FDP kritisiert teure Wahlversprechen der Union

26.06.2013
Der FDP-Politiker Otto Fricke warnt den Koalitionspartner CDU davor, zu viele Wahlversprechen zu machen - und dadurch den Haushalt zu verwässern. Dank höherer Steuereinnahmen sei zwar mehr Geld verfügbar, dennoch müsse der Schuldenabbau Priorität haben.
André Hatting: Operation schwarze Null – die Bundesregierung will im nächsten Jahr so wenig Schulden machen wie seit 40 Jahren nicht mehr, nämlich nur 6,2 Milliarden Euro. Über diesen Haushaltsentwurf entscheidet heute in Berlin das Kabinett. Gleichzeitig versprechen CDU/CSU ihren Wählern einiges an Erleichterungen: Kindergeld, Mütterrente – wir haben darüber berichtet, Kostenpunkt insgesamt so knapp 30 Milliarden. Wie soll das gehen? Gar nicht, sagt der Regierungspartner FDP und ist einigermaßen verärgert. Deren Haushaltsexperte Otto Fricke erinnert den Fraktionschef der Union sogar daran – Zitat –, "an der Mathematik des Haushalts kommt auch Herr Kauder nicht vorbei" – Zitat Ende. Schönen guten Morgen, Herr Fricke!

Otto Fricke: Einen schönen guten Morgen, Herr Hatting, aus dem heute etwas herbstlichen Berlin!

Hatting: Wieso kann die Union Ihrer Meinung nach nicht eins und eins zusammenzählen?

Fricke: Na ja, ich glaube, sie kann es schon, nur ich sage mal so, die Rechnung, die sie vorrechnet in dem Wahlprogramm, die geht eben nicht auf. Und im Fall des sehr geschätzten Kollegen Kauder ist es einfach so, man darf nicht auf der einen Seite sagen, wir haben Geld, weil wir mehr Steuereinnahmen haben, und gleichzeitig unterschlagen, dass der Finanzplan, der ja heute mit dem Haushalt vorgelegt wird, die Verwendung dieser Steuermehreinnahmen bereits berücksichtigt. Das heißt, man kann nicht doppelt das machen und dann nachher sagen: Und deswegen haben wir dafür Geld und haben wir dafür Geld und kriegen die Haushalte stabilisiert.

Hatting: Herr Fricke, das habe ich noch nicht so ganz verstanden. Also, wir werden ab 2015 offensichtlich Überschüsse erwirtschaften, warum darf man die nicht dann ausgeben?

Fricke: Nein, weil dann hat man ja wieder keine Überschüsse. Ich kann nicht einerseits – und das ist das Hauptziel der FDP – sagen, wir wollen Haushaltskonsolidierung erstens, zweitens eine strukturelle Null, die wir jetzt erreichen im Jahr 2014, also um einmal Ausgaben abgerechnet sind wir eigentlich schon auf der Null, und wollen dann ab 2015 zurückzahlen und dann wieder sagen: Nein, wir wollen doch nicht zurückzahlen, sondern wir wollen das Geld jetzt lieber für anderes ausgeben. Wenn Haushaltssanierung Priorität hat, kann ich nicht irgendwelche Steuereinnahmen wieder für neue Ausgaben berechnen und sagen, das geht ja alles, das kriege ich alles hin. Und jetzt ist es eben so, ja, die Steuereinnahmen steigen, aber eben b, deswegen ist mit einer der Gründe erreicht, einen Haushalt so zu sanieren, dass wir zum ersten Mal seit 40 Jahren dann die NKA auf so niedrigem Niveau haben und dann seit 1969 im Jahr 2015 zum ersten Mal zurückzahlen.

Hatting: Welche Konsequenzen hätten denn die Wahlversprechen der Union?

Fricke: Es ist sozusagen wie bei jemandem, wie beim Bürger privat, der sagt, Mensch, guck mal, ich habe am Ende des Monats Geld übrig, jetzt kann ich mir regelmäßig das leisten, um sich im nächsten Monat dann zu wundern, Mensch, jetzt reicht am Ende des Monats das Geld doch wieder nicht. Das ist genau die Schwierigkeit, die gleichzeitig verbunden ist mit dem, was Bürger oft sagen, ja, vor der Wahl versprecht ihr uns, dass wir das und das bekommen, und nachher sagt ihr dann, entweder wir haben es nicht oder wir müssen es über Schulden finanzieren. Und da bin ich dann mit meiner Partei einfach der Meinung, du musst klar sagen, wenn Sanierung von Haushalten die wichtigste Zukunftsaufgabe ist – und das hat uns diese Legislatur mit dem Problemen in den anderen Ländern Europas doch deutlich gezeigt – dann darf ich nicht vor einer Wahl sagen, ich mache hier eine Reform und da eine Reform, die kostet zwar etwas, aber das ist ja kein Problem, wir haben ja Geld. Nein, wenn wir eine Reform machen, müsste ich auch genau sagen, und das ist die harte Aufgabe der Politik, an welcher Stelle nehme ich es denn.

Hatting: Also stimmt Ihre FDP auch heute im Kabinett auch konsequenterweise gegen den Finanzplan?

Fricke: Nein, das ist ja das Gute: Der Finanzplan sagt ja, nur die Ausgaben, die wir haben, darauf haben wir uns in der Koalition geeinigt. Ich gebe ein Beispiel: Wir wollen eben nicht Leistungen in der Rentenversicherung ausweiten, von denen wir nicht wissen, wie sie gedeckt sind. Es ist auf der einen Seite schön, wenn in dem Wahlprogramm der CDU steht, dass man für die Mütterrente für die vor 1992 geborenen Kinder etwas tun will, wenn man aber gleichzeitig sagt, wir machen das aus dem Ersparten, oder wir machen es, indem wir zukünftige Einnahmen dafür verbrauchen, heißt das nichts anderes, als der einen Seite geben, und zukünftigen Generationen nehmen. Und da sage ich deutlich, das sagt selbst die Generation meiner Mutter – meine Mutter würde zum Beispiel sagen, ich will doch nicht auf Pump von zukünftigen Generationen leben. Und genau darum geht es, und deswegen legen wir das auch nicht im Finanzplan fest.

Hatting: Also Ihre Mutter muss aber Gott sei Dank heute nicht über den Finanzplan abstimmen. Was den Haushaltsentwurf 2014 angeht, da haben sie ja auch einige Kritikpunkte – den winken Sie trotzdem durch heute?

Fricke: Na ja, der Haushaltsplan 2014 ist der Vorschlag des Kabinetts, so sieht das unsere Verfassung vor, wie man einen Haushalt für das nächste Jahr beschließen kann und nach Meinung des Kabinetts sollte. Der Haushaltssouverän ist aber immer noch der Bundestag, es ist ein Gesetz, und da gibt es wie jedes Mal auch Änderungen, und da kann man dann deutlich auch sagen, an welcher Stelle könnten wir uns vorstellen, dass wir noch mal weniger ausgeben, auch durchaus mal, und auch das gehört dazu, wo sollte man hier besser mehr ausgeben, da besser weniger. Als Beispiel, wir haben diese Haushaltssanierung, die einmalig ist in der Geschichte der Bundesrepublik deswegen ja auch geschafft, weil anders als in den Jahren zuvor die Ausgaben nicht gestiegen sind, sondern weil es der Koalition gelungen ist, die Ausgaben stabil zu halten. Das ist wie beim Bürger selber auch, wenn das Geld nicht reicht, liegt es meistens nicht daran, dass nicht nochmal zusätzlich was reinkommt, sondern es liegt meistens daran, dass man jeden Monat, jedes Jahr neue Ausgaben gemacht hat, das sind die Aufgaben, die man hat.

Hatting: Herr Fricke, Sie hoffen also so ein bisschen auf den Bundestag als Korrektiv, verstehe ich das richtig?

Fricke: Nein, der Bundestag ist immer ein Korrektiv gewesen, auch in den letzten Jahren. Noch mal, wir kriegen ja jetzt schon vom Kabinett einen Haushaltsplan vorgelegt, um dem uns – ich sage das mal deutlich – ganz Europa beneidet, nämlich diese Zahlen zu haben, und einen strukturellen Überschuss schon zu haben, also einmal Auszahlungen rausgenommen, wenn man so etwas wie die Fluthilfe hat, und genau zu sehen, aha, Mensch, die kriegen das hin, die weiten nicht die Ausgaben aus. Und das ist schon eine gute Basis, das kann man noch mal besser machen. Wovor ich allerdings dringend warne bei den jetzt kommenden Wahlen, ist zu sagen, wir machen da noch Gutes und tun da noch Gutes und tun da noch Gutes, und verwässern damit und verschlechtern damit den Haushalt. Das ist die Hauptaufgabe übrigens, die man immer wieder hat, zu sagen, ihr wollt ja Gutes, aber seien wir ehrlich, es ist Schlechtes, weil es für zukünftige Generationen das kaputtmacht, was wir aufgebaut haben.

Hatting: Herr Fricke, Sie haben jetzt noch mal die Wahlversprechen der Union angesprochen. Wenn man sich das Wahlprogramm der FDP anschaut, da sind aber auch Wahlversprechen drin, Stichwort steuerlicher Grundfreibetrag für Kinder auf das Niveau von Erwachsenen erhöhen, kostet in Verbindung mit der entsprechenden Anhebung des Kindergeldes auch mal eben rund 7,5 Milliarden Euro.

Fricke: Das kostet auf Dauer 7,5, allerdings mit dem besonderen Zusatz, dass das eben nur in dem Rahmen geht, der haushalterisch möglich ist, und das sage ich dann auch deutlich, da sind wir dann bei dem Punkt, den Sie eben auch angesprochen haben, dann muss ich an anderer Stelle kürzen, dann muss ich weiter an die Subventionen zum Beispiel rangehen, wo wir auch einen erheblichen Abbau geschafft haben, aber wo noch ziemlich viel Luft ist. Ich nehme nur als Beispiel das ewige Thema der FDP – ich komme vom Niederrhein, wo auch Steinkohleabbau ist –, über Jahre vorgeworfen worden, wir wollten ja von der Steinkohlesubvention runter. Jetzt gehen wir Schritt für Schritt davon runter, und diese Erträge kann man eben nutzen nach dem Motto, nicht in dunkle Schächte, sondern in Kinderköpfe und Kinderhände das zu geben, das gehört dann mit dazu. Aber all das, was wir eben gesagt haben, da steht erst mal: Nein, nicht erst mal einfach so als Versprechen, sondern nur mit Finanzierbarkeit, weil die Haushaltssanierung eben Priorität hat, und b, was für Politiker die schwierige Aufgabe ist, auch bereit zu sein, zu sagen, dafür nehmen wir an der Stelle, dafür geben wir an der Stelle. Es gibt eine Ausnahme, Wissen und Forschung.

Hatting: Okay, warten wir die Bundestagswahlen ab. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fricke!

Fricke: Ich danke und wünsche einen sonnigeren Tag!


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