"Falter"-Chefredakteur zur Wahl in Österreich

"Der Wahlkampf hat die Leute mürbe gemacht"

Zwei Wahlplakate der Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen in Wien.
Nach zahlreichen Wahlkampfpannen wählt Österreich nun nochmals einen Bundespräsidenten. © picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt
"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk im Gespräch mit Miriam Rossius · 04.12.2016
Österreich sei bei der heutigen Bundespräsidenten-Wahl "gespalten", sagt "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk. Mit Ex-Grünen-Chef Van der Bellen und FPÖ-Kandidat Hofer treten zwei "äußerste Pole" gegeneinander an. Die bürgerliche Mitte würde sich jedoch zunehmend von der rechtspopulistischen FPÖ angesprochen fühlen.
Nach Wahlpannen und einem langen Wahlkampf, wird in Österreich ein neuer Bundespräsident bestimmt. Zum ersten Mal überhaupt in Westeuropas könnte das ein Rechtspopulist werden, der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.
"Das ist eine sehr mächtige Position", sagt "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk. "Wir entscheiden darüber, ob die FPÖ zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Bundespräsidenten stellt – und damit nicht nur den Oberbefehlshaber des Bundesheeres, sondern auch einen Politiker, der die Regierung entlassen kann und hohe Beamte mitbestellen kann."
Es sei für das Land entscheidend, ob eine Partei, die im Wahlkampf stark anti-islamisch aufgetreten sei, Türken mobbe und eine sozialpolitische Trennung von In- und Ausländern propagiere, einen Präsidenten stelle.

Hofer hat Van der Bellen persönlich attackiert

Im Mai wurde bereits abgestimmt: Damals unterlag Hofer dem ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ganz knapp. Das Ergebnis wurde jedoch annulliert.
"Der Wahlkampf war unglaublich grausam, weil vor allem Hofer den Kandidaten Van der Bellen persönlich attackiert hat", so Klenk. "Er hat ihn als vergesslichen, alten Opa dargestellt." Außerdem sei es der FPÖ gelungen, Van der Bellen als "alten, tattrigen Marxisten" darzustellen.
Nun sei das Land "in der Hälfte gespalten", kommentiert Klenk die Situation in Österreich. Denn in der Wahl treten mit einem Grünen- und einem FPÖ-Kandidaten im politischen Spektrum "zwei äußerste Pole" an. 60 Prozent der Wählen, die nun abstimmen, hätten sich bisher weder vorstellen können, einen FPÖ-Kandidaten, noch einen Grünen-Politiker zu wählen. "Und dazwischen gruppiert sich eine bürgerliche Mitte, die sich aber zunehmend von Herrn Hofer angesprochen fühlt, sich vertreten fühlt."
Grund für den zunehmenden Rückhalt der rechtspopulistischen, EU-kritischen Partei sei beispielsweise die Angst vor sozialem Abstieg oder mangelndes Vertrauen in die Europäische Union. Es sei also keineswegs nur "der Pöbel", der sich von der FPÖ angesprochen fühle.
"Der Wahlkampf hat die Leute mürbe gemacht", sagt Klenk. Die Bürger seien frustriert, weil der Staat ganz banale Dinge wie eine Wahl nicht mehr fehlerfrei abhandeln könne. "Ich würde nicht sagen, dass wir in einem rassistischen Land leben, sondern wir leben in einem Land, das einem politischen Establishment nicht vertraut, Probleme zu lösen." Das sei ein Paradoxon, weil es den Leuten vergleichsweise gut gehe und Österreich ein vergleichsweise sicheres Land sei.
(lk)
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