Feuer auf den Ramblas

Von Wolf Martin Hamdorf · 31.01.2009
Das Opernhaus "Liceu" an Barcelonas Flaniermeile, den Ramblas, war seit seiner Gründung im Jahre 1847 der Stolz des selbstbewussten katalanischen Bürgertums. Vor 15 Jahren wurde das traditionsreiche Gebäude durch einen Brand völlig zerstört - mit Folgen für die Besitzverhältnisse des Hauses.
Das Feuer brach am Vormittag des 31. Januar 1994 zwischen halb und viertel vor elf aus, und bald stand das ganze "Liceu", das altehrwürdige Opernhaus Barcelonas, in Flammen. Auf dem Spielplan stand "Mathis der Maler" von Paul Hindemith, in der Inszenierung von Goetz Friedrich.

Die Ursache für den Brand war wenig spektakulär: Der eiserne Vorhang für den Brandschutz sollte repariert werden. Arbeiter schweißten die Metallverstrebungen der Halterung im Theatersaal. Dabei gelangten vermutlich Funken an die Decke und schlugen Feuer. Adela Rocha, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Opernhauses:

"Das Feuer wurde ganz schnell unkontrollierbar, da war nichts mehr zu machen. Wir mussten das Gebäude ganz schnell verlassen. Das Theater und vor allem der Bühnenraum waren mit altem Holz verkleidet. Schon Jahre vorher wurde über eine Erweiterung des Theaters diskutiert, denn wir waren uns der Gefahr durchaus bewusst, aber es war nicht so einfach möglich, das Gebäude zu erweitern."

Das Liceu liegt an den "Ramblas" mitten in der Altstadt, eingezwängt von Wohn- und Geschäftshäusern. Benachbarte Grundstücke zu enteignen, war den privaten Besitzern des Theaters nicht möglich. Denn im Gegensatz zu anderen europäischen Großstädten, in denen die Monarchen Opernhäuser errichten ließen, entstand das "Liceu" als Gründung Opern-begeisterter katalanischer Großbürger, wie Unternehmern der Textilbranche.

1847 war es eingeweiht worden, als Vorbild diente die Mailänder Scala. In wenigen Jahren wurde das "Liceu" zur kulturellen Gralsburg der Liebhaber Wagners und Verdis und zu einem der wichtigsten Musiktheater Europas - und das zu einer Zeit, als die Oper im übrigen Spanien nahezu unbedeutend war. Queralt Vallcorba von katalanischen Kulturinstitut Ramón Llull:

"Die Gründung dieser Oper war eine Pionierleistung. Katalonien erlebte in dieser Zeit einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung, und das einflussreiche Bürgertum in Barcelona forderte kulturelle Aktivitäten und anspruchsvolle musikalische Unterhaltung."

Das Opernhaus spiegelt als Hort bürgerlicher Repräsentationskultur auch die bewegte Geschichte Barcelonas wieder. Schon einmal, 1861, war das Haus völlig abgebrannt, 1936, zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges, wurde das "Liceu" verstaatlicht und in "Nationaltheater von Katalonien" umbenannt. Mit Beginn der Franco Diktatur übernahmen die alten Besitzer wieder die Leitung.

Doch auf Dauer konnte das gute alte Bürgertheater, das von seinen Mitgliedern finanziert und organisiert wurde, die hohen Spielkosten nicht mehr alleine tragen. Seit den 1980er-Jahren war es von staatlichen Subventionen abhängig. Erst nach dem Brand änderten sich die Besitzverhältnisse:

"Beim Neuaufbau wurde das Theater von einer Stiftung übernommen, deren Träger verschiedene politische Institutionen sind. Die ursprünglichen Eigentümer, bzw. deren Erben, traten ihre Ansprüche an das spanische Kulturministerium, die Landesregierung Kataloniens und die Stadtverwaltung ab. Ein Sponsorenrat, in dem regionale und multinationale Firmen vertreten sind, garantiert eine größere finanzielle Unabhängigkeit des Theaters."

Nach mehr als fünfjähriger Bauzeit wurde das Opernhaus am 7. Oktober 1999 wiedereröffnet. Anwesend war das spanische Königspaar und gespielt wurde Puccinis Oper "Turandot." Das Gebäude war durch den Ankauf von Grundstücken erweitert worden. Das Theater wurde mit neuester Technik ausgestattet, Spiegelsaal und Theaterraum wurden originalgetreu rekonstruiert.

Mit seinem klassischen und modernen Repertoire gehört das "Liceu" heute wieder zu den weltweit wichtigsten Opernhäusern. Die Zahl der Opernabonnenten stieg nach der Wiedereröffnung von 7000 auf 15.000.