Film "Der Schamane und die Schlange"

Der Amazonas frei von Exotik-Klischees

Eine südamerikanische Trommel, wo eine Schlange und ein Schamane abgebildet sind.
Eine südamerikanische Trommel, wo eine Schlange und ein Schamane abgebildet sind. © Imago / UIG
Von Burkhard Birke · 16.04.2016
Die Zuschauer sollen in die Welt des Amazonas eintauchen, ohne dass gängige Klischees den Blick trüben. Der Regisseur Ciro Guerra hat seinen Film "Der Schamane und die Schlange - Eine Reise auf dem Amazonas" ganz bewusst in Schwarzweiß gedreht. Belohnt wurde Guerra mit einer Oscar-Nominierung.
Ein paar vergilbte schwarz weiß Fotos, Bücher über den deutschen Amazonas Forscher Theodor Koch-Grünberg und den Amerikaner Richard Evans Schultes gaben den Anstoß: Der Schamane und die Schlange erzählt ihre Geschichte und viel mehr:
"Ich hatte einen Traum von einem weißen Geist, der krank und einsam war, und der - nur wenn er träumen lernte - überleben konnte."
Der grandiose indigene Laiendarsteller Antonio Bolívar in der Rolle des Schamanen Karamatake. Einziger Überlebender seines Stammes im Film hilft er dem erkrankten Forscher Koch-Grünberg auf der Suche nach Yakruna, einer vermeintlichen Heilpflanze. Mehr als drei Jahrzehnte später trifft er Evans Schultes, der auf den Spuren des deutschen Forschers im Amazonas wandelt. Das Ganze spielt Anfang des letzten Jahrhunderts. Wie von magischer Hand gesteuert verschwimmen Raum und Zeit in diesem grandiosen schwarz weiß Epos des kolumbianischen Regisseurs Ciro Guerra.
"Wir wollen den Zuschauer zu einer einzigartigen Erfahrung einladen, in die Welt des Amazonas einzutauchen, dessen Bewohner ein völlig anderes Zeitverständnis haben! Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen und existieren parallel. Hinzukommt der Schock der Kulturen, der traditionellen mit der westlichen, so dass man Ende nicht mehr weiß, was Traum und was Wirklichkeit ist. Beides verschmilzt miteinander. Im Amazonas stoßen wir an Grenzen, da kommen wir mit unserer westlichen Logik nicht mehr weiter."

Durchgeknallte Missionare

Ganz bewusst verzichtet Ciro Guerra auf einen chronologischen Handlungsverlauf, mischt Historie mit Legende, Vergangenheit und Gegenwart, Realität mit Fiktion, wobei er den Zuschauer auf faszinierende Weise wachrüttelt: Kautschukplantagen, durchgeknallte Missionare, einer, der sich für den neuen Messias hält, Umweltverwüstung: Die Gespenster des Kolonialismus, der Zeit der Amazonasforscher Koch-Grünberg und Evans Schultes sind alles andere als vertrieben, im Gegenteil: Neue sind hinzugekommen. Ton- vor allem Farbton-angebend sind indes jene schwarz-weiß Fotos der Amazonas Pioniere: Ein Grund, weshalb der in Kolumbien wegen seiner Oskar-Nominierung gefeierte Regisseur, den Film unbedingt in schwarz-weiß drehen wollte:
"Diese Fotos zeigen einen Amazonas frei von Exotik, frei von überbordender Natur, wie sie die Tourismusindustrie propagiert. Dadurch, dass wir schwarz-weiß gefilmt haben, kreieren wir eine andere Vision, nehmen den Zuschauer in eine andere Zeit mit. Es gäbe viele Gründe, schwarz-weiß zu drehen, aber ehrlich gesagt, ich hätte den Film gar nicht anders drehen können: In Farbe wäre der Film etwas völlig anderes, ja das Gegenteil von dem geworden, was ich beabsichtigt hatte."

Einzigartigkeit der bedrohten Völker

Drei Monate in der kolumbianischen Vaupes Region, an der Grenze zu Brasilien, in sieben Wochen überwiegend mit Laiendarstellern in neun, meist indigenen Sprachen abgedreht, verlangte dem Team und dem Regisseur viel ab.
Für Ciro Guerra war es wie ein Dreh mit Untertiteln: Die indigenen Sprachen versteht er nicht, wohl aber Emotionen und er spürt, ob diese echt sind, sagt er im Exklusivinterview mit Deutschlandradio.
Auszug Film: "Viele verlieren sich, einige kommen nie zurück, aber diejenigen, die kommen sind bereit für alles …."
"Für einige Leute ist es ein Film über die Kolonialzeit, für andere ein Abenteuer- oder Horrorfilm, über Erkenntnisse, manche sehen Wunderschönes andere Schreckliches.. Ich möchte ein offenes Kino machen, wo jeder Zuschauer das mitnehmen kann, was seiner Seele Nahrung gibt."
Und das ist nicht zu viel versprochen: Der Film ist alles außer pädagogisch: Abenteuer, Horror und Historienfilm zugleich rückt er den Amazonas, seine gefährdete Schönheit, die Einzigartigkeit seiner bedrohten Völker und seine teils grausige Geschichte auf beeindruckende Weise ins Bewusstsein der Zuschauer.
Mehr zum Thema