"Far Cry Primal"

Die Steinzeit als Action-Game

Der Kampf von Urmenschen gegen ein Mammut: Das Modell im Maßstab in Originalgröße ist in einem privaten Saurierpark in der ostsächsischen Gemeinde Kleinwelka zu sehen.
Überlebenskampf in der Steinzeit: Wie bei vielen Computerspielen ist auch bei "Far Cry Primal" der Weg das Ziel. © dpa / picture alliance / Matthias Hiekel
Von Tobias Nowak · 24.02.2016
Ein ungewöhnlicher Ausreißer der erfolgreichen Ego-Shooter-Reihe: Die Neuerscheinung "Far Cry Primal" spielt in der Steinzeit. Statt mit Panzern und Pistolen kämpft man mit Mammuts und Speeren. Die Spielentwickler haben sich am Stand der archäologischen Forschung orientiert.
"Im warmen Licht der tief stehenden Sonne schreitet majestätisch ein riesiges Tier vorbei: ein Mammutbulle. Takkar und seine Stammesgenossen folgen dem Tier und seiner Herde schleichend durch das hohe Gras. Der kleine Jagdtrupp findet schließlich ein Mammutkalb, das sich abseits bewegt und greift es an. Das große Tier wehrt sich heftig − einige Jäger werden verletzt −, viele Speere stecken in seinem Fleisch, als es schließlich zusammenbricht. Als Takkar das Mammutkalb jedoch häuten und ausweiden möchte, springt aus einem Gebüsch plötzlich ein Säbelzahntiger und beansprucht das tote Tier für sich. Im folgenden Kampf stürzt Takker eine Felswand hinunter und verliert das Bewusstsein."
"Far Cry Primal" spielt in der Steinzeit. Die Geschichte ist schnell erzählt: Takkar, die Figur, in die der Spieler schlüpft, muss seinen Stamm, die Wenja, gegen die kannibalischen Udam und die ackerbauenden, aber nicht weniger blutrünstigen Izila verteidigen. Aber wie bei vielen Computerspielen ist der Weg das Ziel. Und auf diesem Weg müssen Eibenbögen gebaut, Feuer gemacht, Wollnashörner gejagt sowie Wölfe gezähmt werden − und Höhlenbären.
Naomi Savoie, die als Konzeptkünstlerin an der Produktion beteiligt war:
"Die Experten erklärten uns, dass diese Zeit so weit zurückliegt und wir nur so wenige Spuren der damals lebenden Menschen haben, dass es viele Graubereiche gibt, in denen wir das Spiel frei gestalten können. Wir nutzten das, um bestimmte Elemente zu betonen und in Resonanz zu bringen mit den Bildern, die die Menschen heute von der Steinzeit haben."

Auf dem Stand der archäologischen Forschung

Trotz dieser Freiheiten haben sich die Spielentwickler am Stand der archäologischen Forschung orientiert: Die Struktur der Spielwelt, also die Fauna und Flora unterschiedlicher Habitate, ist sehr differenziert dargestellt – und: Die zentrale und überlebenswichtige Funktion der Jagd in diesen frühen Kulturen.
In der prähistorischen Forschung hat man das Problem, dass nur spärliche Relikte die Grundlage bilden, um die Verhältnisse einer bestimmten Zeit zu rekonstruieren. Daher nähert man sich der Vergangenheit über Modelle an, die auf Artefakten basieren. Im Computerspiel wird dieser gedankenspielerisch-modellhafte Umgang mit der Vergangenheit noch viel weiter getrieben. Holger Junker hat als Archäologe und Museumspädagoge das Spiel in Augenschein genommen:
"Ob jetzt die Kleidung wirklich derart ausgestaltet war oder vielleicht doch eher ein wenig anders, das sei natürlich dahingestellt, nur um ein Beispiel zu nennen. Aber man darf niemals vergessen, dass wir natürlich nur einen ganz, ganz kleinen Bruchteil vergangener Kulturen fassen können, nämlich das, was seinen Niederschlag im Boden gefunden hat: Werkzeugreste, Lagerplätze, und so weiter, Tier Knochen mit Schnittspuren, und daraus muss man dann natürlich versuchen, ein möglichst realistisches Bild zu erzeugen, was auch immer wieder natürlich dem Wandel der Zeit geschuldet ist. Also wenn man jetzt Rekonstruktionen von eiszeitlicher Kleidung, 12.000 Jahre alter Kleidung, sich anschaut, die 30 Jahre alt sind − auch in den Schulbüchern − da laufen die Leute mit dem Fellwämsken rum, so Fred-Feuerstein-mäßig, mit nicht geschlossenen Beinkleidern, wo der Steppenwind durch pfeift."
Spielheld Takkar muss sich keine Sorgen machen: Er trägt − korrekt nach dem heutigen Stand der archäologischen Forschung − langes Beinkleid. Aber die Feuersteins lieferten auch andere, sattsam bekannte Klischees, wie unsere Urahnen lebten.
Holger Junker: "Was sicherlich nicht mehr zeitgemäß ist in der archäologischen Forschung, ist einfach zu sagen "Männer jagen; Frauen sammeln, sind zuhause an der Feuerstelle und passen auf die Kinder auf". Das ist natürlich ein Rollenmodell, was man gerne auch mal aus − ich sag mal so – relativ moderner europäischer Sicht auf die Vergangenheit projiziert hat. Man kann es archäologisch kaum nachweisen, wer mit einem Wurfspeer oder einer Pfeilspitze gejagt hat."
Dieses Rollenbild stellen auch Frauengräber infrage, denen Jagdwaffen beigelegt wurden. Insofern ist es stimmig, dass "Far Cry Primal" Frauen in starken Rollen auftreten lässt, sowohl als Stammesanführerinnen als auch als Jägerinnen. Trotzdem: Einige gängige Vorstellungen der Steinzeit reproduziert das Spiel dann doch:
Holger Junker: "Also das Hauptsteinzeitklischee ist natürlich die Keule an sich, aus Holz, also eine knubbelige Keule, mit der man alles umknüppelt. Es gibt aus der Altsteinzeit keine einzige, belegbare Holzkeule."

Weniger Bildungsprogramm als Unterhaltung

Steinzeitliches Leben als Computerspiel: Das ist also weniger ein Bildungsprogramm als vielmehr Unterhaltung in einer Szenerie, bei der die Spielemacher wissenschaftliche Forschungen herangezogen, aber letztlich ihrer Phantasie freien Lauf gelassen haben – nicht zuletzt mit hohem Action-Anteil, den vor allem die Jagd auf die mesolithische Megafauna garantiert − wobei die gar nicht so abwegig ist. Holger Junker:
"Das, was wir − aus heutiger Sicht − jedenfalls für Europa wissen, ist, dass gegen Ende der Eiszeit der Mensch die Karnivoren, also die fleischfressende Megafauna, ziemlich gut im Griff hatte. Es wird immer mal ganz gerne gesagt, in der Steinzeit standen wir noch nicht an der Spitze der Nahrungskette. Völliger Quatsch. Jeder Höhlenbär oder jeder Säbelzahntiger wäre gut beraten, um eine menschliche Jagdgruppe einen großen Bogen zu machen."
Der Unterschied zwischen "Far Cry Primal" und anderen Action-Spielen ist: Statt mit Panzern und Pistolen kämpft man mit Mammuts und Speeren. Museumspädagoge Holger Junker verspricht sich einen Bildungseffekt durch das Spiel, wenn es dazu animiert, mehr über die Steinzeit zu erfahren und man am Ende eben doch: Etwas über die Zeit liest, in der man sich spielerisch bewegt hat.
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