Filme aus einem zerrissenen Land

Von Igal Avidan · 14.02.2008
"Lemmon Tree" erzählt die Geschichte eines ungleichen Kampfes: Aus Sicherheitsgründen soll ein Zitronenhain abgeholzt werden. Doch die palästinensische Besitzerin wehrt sich gegen das Ansinnen des übermächtigen Gegners. Der Film "Sharon" zeigt, dass der ehemalige Premierminister einen Prozess in Gang gesetzt hat, den wohl nur er selbst hätte zu Ende bringen können.
Salma Zidane ist eine 45-jährige palästinensische Witwe aus einem Dorf im Westjordanland. Ihre Kinder haben das kleine Haus längst verlassen und der Zitronenhain, den sie von ihrem Vater geerbt hat, und mit dem sie sich über Wasser hält, ist Salmas ganze Welt. Die Zitronen legt sie ein, presst sie, um frische Limonade zuzubereiten, die sie aber allein genießt.

Eines Tages zieht ein neuer Nachbar in die benachbarte große Villa auf der anderen Seite der Grenze ein: der israelische Verteidigungsminister. Flugs errichtet die Armee einen Wachposten mitten in Salmas Hain, den der israelische Geheimdienst ohnehin abholzen will. Denn zwischen den Zitronenbäumen könnte sich ein Terrorist verstecken und das Leben des Ministers gefährden. Doch die bedürftige Palästinenserin will nicht nachgeben. Sie engagiert einen jungen Rechtsanwalt und zieht in einen ungleichen Kampf vor israelische Gerichte.

Salmas Geschichte erzählt der neue israelische Film "Lemon Tree", zu Deutsch: "Zitronenbaum". "Lemon Tree" feiert derzeit auf der Berlinale seine Weltpremiere. Regisseur Eran Riklis:

"Als ich von der Geschichte einer Frau gehört habe, die versucht, ihre Bäume vor dem Staat Israel zu retten, interessierte sie mich sofort. Auch meine früheren Filme handeln von einfachen Menschen, die versuchen, sich gegen ein großes System zu schützen. Vielleicht haben sie eine Chance, gerade weil sie schwach wirken und allein gegen die Behörden stehen."

Im Wahlkampf 2003 hat Eran Riklis Werbespots für die Arbeitspartei gedreht, die die Sperranlage als die Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern gerühmt hat. Riklis findet diese Trennung sehr problematisch, weil sie den Dialog und daher einen friedlichen Kompromiss verhindert.

"Die Mauer in meinem Film ist auch eine ideologische und seelische Barriere, ein äußerer, aber auch innerer Wall. Denn auch die Palästinenserin muss gegen Mauern in der eigenen Gesellschaft und der eigenen Seele kämpfen. Auch der israelische Minister verbarrikadiert sich hinter einer emotionalen Mauer, indem er das Problem mit dem Hain seiner Nachbarin von sich weist und die Lösung allein den Sicherheitskräften überlässt."

Die Ohnmacht des Machthabers kommt ausgerechnet während seiner großen Einweihungsparty zum Vorschein. Während der Verteidigungsminister mit einer bekannten Sängerin vor seinen zahlreichen Gästen ein optimistisches Lied singt, wird er durch einen Anschlag von der palästinensischen Seite des Zaunes wachgerüttelt.

Die Errichtung der Sperranlage im Westjordanland war einer Entscheidung des damaligen Premierministers Ariel Sharon. Aber warum hat Sharon, der sogenannte "Vater der Siedler" alle jüdischen Siedlungen im Gazastreifen zerstören lassen? Diese Frage versucht Regisseur Dror Moreh in seinem neuen Dokumentarfilm "Sharon" zu beantworten. Als Soldat im ersten Libanonkrieg, der enge Freunde dort verloren hat, schätzt er Sharon nicht besonders. Während der Wahlkämpfe 2000 und 2003 begleitete Dror Moreh Ariel Sharon als Kameramann:

"Er ist ein sehr empfindlicher Mensch, unglaublich witzig, zynisch, schlau und mit einem außerordentlichen Gespür für Menschen. Einmal saß Sharon in einer Kabinettssitzung, als die Dienstfrau Tee ausschenkte. Ein führender Minister schob das Glas von sich weg und beschwerte sich, der Tee sei zu kalt. ‚Bring mir heißen Tee!’ verlangte er laut. Sharon zwinkerte seinem Bürochef. 20 Minuten später erzählte er über den Unabhängigkeitskrieg, in dem er schwer verwundet war und von seinem Kameraden in glühender Hitze durch die Felder getragen wurde. ‚Ich starb vor Durst, so dass, als wir endlich zu einer Pfütze kamen, tranken wir sofort, obwohl das Wasser faul war. Währenddessen erhoben wir den Kopf und sahen im Wasser die Leiche eines jordanischen Soldaten. Dennoch tranken wir weiter’. Dann schaute Sharon dem Minister in die Augen und sagte: ‚Wer damals solches Wasser trinken musste, würde heute die Teebringerin nicht beschimpfen’. Der Minister hat seine Lektion gelernt."

Dror Moreh zeigt in seinem Film, dass Sharon die Sperranlage als die vorläufige Grenze Israels betrachtete und alle Siedler östlich des Zauns evakuieren lassen wollte. Am Tag nach Sharons Hirnschlag im Januar 2006 beschloss Filmemacher Moreh seinen Film "Sharon" zu drehen, der in Israel bereits großes Aufsehen erregte. Trotz des beruflichen Erfolgs blickt der israelische Bürger Dror Moreh pessimistisch in die Zukunft:

"Unsere größte Tragödie als Volk ist, dass die Führer, die in der Lage waren, große Taten zu vollbringen, von der Bühne der Geschichte abtraten. Der Oslo-Prozess wurde wegen der Ermordung Yitzhak Rabins gestoppt. Und Sharon hat einen Prozess begonnen, den nur einer hätte beenden und damit den Staat Israel weiterbringen können: Ariel Sharon."