Faszination Feuerwehr

"Eigentlich werden Helden nicht gebraucht"

Moderation: Dieter Kassel · 21.11.2014
Angeblich träumen alle kleinen Jungs davon, später Feuerwehrmann zu werden und damit zu Helden, die Kinder und Tiere aus brennenden Häusern retten. Doch mit Feuer hat die Feuerwehr immer weniger zu tun, und Helden braucht sie auch nicht.
Feuerwehrleute - für viele sind das spätestens seit Nine-Eleven Helden, die todesmutig und selbstlos Menschen aus brennenden Häusern retten. Mit der Realität bei der Feuerwehr haben diese Klischees allerdings nicht viel zu tun, meint der Sicherheitsexperte Frank Dieter Stolt.
Dieter Kassel: Angeblich träumen ja alle Männer, wenn sie noch kleine Jungs sind, irgendwann mal davon, Feuerwehrmann zu werden. Das tun sie vermutlich nicht in erster Linie, weil sie dafür einen Preis gewinnen wollen, aber auch das gibt es. In Ulm wird heute der Preis für die Feuerwehr des Jahres vergeben, und wir wollen das zum Anlass nehmen, um mit Frank Dieter Stolt zu reden. Er ist Sicherheitsfachwirt und als Sachverständiger für Brand- und Explosionsursachenermittlung nicht nur in Deutschland zugelassen, sondern auch in Kanada und den USA. Schönen guten Morgen, Herr Stolt!
Frank Dieter Stolt: Ja, wunderschönen guten Morgen!
Verantwortungsgefühl, Einsatzbereitschaft, Fitness
Kassel: Was sagen Sie denn einem kleinen Jungen, der tatsächlich davon träumt. Was muss er mitbringen, um guter Feuerwehrmann zu werden? Muss er besonders mutig sein?
Stolt: Eigentlich werden "Helden" nicht gebraucht. Was gebraucht wird, sind engagierte junge Menschen, die Verantwortungsgefühl haben, Einsatzbereitschaft, natürlich auch eine gewisse körperliche Fitness, aber auch ein gutes Grundwissen der Naturwissenschaften und der Technik.
Kassel: Das heißt, es ist ja heute nicht so, dass man da mit Wasser ankommt und spritzt, sondern je nach Brand ist die Sache viel komplizierter.
Stolt: Ja, zumal die Hauptaufgaben heute der Feuerwehr, obwohl sie immer noch Feuerwehr heißt, nicht bei der Brandlöschung liegen, sondern in der Hilfeleistung. 80 Prozent der Tätigkeiten sind heue Hilfeleistungen, und das reicht von eine Ölspur wegmachen bis hin zu Leuten aus verunglückten Pkws herausschneiden.
Heldenklischees aus dem 19. Jahrhundert
Kassel: Nun ist, glaube ich, das Bild von Feuerwehrleuten auch in Deutschland ein bisschen anders seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Seitdem sind ja die amerikanischen Feuerwehrleute, die in New York geholfen haben, wirklich Helden. Spürt man das auch bei uns, dass wir vielleicht auch dadurch ein bisschen ein falsches Bild vom Alltag eines Feuerwehrmanns haben?
Stolt: Die Feuerwehrleute in den USA waren auch schon vor dem 11. September Helden. Aber das hängt auch damit zusammen, wie dort die Taktik der Feuerwehr ist. Es hat also viele Gründe. Und natürlich, es gibt zum Beispiel Bilder aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo ein Feuerwehrmann so aus den Flammen heraustritt und ein Kind oder eine junge Dame auf den Armen hält und quasi rettet. Und das wird mit diesem Heldenklischee verbunden.
Kassel: Ist es denn – Sie haben einige Aufgaben der Feuerwehrleute in Deutschland ja schon erwähnt, aber ist es denn auch die Aufgabe eines Feuerwehrmanns, noch nachher etwas zu tun, wenn der Brand gelöscht ist? Oder konkreter gefragt, ermittelt die Feuerwehr die Brandursache?
Stolt: Na ja, das ist eine typische Fehlmeinung, die es immer wieder gibt. Die Feuerwehr hat mit der Brandermittlung nichts zu tun. Die Brandermittlung in Deutschland ist allein Sache der Polizei.
Feuerwehr sollte in die Brandermittlung einbezogen werden
Kassel: Das wundert mich jetzt, ehrlich gesagt, ein bisschen, weil ich naiv gedacht hätte, dass jemand bei der Feuerwehr schlicht und ergreifend mehr vom Feuer versteht.
Stolt: Ja, das ist a) richtig, und b) wäre es auch wünschenswert, dass die Feuerwehr in der Brandermittlung einbezogen ist. Wir hatten – in der ehemaligen DDR war das auch so, und in Deutschland hatten wir hier in Mannheim bei der Feuerwehr bis Anfang der 70er-Jahre auch Feuerwehrleute, die Brandermittlung gemacht haben. Leider ist dieses Mannheimer Modell nicht übertragen worden und eben auch Anfang der 70er-Jahre zu Ende gegangen.
Kassel: Wenn das dann die Polizei macht oder eben beispielsweise auch Sie, wenn Sie beauftragt werden – wie habe ich mir das vorzustellen? Ich sehe Sie jetzt gerade in Schutzkleidung durch verbrannte Räume stiefeln und Beweismittel einsammeln, und dann nachher in irgendein hochmodernes Labor gehen. Läuft das so, oder ist das mehr Schreibtischarbeit?
Stolt: Das läuft auch so, aber das ist auch Schreibtischarbeit. Das sieht man zum Beispiel auch bei Kriminalfilmen immer nicht. Da sieht man immer nur die Kommissare an Tatorten oder in Ermittlungen. In Wirklichkeit findet die meiste Arbeit nachher auf der Dienststelle oder am Schreibtisch eben statt. Und das gehört einfach mit dazu. Aber das wollen zum Beispiel Fernsehzuschauer auch nicht sehen.
Mythen aus CSI & Co.
Kassel: Aber wie läuft das ab? Können Sie zum Beispiel nach einem Brand – ist es nur eine Frage der Zeit, am Ende in hundert Prozent aller Fälle genau sagen, wie er entstanden ist?
Stolt: Wenn es allgemein um die Brandursache geht, kann man sagen, dass man in 90 oder über 90 Prozent der Fälle schon zu einem Ergebnis kommt, was die Brandursache ist. Wenn es dann um die strafrechtliche Relevanz geht, also wenn es eine Brandstiftung ist, dann wird es schon ein bisschen schwieriger, weil Sie müssen es einer Person konkret nachweisen, und das ist leider nicht immer möglich.
Kassel: Bei CSI zum Beispiel sieht es ja dann immer so aus, als ob man ein verkohltes Stück Papier hat, und auf diesem verkohlten Stück Papier ist die DNA des Brandstifters. Das ist Quatsch, oder?
Stolt: Ja, das ist weniger so. Sie müssen ja wissen, die DNS ist ja eine biologische Sache, und wir haben ja Temperaturen in Bränden über 1.000 Grad. Und ab 70 Grad werden biologische Stoffe abgetötet, sodass das nur in ganz, ganz wenigen Ausnahmefällen möglich ist und auch nicht unmittelbar in dem Bereich, wo diese hohen Temperaturen waren.
Brandstifter entlarven sich oft selbst
Kassel: Ist es denn – ich weiß, dass Sie jetzt natürlich keine Anleitung zur Brandstiftung leisten wollen – aber ist es denn schwieriger, etwas nachzuweisen, wenn das relativ klassisch passiert ist, also jemand legt ein Streichholz an eine Benzinspur, oder ist es schwieriger, wenn das irgendwie mit Chemikalien, anderen modernen Dingen eher sehr eigenartig geschieht?
Stolt: Nein. Das Problem ist immer das, der Brandstifter muss ja von dem, was er da tut, ein bisschen Ahnung haben. Da wir ja in Deutschland aber keine Ausbildung für Brandstifter haben, muss derjenige auf sein privates Wissen zurückgreifen. Und da ist es so, dass quasi, wie der Brand gelegt wird, auch wieder Rückschlüsse auf die Person zulässt. Und insofern eigentlich schon der Täter mit der Vorgehensweise sich selber ein Stück weit offenbart.
Pro Jahr 40 Brandstiftungen durch Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr
Kassel: Ist es denn wahr, dass es unter Feuerwehrmännern überdurchschnittlich viele Brandstifter gibt?
Stolt: Also wenn, reden wir nur von freiwilligen Feuerwehrleuten – nein. Das ist leider auch ein Medienklischee. Wir sind hier in einem Bereich von Promille. Wir haben 1,3 Millionen freiwillige Feuerwehrmänner und -frauen, und wir haben so im Schnitt 40 Brandstifter bei der Feuerwehr im Jahr. Also da sehen Sie, von 1,3 Millionen zu 40, das ist überhaupt nichts. Nur, natürlich, es ist halt dieser Altruismus, von dem Sie am Anfang schon sprachen, anderen Menschen helfen zu wollen und damit auch eine hohe Achtung zu genießen. Das führt natürlich umgekehrt dazu, wenn so jemand eine Straftat begeht – wie ein Polizist, der eine Bank überfällt, oder ein Arzt oder eine Krankenschwester, die eine Todesspritze setzt – dass das natürlich zu besonderem Medieninteresse führt, was aber überhaupt nicht mit der Masse vereinbar ist. Also, wie gesagt, da sind wir in einem Bereich, der verschwindend gering ist.
Kassel: Der Sachverständige für Brand- und Explosionsursachenermittlung, Frank Dieter Stolt, über das, was Feuerwehrleute tun und das, was sie nicht tun. Herr Stolt, vielen Dank für das Gespräch!
Stolt: Ja, bitte schön! Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema