Fies, aber lecker?

Von Christian Welp · 20.12.2012
Die Stopfleber ist eine Delikatesse, die in Frankreich an den Festtagen auf dem Menüplan fast jeder Familie steht. Gourmets schwärmen von ihren Aromen. Doch Tierschützer laufen Sturm gegen die grausame Herstellung, bei der Enten und Gänsen gewaltsam Futterbrei in den Magen gepumpt wird.
"Santé! Bon noel!"

Im Konferenzraum einer kleinen Sprachschule im Zentrum von Bordeaux feiern die Dozenten ein Weihnachtsfest. Es gibt Champagner, süßen Wein, Austern und Entenstopfleber. Eine Lehrerin schneidet die Foie Gras in dünne Scheiben und legt sie auf Briochestücke. Dann wird gemeinsam probiert:

"Mmh, il est bon! Oui, il est bon. Ca va. Delicieux! Ca va. Mmh, très, très bon!"

Foie Gras kennt hier jeder seit den Kindertagen. Im Südwesten Frankreichs wird Stopfleber traditionell an den Festtagen gegessen. Dass es Menschen gibt, die ein Problem mit der Delikatesse haben, löst bei einer Lehrerin Verwunderung aus:

"Ich kenne niemanden, der ein Problem mit der Foie Gras hat. Das einzige Problem ist, dass man nicht aufhören kann, sie zu essen."

"Die Foie Gras gehört zu Frankreich wie das Baguette und der Wein", erzählen die Lehrerinnen noch. Und: ein Weihnachtsfest ohne Stopfleber ist kein Weihnachtsfest.

Stopfleber gibt es in jedem kleinen Eckladen in der festlich geschmückten Einkaufsstraße in Bordeaux. Einige Feinkostläden haben sich sogar ganz auf den Foie-Gras-Verkauf spezialisiert.

"Es gibt die Entenstopfleber ganz oder als Block, also aus mehreren Lebern zusammengefügt."

Angeboten werden die Gänse- und Entenstopflebern in kleinen Einmachgläsern und in vielen Variationen, zum Beispiel getrüffelt oder mit Portwein.

Kurz vor dem Fest flanieren hier Bordelais, die noch letzte Weihnachtseinkäufe machen. Stopfleber gehört dazu:

"Das ist sehr traditionell, ein bisschen aus der Mode, aber wirklich gut, aber es sind eher die Eltern, die das essen."
"Ich vergöttere sie."
"Ja, ich liebe die Foie Gras."
"Vor allem an Weihnachten isst man viel Foie Gras, mit Champagner oder einem Sauternes-Wein. Sie ist etwas Spezielles und mit keinem anderen Produkt vergleichbar."

60 Kilometer südöstlich von Bordeaux betreibt Laurent Le Chevalier einen Bauernhof. Er hat sich ganz auf die Stopfleberproduktion spezialisiert. Die Entenküken setzt er zuerst in einen beheizten Stall, später leben sie einige Wochen frei auf der Weide. Im Alter von acht bis zehn Wochen beginnt er mit dem Stopfen.

Monsieur Le Chevallier, die Pfeife im Mund und die Baskenmütze auf dem Kopf, zeigt, wie es geht:

"Jetzt geht es in den Stopfstall. Hier sind die Enten. Sie werden zweimal am Tag gestopft, morgens und abends, 15 Tage lang."

Im Halbdunkel des Stalls sind rund 50 Enten zu erkennen, die Seite an Seite in winzigen Eisenkäfigen stehen. Sie können sich weder umdrehen noch ausstrecken. Beim Eintreten schnattern die Tiere aufgeregt, einige recken den Hals nach vorne, öffnen den orangefarbenen Schnabel, als warteten sie schon auf die nächste Stopfladung. Laurent le Chevallier wirft die Futtermaschine an.

Dann packt er die erste Ente mit der linken Hand am Hinterkopf, drückt ihr mit der rechten ein goldenes Rohr in den Schlund. Jetzt wird dem Tier ein Maisbrei in den Magen gepumpt.
Einige Tiere wehren sich heftig, schlagen mit dem Hals hin und her.
Nach wenigen Minuten sind alle Tiere gestopft. Nach zwei Wochen sind die Enten schlachtreif. Ihre Leber wiegt jetzt ein Vielfaches des normalen Gewichts.
Monsieur Le Chevallier zündet sich seine Pfeife an und lächelt. Er fürchtet nicht, dass sein Geschäft bald verboten wird:

"Wenn man uns das Stopfen verbietet, werden wir andere Tiere züchten, Perlhühner oder Hasen. Wir richten uns nach den Kunden, aber ich bin nicht beunruhigt, dass Frankreich das Stopfen in den nächsten Jahrhunderten verbietet, weil die Tradition zu fest in der französischen Kultur verankert ist. Wir werden auf jeden Fall aufpassen, die Tiere nicht zu misshandeln, das ist gut, aber ich bin nicht sehr besorgt. Das Stopfen wird in Frankreich so schnell nicht verboten."

"Das ist eine Schande. Es ist entsetzlich, das zu sehen. Das ist Folter."

Aber der Widerstand formiert sich gegen Monsieur Le Chevallier und seine Kollegen. Die französische Tierschutzorganisation L214 ist wenige Tage vor Heiligabend in Paris unterwegs und macht mit einem Infostand auf der Champs-Élysées auf das Leid der gestopften Tiere aufmerksam.

Auf Plakaten sind misshandelte Gänse und Enten zu sehen, eine Unterschriftenliste liegt aus, "Für ein sofortiges Stopfverbot in Frankreich" steht darauf. Die Tierschützer bieten eine "Faux Gras" zum Probieren an, eine falsche Stopfleber:

"In der Faux Gras sind Speiseöl, Trüffel und Champagner und alles ist vegetarisch."

Das Interesse an dem vegetarischen Stopfleberersatz hält sich in Grenzen. Die Tierschützer wirken etwas verloren auf der Champs-Élysées. Nirgendwo haben sie es so schwer wie in Frankreich, erzählt die Sprecherin Brigitte Gotière:

"Die Foie Gras ist in Frankreich kulturell fest verankert, mit einem völlig falschen Bild davon, was sie eigentlich ist, mit einer Aura des Luxus und der Festlichkeit. Deswegen ist unser Ziel aufzuklären, zu zeigen, wie die Stopfleber produziert wird und wie die Tiere leiden."

Wenn die Menschen von der Tierquälerei erfahren, so hofft Brigitte Gotière, werden sie keine Foie Gras mehr kaufen. Ein paar Hundert Unterschriften sammeln die Tierschützer an diesem Tag im Zentrum von Paris. Die meisten stammen von ausländischen Touristen, in deren Heimatländern die Produktion von Stopfleber längst verboten ist.
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