FDP-Politiker: Parteikollegen sind sich Verantwortung bewusst

Alexander Alvaro im Gespräch mit Nana Brink · 25.10.2011
Der FDP-Europaabgeordnete und -Präsidiumsmitglied Alexander Alvaro ist zuversichtlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Mandat des Deutschen Bundestages zum Gipfel nach Brüssel reisen kann. Die sogenannten Euro-Rebellen in seiner Partei sind gegen eine Ausweitung des Rettungsschirms.
Nana Brink: In der FDP machen zurzeit die sogenannten Euro-Rebellen von sich reden. Die Gruppe um den Finanzexperten und FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hat eine Mitgliederbefragung über die FDP-Position zum Euro-Rettungsschirm erkämpft und angesichts der bevorstehenden Abstimmung im Bundestag morgen noch einmal nachgelegt: Griechenland soll aus der Eurozone rausfliegen. Gestern zwangen die Euro-Rebellen auch den FDP-Bundesvorstand wie gesagt zu einem Alternativantrag, um endlich Ruhe in diese FDP zu bringen, und es bleibt die Frage: Wie positioniert sich die FDP nun? Mit dabei bei den Verhandlungen gestern und jetzt am Telefon ist Alexander Alvaro, Mitglied im FDP-Präsidium. Dort vertritt er die Allianz der Liberalen Europas und er ist gleichzeitig auch stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments. Guten Morgen, Herr Alvaro!

Alexander Alvaro: Einen schönen guten Morgen!

Brink: Wo steht die FDP vor der morgigen Abstimmung im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm?

Alvaro: Die FDP steht dort, wo sie in europäischen Fragen immer stand, nämlich vor allen Dingen mit Blick auf eine stabile Europäische Union. Unser Auftrag ist es ja in dieser Frage sicherzustellen, dass der Bürger sich darauf verlassen kann, dass der Euro genau so stabil bleibt, wie die D-Mark es war. Und da sehe ich auch die Kollegen in dieser Tradition auch morgen im Deutschen Bundestag.

Brink: Nun habe ich den Widerspruch aber noch nicht aufgelöst bekommen: Die Euro-Rebellen sagen ja, es soll keine Ausweitung des Rettungsschirms geben, das heißt, keine permanenten Maßnahmen. Und die Parteispitze sagt, ja, das soll es doch geben.

Alvaro: Gut, ich glaube, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Sie in einer Partei mehrere Meinungen finden, die darum ringen, welche am Ende sich durchsetzen wird. Wir haben sehr lange gestern den Vorschlag des Präsidiums im Bundesvorstand diskutiert, wir haben ihn auch im Bundesvorstand einstimmig angenommen. Und deswegen sehe ich da jetzt derzeit nur den Austausch darüber, was der richtige Weg ist. Natürlich wollen wir für unsere Position werben und auch am Ende, dass die Mitglieder sich dafür entscheiden.

Brink: Aber es ist doch die Quadratur des Kreises: Die Euro-Rebellen um Frank Schäffler sagen, ganz krass gesagt, Griechenland soll aus der Eurozone rausfliegen. Genau das will der FDP-Bundesvorstand aber nicht und die Kanzlerin mit Sicherheit auch nicht.

Alvaro: Richtig. Wir halten das auch nicht für den richtigen Weg. Die Folgen, die ein Austritt Griechenlands mit sich bringen würde, sind unabsehbar, es ist auch nicht so, als würden wir uns in einem Zug befinden, bei dem man kurz dann aussteigen kann und gegebenenfalls bei einer anderen Station wieder einsteigen kann. Die Kollegen um Frank Schäffler sind ja nun auch keine Euro-Rebellen, sondern vertreten eben diese Auffassung. Das Problem in dieser Auffassung ist lediglich, dass sie keine Lösung aufzeigt, sondern sich strikt gegen jegliche Maßnahme wendet, wobei wir versuchen, Wege aufzuzeigen, wie man mit dieser Maßnahme umgehen kann.

Brink: Aber was ist das für ein Signal für die morgige Abstimmung im Bundestag, wo ja eigentlich die Kanzlerin für ihr Mandat, für den Gipfel morgen Abend ja doch eigentlich eine Kanzlermehrheit haben muss?

Alvaro: Ich weiß nicht, ob die Kollegen im Deutschen Bundestag über die verschiedenen Formen der Mehrheiten diskutieren. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Koalition in dieser Frage eine Mehrheit haben wird, denn sie funktioniert ...

Brink: ... die Frage ist, ob sie eine Kanzlermehrheit haben wird?

Alvaro: Ich frage mich, ob das entscheidend ist. Entscheidend ist, dass der Deutsche Bundestag den Maßnahmen zustimmt. Und ich glaube, dass die Kollegen sich ihrer Verantwortung bewusst sind, da brauchen sie keine Ratschläge aus Brüssel.

Brink: Droht denn mit dieser FDP-Mitgliederbefragung nicht auch ein Anti-Europa-Kurs der FDP?

Alvaro: Nein. Ich glaube, wie gesagt, dass es selbstverständlich ist, dass man über verschiedene Positionen und gerade über diese intensiv diskutiert. Schließlich geht sie alle Menschen an, und zwar in intensivster Form, nämlich um ihre Ersparnisse und das Einkommen. Und ich glaube nicht, dass infrage gestellt werden kann, dass die FDP eine pro-europäische Partei ist, die sich auch in dieser Tradition sieht. Deswegen würde ich mir keine Sorgen machen, dass wir in irgendeiner Form als nichteuropäisch gelten könnten.

Brink: Wie soll denn das nun weitergehen für die FDP-Abgeordneten? Über den Euro-Rettungsschirm und dessen Ausgestaltung wird ja dann morgen Abend in Brüssel entschieden. Aber es gibt ja noch die geplante Abstimmung Anfang nächsten Jahres, da geht es um den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus, er nennt sich ESM. Da ist doch kein Spielraum vonseiten der FDP möglich?

Alvaro: Durchaus. Also, wir haben in dem Beschluss gestern ja auch festgehalten, dass der ESM nur unter den Voraussetzungen kommen kann, dass das deutsche Haftungsvolumen nach wie vor klar begrenzt bleibt, dass wir keine Vergemeinschaftung von Schulden damit einleiten, dass auch weitere Maßnahmen da flankierend begleitet werden müssen, vor allen Dingen im Vorfeld ein Stabilitätspakt II entstehen muss, der nämlich verhindert, dass wir wieder in solch eine Situation kommen.

Brink: Wollen wir noch mal die europäische Seite des Ganzen beleuchten. Sie sind ja stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments, wie viel Mitbestimmungsrecht dürfen denn Abgeordnete in nationalen Parlamenten angesichts einer solchen Krise haben?

Alvaro: Also, ich glaube, die Frage, wie viel sie haben dürfen, stellt sich nicht. Denn Europa ist immer noch das Europa der Bürger und nicht ein Europa der Staats- und Regierungschefs. Auch wenn zugegebenermaßen es uns stört auf europäischer Seite, dass diese Verhandlungen rein intergouvernemental, also zwischen den Regierungen geführt werden. Aber dass der Deutsche Bundestag beteiligt wird, ist ja nun auch ein wesentlicher Erfolg, den wir als FDP in dieser Koalition erreichen konnten mit Unterstützung des Bundesverfassungsgerichtes. Also ist es selbstverständlich, dass der deutsche Abgeordnete über die Verwendung von deutschen Steuergeldern mit entscheidet.

Brink: Aber es ist schon eine Art deutscher Sonderweg, also quasi fast einzigartig in Europa?

Alvaro: Also, ich finde es bedauerlich, dass man die demokratische Beteiligungen der gewählten Repräsentanten schon als Sonderweg sehen muss. Wir haben aber gesehen, dass auch in anderen Mitgliedsstaaten natürlich die Parlamente darüber diskutieren und entscheiden. Bei uns ist das etwas lebhafter, aber als eine der größten Volkswirtschaften in Europa ist es, glaube ich, auch nicht ganz unverständlich.

Brink: Muss nicht auch das Europäische Parlament einbezogen werden bei dieser Frage?

Alvaro: Das wird es ja. Wir werden nicht in allen Fragen, die der Deutsche Bundestag entscheidet, entscheiden wir auch, aber wir haben zum Beispiel das sogenannte Sixpack beschlossen, das ist ein sechs Beschlüsse umfassendes Paket von Maßnahmen, die eben auch die Stabilisierung des Euros flankierend begleiten sollen.

Brink: Alexander Alvaro, Mitglied im FDP-Präsidium und stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments. Schönen Dank, Herr Alvaro, für das Gespräch!

Alvaro: Danke Ihnen vielmals!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



Links bei dradio.de:

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel -
Am Mittwoch wollen die EU-Regierungschefs in Brüssel das Paket zur Euro-Rettung präsentieren

Sammelportal dradio.de: Euro in der Krise