Faksimile-Ausgabe

"Stefan Zweigs letztes Facebook"

Das undatierte Handout zeigt Schriftsteller Stefan Zweig (l) und seine zweite Frau Lotte auf einem Bild von etwa 1940.
Der Schriftsteller und seine zweite Frau Lotte lebten einsam im brasilianischen Exil, bis sie sich 1942 das Leben nahmen. © picture alliance / dpa / Casa Zweig
Kristina Michahelles im Gespräch mit Joachim Scholl  · 25.11.2016
Es war ein lang gehegter Traum, einmal das letzte Adressbuch des Schriftstellers Stefan Zweig zu veröffentlichen, sagt die Mitherausgeberin Kristina Michahelles. Nun ist das Buch auch auf Deutsch erschienen und man sollte zwischen den Zeilen lesen.
Es ist ein kleines, in Leder gebundenes Adressbuch, das jetzt als Faksimilie-Ausgabe auch in deutscher Sprache erschienen ist. Das letzte Adressbuch Stefan Zweigs ist ein Dokument seines Exils im brasilianischen Petropolis. Die brasilianische Journalistin und Übersetzerin Kristina Michahelles hat es zusammen mit Israel Beloch herausgebracht. Sie ist im Vorstand der Casa Stefan Zweig in Petropolis, die heute. Sie war der letzte Zufluchtsort von Stefan Zweig und seiner Frau Lotte, aber auch der Ort, wo beide sich 1942 das Leben nahmen.

Schwierige Recherche

"Das Adressbüchlein gehört der Enkelin des brasilianischen Verlegers von Stefan Zweig", sagt Michahelles im Deutschlandradio Kultur. "Die hat das von ihrem Großvater geschenkt bekommen und rückt das auch nicht raus." Aber sie habe das Original ausgeliehen, damit diese Faksimile-Ausgabe entstehen konnte. "Das ist ein ganz lang gehegter Traum." Das Adressbuch sei faszinierend und ergreifend zugleich, sagt Michahelles. Für die schwierige Recherche der 160 Personen in dem Buch sei sehr viel Spezialliteratur hinzugezogen worden und man habe Spezialisten interviewt.

Alle Freunde in der Diaspora

"Das ist ja Stefan Zweigs letztes Facebook gewesen", sagt Michahelles. Das ergreifende an der Übersicht über dieses enorme Netzwerk von Freunden sei unter anderem, wie viele weggehen mussten und in der Diaspora lebten. "Da ist keine einzige deutsche Adresse dabei", sagt die Journalistin. "Das sind Adressen in Kolumbien, in Chile, in Südamerika sehr viele." Darunter seien auch die Namen bedeutender Schriftsteller wie Carl Zuckmeyer, Franz Werfel, Hermann Broch.

Einsamkeit ohne Freunde

Aus diesem Adressbuch lese man vor allem zwischen Zeilen, sagt die Mitherausgeberin. "Die Tragik und das Drama, die liegen zwischen den Zeilen und zwar in den Namen, die fehlen, die Namen, die dort sind und das, was er sich als Gerüst für die letzten Lebensjahre mitgenommen hat." Stefan Zweig sei ein Seelenfänger gewesen. "Er hatte immer Riesennetzwerke von Freunden." Allerdings seien der Schriftsteller und seine Frau Lotte an ihrem Zufluchtsort im brasilianischen Exil, Petropolis, sehr einsam gewesen.

Israel Beloch und Kristina Michahelles, Stefan Zweig und sein Freundeskreis. Sein letztes Adressbuch 1940-1942, Hentrich & Hentrich Verlag, 27 Euro.

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