Sündenbruder damit ab, sich abwechselnd zwischen Herumdackeln, Milieu-Schnüffeleien und Aufenthalte bei den Anonymen Alkoholikern zu bewegen. Dabei interessieren ihn neue Techniken wie Mobiltelefon oder Internet überhaupt nicht; Matt vertraut weiterhin den althergebrachten Ermittlungsmethoden und kommt auf seine konventionelle Weise halbwegs über die Runden. Matt hat sich sowieso längst daran gewöhnt, irgendwo "mittendrin" und doch "außerhalb" zu leben. Mittendrin im Niemandsland von unanständigen und guten Bürgern; und fernab jeder halbwegs "normalen" Existenz.
Ein neuer Fall führt ihn mitten hinein in die geordnete Parallelwelt. Erpresser, die ihre Opfer nach Lösungsgeldübergabe killen, haben sich nun auch an einem Drogenboss vergriffen. Matt wird beauftragt, die Täter ausfindig zu machen. Und stößt nach mühseligen Recherchen auf zwei Psychopathen, völlig Gestörte von der Drogenfahndung als "genüssliche" Serien-Killer, denen es weniger um die Kohle als vielmehr um den "sadistischen Kick" geht. Und die aufzuspüren sich als außerordentlich schwierig erweist.
Film noir alter Schule
"Ruhet in Frieden" ist ein atmosphärischer Noir-Krimi alter Schule. Duftet nach besonnener, cooler detektivischer Handarbeit, benötigt keine reißerischen Action-Einlagen, sondern Regen, die Nacht und einen desillusionierten Kerl mit hochgekrempeltem Mantel-Kragen zum Schutz gegen die New Yorker Winterkälte. Und weil er sich doch meistens "draußen" aufhält auf den düsteren Straßen. Sein Partner wird dort ein obdachloser kleiner schwarzer Bursche, TJ (Brian "Astro" Bradley), der clever genug ist, auf sich erfolgreich aufmerksam zu machen, als Recherche-Helfer und Kumpel.
Liam Neeson mimt Matt Scudder stoisch wie "verlässlich", unangestrengt in einer lakonischen wie präsenten Körpersprache, die an den Robert Mitchum-Philip Marlowe aus "Fahr zur Hölle, Liebling" von 1975 amüsant erinnert. Ohne Helden-Posen, dafür mit viel grummelndem Charisma und spannender Knochigkeit. Der Fall selbst stammt aus dem Jahr 1992, wurde schön-schäbig aufgeputzt und zur "verunsicherten" Milleniumzeit angesiedelt, besitzt einigen Pulp-Charme, vermag gutmütig-altmodisch punkten. Besitzt nichts von dieser kalten Fälle- und Technik-Sauberkeit heutiger (TV-Serien-)Krimis, sondern hantiert noch bravourös mit einem "amtlich" unechten, markigen, identifizierbaren Detektiv.
Autor Scott Frank, 54, der für sein Drehbuch zu "Out of Sight" von Steven Soderbergh 1998 eine "Oscar"-Nominierung bekam und für solch gescheite Filme wie "Das Wunderkind Tate"; "Malice – Eine Intrige" - "Schnappt Shorty" - "Minority Report" oder "Marley und Ich" unterhaltsame Drehbücher verfasste, begann 2006 auch als Regisseur zu arbeiten. Debüt: "The Lookout" / "Die Regeln der Gewalt".
Für seinen zweiten eigenen Film bediente er sich des nostalgischen Kriminalfilm-Klimas vergangener Epochen und kriegt die Spannungskurve vor allem dank seines wunderbar mühelos auftretenden Charakterspezis Liam Neeson solide hin. Während sein Drehbuch mitunter schon etwas trocken "hinkt". Was aber Liam Neeson eben toll überspielt.

"Ruhet in Frieden" / "Walk Among the Tombstones"
USA 2014. Regie: Scott Frank
Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, u.a.
Länge: ca. 114 Minuten