Film-Crowdfunding

Kleine Spende, großes Kino

Für den 90-minütigen Kinofilm "Stromberg - Der Film" macht das Team der imaginären Capitol-Versicherung einen Betriebsausflug.
Szene aus dem Kinofilm "Stromberg - Der Film", der zum Teil per Crowdinvesting finanziert wurde. © picture alliance / dpa
Von Christian Berndt · 26.12.2014
In den USA ist Crowdfunding für Kinofilme eine Alternative zur klassischen Produktion geworden: Auf Online-Plattformen wie Kickstarter und Indiegogo tummeln sich viele private Investoren. Doch wie erfolgversprechend ist das Modell in Deutschland?
"Was ist denn da hinten los?"
"Ich tröste Dich. Du hast gerade eine schwere Zeit."
"Danke, Baby, Trost kann ich im Moment gut gebrauchen."
Ein Mitdreißiger in der Krise. Die erfolgreiche, amerikanische Tragikomödie "Wish I was here" erzählt eine zeittypische Geschichte vom Leben in krisenhafter Unsicherheit. Nichts Ungewöhnliches. Aber was den neuen Film des amerikanischen Regisseurs und Schauspielers Zach Braff zum Gesprächsthema machte, ist die Finanzierungsmethode: Braff hat den Film per Crowdfunding mitfinanziert. Auf Kickstarter konnten seine Fans Geld beisteuern – als Gegenleistung gab es zum Beispiel für 600 Dollar ein Treffen mit dem Regisseur. Allerdings hatte Braff einen Finanzier im Hintergrund. Für einen ganzen Film reicht Crowdfunding nicht, wie der Filmwissenschaftler Wolfgang Mühl-Benninghaus meint:
"Wenn Sie sich anschauen, wie groß der Markt von Hollywood ist und wie viele Beispiele wir kennen, die auch in den USA über Crowdfunding refinanziert worden sind, ist das relativ bedeutungslos. Also Crowdfunding ist mit Sicherheit kein Projekt, das die Filmindustrie dauerhaft refinanzieren wird. Dafür sind die Beträge, die in den Film hineinfließen - zehn, 20 Millionen - einfach viel zu groß."
Film-Crowdfunding in Deutschland wird populärer
So geht es Regisseuren wie Braff oder Hollywood-Star James Franco, der über Crowdfunding Unterstützung für die Verfilmung seiner Kurzgeschichten suchte, vor allem um größere Unabhängigkeit. Die Begeisterung von Fans kann als Anstoß für ein Filmprojekt dienen, wie vor knapp drei Jahren bei Science-Fiction-Parodie "Iron Sky" über eine Nazi-Kolonie auf dem Mars. Für den Film des finnischen Regisseurs Timo Vuorensola konnten Fan-Unterstützer Ideen einbringen und als Statisten mitwirken. Im Vergleich zu den USA ist der Film-Crowdfunding-Sektor in Deutschland winzig - aber er wächst rasant.
"Stromberg – der Film" war dieses Jahr das prominenteste deutsche Beispiel für die Schwarmfinanzierung. Für die Kinoversion der Kult-Fernsehserie "Stromberg" hatten die Macher drei Monate eingeplant, um die veranschlagte Summe von einer Million Euro zu sammeln, bereits nach fünf Tagen war das Geld zusammen. Aber es gibt bei Stromberg einen entscheidenden Unterschied – der Film wurde nicht über Crowdfunding, sondern Crowdinvesting mitfinanziert, wie Stromberg-Erfinder Ralf Husmann erzählt:
"Wir haben das ja bewusst als Investition gemacht und gesagt, so wie es beim ganz klassischen Aktienkauf auch wäre, wo man, wenn man VW-Aktien erwirbt, auch keine Mitsprache beim nächsten Modell hat, wir wollten daraus bewusst jetzt nicht so einen Stuhlkreis machen, wo wir jetzt alle noch mal darüber diskutieren, wie es weitergeht."
Crowdinvesting: Rendite statt Mitsprache
Das Investing-Konzept, bei dem es anders als beim Crowdfunding Geld zurück gibt, hat funktioniert – es konnte ein Gewinn mit einer Rendite von 17 Prozent ausgeschüttet werden. Die Unterstützung der Fans war für den Film entscheidend:
"Wir haben ja auch immer gesagt, dass wir ohne das Geld der Crowdfunder den Film nicht gemacht hätten. Wir haben natürlich ganz klassisch versucht, Förderung einzusammeln, haben wir auch bekommen. Aber das hätte nicht gereicht, um den Film in der Form machen zu können, wie mir ihn hätten machen wollen. Und wir wollten ja ganz bewusst eben nicht so ganz klassisch an die großen Verleiher rangehen, weil wir diese Unabhängigkeit, die wir im Fernsehen hatten, auch ins Kinogeschäft retten wollten."
"Stromberg" hat allerdings eine große Fangemeinde hinter sich. Für ambitionierte Filme jenseits des Mainstreams ist die Schwarmfinanzierung schwierig, wie Mühl-Benninghaus sagt:
"Im Spielfilm sehe ich die Chancen sehr, sehr gering. Was man sicher festhalten muss ist, dass beim Crowdfunding, jetzt für den deutschsprachigen Raum, einfach die Bevölkerung viel zu klein ist. Wo soll das Geld also herkommen? Beim Dokumentarfilm ist das sicher anders. Dokumentarfilme sind wesentlich billiger. Ich glaub einfach, dass es hier sicher möglich ist, mit Hilfe von Crowdfunding Themen zu besetzen, die bisher offen geblieben sind."
Erfolgsmodell für Dokumentarfilme?
Filmausschnitt: "SEXarbeiterin ist ein Film über mich. Ich bin Sexarbeiterin in Berlin. Ich biete Tantramassagen, erotische Massagen und SM an."
Für seinen Dokumentarfilm hat der Regisseur und Max-Ophüls-Preisträger Sobo Swobodnik über Monate eine Sexarbeiterin begleitet. Nicht das Thema ist unbedingt neu, aber Swobodniks Ansatz:
"Der Film wird sehr stark mit den Klischees aufräumen. Es wird ein Schwarz-Weiß-Film, ein sehr schöner Film, werden und der über diese Sexarbeit hinaus das Leben dieser Lena Morgenroth zeigt. Die eben eine Beziehung hat, sie geht von 9 bis 18 Uhr zur Arbeit, sie hat einen Freundeskreis, mit dem sie Spielabende macht."
Weil der Film radikal subjektiv aus dem Leben der Sexarbeiterin erzähle, ohne das Thema Prostitution repräsentativ zu erörtern, sei es – so Swobodnik – unmöglich gewesen, Fördergelder zu bekommen. Deshalb hat er eigene Mittel verwendet und für die in den nächsten Monaten anstehende Postproduktion zum Crowdfunding der besonderen Art gegriffen:
"Letztendlich haben wir versucht, uns mit dem Thema schon sehr profund auseinanderzusetzen, und es ging dann so weit, dass wir gesagt haben: Okay, wenn wir einen Film über Sexarbeit machen, dann prostituieren wir uns einfach selbst. Das heißt also, in diesem Zuge der Crowdfunding-Kampagne haben wir das Angebot gemacht, selbst sexuelle Dienstleistungen auszuführen. Und das war uns eigentlich ganz wichtig, dass wir versuchen, möglichst nahe an das Thema ranzukommen."
Auch bei diesem Film sind die Crowdfunding-Beträge der bisher erfolgreichen verlaufenen Kampagne nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und die Kampagne kostet großen Aufwand. Aber sie bringt auch Aufmerksamkeit. Ob Schwarmfinanzierung eine lohnende Option für Filmemacher werden kann, ist schwer abzusehen. Thematisch könnte sie spannende Veränderungen ins deutsche Kino bringen.
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