Fast erotische Beziehung zur Münchner Realität

03.12.2010
Die Geschichten von Max Bronski - der sein Pseudonym nicht lüften will - spielen in seiner heiß- und hassgeliebten Heimatstadt München. Vier Krimis hat er seit 2006 geschrieben. Tatort-Schauspieler Michael Fitz hat sie nun eingelesen.
"Dann sah ich ihn. Ein unvergesslicher Anblick, der mir bis heute eingeprägt geblieben ist. Er saß am Ende der Straße auf einem Türmchen aufgeschichteter Pflastersteine: ein weinender Nikolaus. Wie ein geprügelter Schlosshund winselte und wimmerte er in sich hinein. Dazwischen schnappte er so heftig nach Luft, dass es ihm den Kopf in den Nacken riss. Jetzt erkannte ich ihn. Unter der Bischofsmütze steckte Lorenz Vierthaler, Häuptling der Penner, Stubenältester im Obdachlosenheim."

Und so sturzbetrunken, dass er seinen Dienst als Nikolaus im Josepha-Altenstift an diesem spät gewordenen Nachmittag leider nicht mehr antreten kann. Er war den vielfältigen Versuchungen der Geyerstraße mit ihren unzähligen Biertränken erlegen. Also übernimmt statt seiner Wilhelm Gossec den Job bei einer Weihnachtsfeier für bedürftige Mitbürger - und ist schon wieder mittendrin:

"Dann tat es einen fürchterlichen Schlag. In Bernis Gesicht spiegelte sich unbändiges Triumphgefühl, schließlich blähte es sich zu einem höhnisch grinsenden Ballon, der über mir hing. Gleich würde er platzen. Seine groteske Fratze wurde zum Abschiedsbild, mit dem ich mich für längere Zeit aus dieser Welt verabschiedete."

Wilhelm Gossec, Trödelhändler im Schlachthofviertel und nebenbei Privatschnüffler ohne Auftrag, ist der Ich-Erzähler in den München-Krimis von Max Bronski. Der zeichnet Gossec als liebenswerten Hallodri mit einem weiten Herzen für die kleinen Leute in "seinem" Viertel, in dem er tief verwurzelt ist. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn treibt ihn immer wieder auf die Spur des Bösen, wobei er unter anderem über die Leichen einer jungen Stricherin und eines fetten Kabarettisten sowie über groß angelegte Betrügereien in Münchens besten Kreisen stolpert - und mehr als einmal über seine Gradlinigkeit und seine Naivität:

"Einer wie ich kriegt schon deshalb immer wieder eins auf die Rübe, weil er in seinem Leben nichts weiter gelernt hat, als geradeaus zu laufen."

Der Münchner Schauspieler Michael Fitz, bekannt aus den Münchner Tatorten, leiht dem Weißbier- und Whiskeyfan Gossec seine Stimme. Er tut dies so überzeugend, dass wir Hörer sofort hineingesogen werden in die Handlung und gar nicht anders können, als den Ich-Erzähler ins Herz zu schließen.

Der Sprecher trifft dabei so genau den Ton des Autors, dass man schon vermutet hat, Michael Fitz habe das alles geschrieben. Ein Gerücht, das allerdings nicht stimmt. Der Schauspieler "vertritt" den Autor jedoch nur, wie er sagt, wenn er aus dessen Büchern liest: Er tut dies lässig, lakonisch, ironisch und ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Deshalb wohl gehen die jeweils rund zweieinhalbstündigen Geschichten über zwielichtige Gestalten aus Münchens bester Gesellschaft und deren aufrechten Widersacher so leicht und kurzweilig ins Ohr:

"Dann zog ich meine Stahlrute aus der Jacke und schlug die Flasche entzwei. Nüsslein machte einen Schritt zurück, ich setzte nach und gab ihm einen Haken unters Kinn. Der Schlag riss seinen Kopf nach hinten, er stolperte und landete auf dem Besprechungstisch. Mit dem Brieföffner schlitzte ich seine feinen Anzughosen auf. Auch Dr. Nüsslein würde es nicht wagen, in seiner Seidenunterwäsche eine heillose Flucht anzutreten."

Gossec haut in seinem Furor bei Gelegenheit deftig zu und steckt ebenso oft selbst fürchterliche Prügel ein. Mit der rasenden Action und Brutalität anderer Großstadtkrimis jedoch hat der Autor nichts am Hut. Es handelt sich eher um Krimikomödien.

Bronski kennt sich aus - bei den Großkopferten ebenso wie bei "denen da unten". Seine Figuren sind aus dem Leben gegriffen. Der Hobby-Detektiv Wilhelm Gossic ebenso wie seine "Opfer" - sei‘s der gerissene Spekulant, der widerliche Frauenhändler oder der geldgierige Starkoch, der den Unterschleif von Spendengeldern seinem Schank-Kellner zuschiebt:

"Der Maillinger! Ich nicht, ich hab damit nichts zu tun. Er hat über das Geld verfügt"

Max Bronski hat eine fast erotische Beziehung zur Realität seiner Heimatsstadt. Die meisten Geschichten haben alle so oder so ähnlich in der Zeitung gestanden. Wir hören diesen atmosphärisch dichten, mit unerschütterlicher Ironie erzählten München-Krimis um den sympathischen Antihelden Gossec entspannt und mit wachsendem Vergnügen zu. Der kommt zum Schluss allen Verbrechern auf die Spur - auch wenn ihm oft der Schädel brummt:

"Wenn in deinem dummen Schädel Worte wie Luftballons nach oben entweichen und in den Himmel entfleuchen, du noch nicht mal Anstalten machen kannst, sie festzuhalten oder gar nachzusprechen, dann liegt eine Fehlfunktion vor, die man Kater nennt."

Besprochen von Sigrid Menzinger

Max Bronski: Die München-Krimis
Gelesen von Michael Fitz
Verlag Antje Kunstmann, München 2010
10 CDs, 29,90 Euro