Fein gesponnene Liebesanbahnungsgeschichten

18.04.2011
Von der Groteske zur Parodie: In den vier Geschichten, die dieser Band versammelt, zeigt die jugendliche Jane Austen Facetten ihres großen Könnens - mit denen sie ihre späteren Romane so meisterlich auszustatten wusste.
Vorab sei es gleich gesagt: Bei diesem Manesse-Band mit Erzählungen von Jane Austen handelt es sich keineswegs um unbekannte Fundstücke aus dem Nachlass der Autorin, noch nicht einmal um überarbeitete Übersetzungen. Nichts Neues also auf dem Markt, den die Verlage seit Jahren mit immer neuen Kombinationen aus dem Frühwerk der Autorin überschütten. Auch das Haus Manesse mischte kräftig mit bei dieser Austen-Rallye.

Dennoch verdient die neue Edition gesonderte Aufmerksamkeit. Sie hat einen eigenen Reiz. Denn in den vier Geschichten zeigt die jugendliche Autorin Facetten ihres großen Könnens. Ob Satire ("Lady Susan"), Groteske ("Liebe und Freundschaft"), Parodie (" Drei Schwestern") oder psychologischer Realismus ("Catharine oder die Laube") – die Erzählungen führen wie ein Musterkoffer Stillagen vor, mit denen Jane Austen ihre späteren Romane so meisterlich auszustatten wusste. In den "Juvenilia", wie sie mitunter abschätzig genannt werden, erprobt Austen ihre Fähigkeiten viel unbekümmerter, voller Lust am Experiment, mit dem "Klang von Gelächter" (Virginia Woolf), also mit einem überbordenden Sinn für Komik.

So persifliert die Meisterin der fein gesponnenen Liebesanbahnungsgeschichten in der Titelerzählung "Lady Susan" nicht nur die damals modische Gattung des Briefromans. Sie wagt es auch, mit maliziöser Spottlust ein veritables Biest zur Heldin zu erheben: "Lady Susan", eine mittellose Witwe mittleren Alters, schön, raffiniert, geistreich und mit allen Wassern der Verstellungskunst gewaschen, liegt in Ermangelung einer eigenen Familie der ihres verstorbenen Gatten auf der Tasche, spielt raffiniert deren Mitglieder gegeneinander aus und hat dabei nichts anderes im Sinn, als für sich selbst und ihre ungeliebte Tochter einen wohlhabenden Partner zu angeln.

In "Liebe und Freundschaft" macht sich die Autorin lustig über stets von sich ergriffene, romantische Seelen, die reihenweise in Ohnmacht fallen und dann die eigene standesgemäße Heirat verpassen. Doch, so das seufzende Resümee, das frech den empfindsamen Roman durch den Kakao zieht: Was wäre eine solche Heirat schon wert, wenn der Bräutigam nicht einmal "Werthers Leiden" gelesen hat.

Oder die "Drei Schwestern". Da tricksen sich drei junge Mädchen aus, die endlich unter die Haube gebracht werden sollen. Die älteste lässt sich an einen übellaunigen, alten Geizhals verschachern, der statt ihrer auch die beiden anderen nähme, nur, um den Schwestern gegenüber die Nase vorn zu haben.

Außer "Catherine" in der letzten Geschichte, die unter dem Regiment einer strengen Tante ein tristes Leben führt, bis ein junger Mann ungestüm die Bühne betritt, ist keine der Figuren in Austens frühen Erzählungen richtig sympathisch. Dafür präsentieren diese köstlichen Gesellschaftskomödien in Prosa ein ganzes Pandämonium menschlicher Eigenschaften in Gestalt von schrecklichen Eltern, enervierenden Teenagern, dümmlichen Gattinnen und noch vielem mehr.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Jane Austen: Lady Susan und andere Erzählungen
Mit einem Nachwort von Katharina Hagena
Aus dem Englischen von Ilse Leisi und Renate Orth-Guthmann
Manesse-Verlag, Zürich 2011
336 Seiten, 17,95 Euro