Fall Mollath

Wurde er zu Unrecht weggesperrt?

Von Burkhard Schäfers · 27.12.2013
Es war der Justiz-Skandal des Jahres: Gustl Mollath saß mehr als sieben Jahre lang in der Psychiatrie, obwohl die Gründe dafür ziemlich dünn waren. Seit August ist Mollath frei, sein Verfahren soll im Sommer neu aufgerollt werden. Wer hat wann und wo Fehler gemacht?
Es ist der sechste August 2013, ein Hochsommertag in Bayreuth. Vor dem dortigen Bezirkskrankenhaus steht eine Traube von Reportern und Kameraleuten, mittendrin ein Mann im hellblauen Polohemd, mit dunklen Haaren und markantem Schnauzer: Gustl Ferdinand Mollath, soeben entlassen aus der geschlossenen Psychiatrie.
Mollath: "Ja gut, das ist in jedem Fall ne dementsprechende Freude, die man mir jetzt so ohne Weiteres nicht ansieht. Das liegt aber daran, dass ich ganz genau weiß, was noch alles zu leisten ist, was man noch schaffen muss."
Inzwischen sind einige Monate vergangen, Mollath reist viel herum, tritt öffentlich auf und lebt von Spenden, die seine Unterstützer sammeln. Ein neues Leben, denn mehr als sieben Jahre verbrachte Gustl Mollath in der Psychiatrie – als Folge eines Prozesses im Jahr 2006 vor dem Landgericht Nürnberg. Der Richter hatte ihn als gemeingefährlich eingestuft und in die Klinik einweisen lassen.
Mollath: "In dem Prozess ging es darum, dass meine frühere Frau angeblich von mir misshandelt wurde. Was ich bis heute vehement bestreite. Und es ging auch um irgendwelche Reifen, die zerstochen worden sein sollen."
Interner Bericht: Alle nachprüfbaren Behauptungen Mollaths stimmen
Viele meinen, Mollath sei Opfer eines Komplotts: Seiner Ex-Frau hatte er vorgeworfen, als Angestellte der Hypo-Vereinsbank in Schwarzgeld-Geschäfte verstrickt zu sein. Aus diesem Vorwurf folgerte die Justiz, Mollath leide unter Wahnvorstellungen. Allerdings: In einem bis zum Jahr 2012 unter Verschluss gehaltenen internen Bericht kommt die Hypo-Vereinsbank zu dem Ergebnis: Alle nachprüfbaren Behauptungen Mollaths stimmen. Dessen Rechtsanwalt Gerhard Strate übt scharfe Kritik an der bayerischen Justiz. Insbesondere an dem Richter, der Mollath 2006 einweisen ließ:
Strate: "Also es gibt in dem schriftlichen Urteil regelrechte Sachverhaltsverfälschungen, die katastrophal sind. Beispielsweise, dass Herr Mollath sich in einem Wahn befände, würde sich daran festmachen, dass er immer neue Personen in seine Behauptung einbezieht, sie seien in ein Schwarzgeld-Verschiebe-System eingebunden."
Rechtsanwalt Strate hat erreicht, dass das Verfahren vor dem Landgericht Regensburg wieder aufgenommen wird – allerdings voraussichtlich erst im kommenden Juli. Schon jetzt ist abzusehen, dass der Prozess Wellen schlagen wird, denn Gustl Mollath polarisiert: Er vergleicht heutige Psychiatrien mit Anstalten zu Zeiten des Nationalsozialismus, bezeichnet sie als brutales Willkür-System, in denen Ärzte und Pfleger zu Monstern würden. Das kann sein Anwalt sicherlich nicht unterschreiben, eines verlangt Gerhard Strate aber schon von der Psychiatrie:
Strate: "Sie darf nicht dazu benutzt werden, um Personen, die anderer Auffassung sind, die möglicherweise auch Protest führen, als Querulanten abzustempeln und per psychiatrischer Diagnose ins Krankenhaus zu bringen."
Causa Mollath hat Rechtsstaat erschüttert
Sollte Gustl Mollath mundtot gemacht werden? Es gibt viele Ungereimtheiten in diesem Fall, und nicht alle werden die Regensburger Richter aufklären können. Dennoch steht die Frage im Raum, inwieweit Vorbehalte gegenüber der Person Mollath Richter, Gutachter und selbst Bayerns frühere Justizministerin Beate Merk beeinflussten. Noch im November 2012 sagte Merk in der ARD:
Merk: "Herr Mollath ist gefährlich. Und insofern muss ich davon ausgehen, dass er zurecht in der Psychiatrie sitzt."
Nach der Freilassung Mollaths im vergangenen Sommer – mitten im Bayerischen Landtagswahlkampf – klang Merk im Bayerischen Fernsehen auf einmal ganz anders:
Merk: "Ich halte es für wichtig, dass ein transparentes Verfahren unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist und dass jetzt auch die Freilassung von Herrn Mollath eine logische Konsequenz dessen ist."
Nach der Landtagswahl wurde Beate Merk zur Europaministerin in Bayern degradiert, wohl auch als Konsequenz aus der Causa Mollath. Zu sehr hatte sie sich darauf verlassen, dass die Justiz einwandfrei arbeitet. Ein Trugschluss, meint Rechtsanwalt Gerhard Strate:
Strate: "Wir haben viel zu wenig Kontrolle innerhalb des Justizsystems. Die Richter übernehmen die Gutachter der Psychiater häufig unkontrolliert."
Die Causa Mollath hat das Vertrauen vieler in den Rechtsstaat erschüttert. Um dieses wiederherzustellen, hatten Politiker im Sommer eilig versprochen, die strafrechtliche Einweisung in die Psychiatrie künftig besser zu kontrollieren. Von den angekündigten Reformen ist bisher allerdings keine umgesetzt.
Mehr zum Thema