Fairtrade-Siegel für Edelmetall

Goldiger Wertewandel entlastet Schürfer

Zwei Blondinen betrachten die Auslagen eines Schmuckgeschäfts im Shopping-Center Boulevard Berlin.
Zwei Frauen betrachten die Auslage eines Juweliers - hier kann bald Gold mit Fairtrade-Siegel ausliegen. © picture alliance / dpa / M. C. Hurek
Von Norbert Zeeb · 04.08.2015
Fairtrade Deutschland möchte ein Siegel für Gold einführen. Derzeit werden geeignete Produzenten, Händler und Juweliere zertifiziert. Das soll belegen, dass Verbrauchsgüter unter fairen Bedingungen produziert wurden. Wie aber wird Gold zum nachhaltigen Produkt?
Passantin: "Gold ist ja auch ein Rohstoff, und natürlich interessiert mich, wo der herkommt und unter welchen Bedingungen der abgebaut worden ist."
Passant: "Ich hab mich damit mal auseinandergesetzt, als ich geheiratet habe, und letztlich war es natürlich auch ein Stück weit eine preisliche Entscheidung, dass wir dann doch zu einem ganz klassischen Juwelier gegangen sind und uns dort dann für Ringe entschieden haben."
Stimmen von Passanten im Hamburger Stadtteil Ottensen, ganz in der Nähe der Goldschmied-Werkstatt von Jan Spille.
Jan Spille steht in seiner Werkstatt und lässt Goldkügelchen in eine Waagschale rieseln. Der Hamburger Goldschmied bezieht seinen Werkstoff seit langem aus nachhaltiger Quelle – hauptsächlich von einer Kleinschürfer-Gemeinschaft in den argentinischen Anden. Hier sammelt sich das Edelmetall in Flussbetten.
Spille: "Ökologisches Fairtrade-Gold ist in jedem Fall eine Marktnische. Als wir 2005 damit angefangen haben, dieses Material als Konzept-Schwerpunkt für unseren Schmuck zu verarbeiten, waren wir deutschland- und weltweit eine der Ersten, die das überhaupt gemacht haben."
Goldschürfen ohne giftige Chemiekalien
Die argentinischen Kleinschürfer sieben das Gold ganz ohne den sonst üblichen Einsatz hochgiftiger Chemikalien wie Quecksilber und Cyanid. Und sie bekommen 110 Prozent des Weltmarktpreises für Gold. Dafür müssen Spilles Kunden letztlich knapp fünfzehn Prozent mehr als für herkömmliches Material bezahlen. Sie vermeiden dadurch allerdings die sozialen und ökologischen Folgekosten des konventionellen Goldbergbaus.
Spille: "Das ist das so genannte Knetring-Modell. Die Paare kneten sich die Ringe gegenseitig selber, wir kriegen die fertigen Wachsmodelle dann hier angeliefert von den Kunden und gießen die dann in 585er- oder 750er-Gold."
Vermutlich ab Herbst wird Spille auch Gold mit dem offiziellen Fairtrade-Siegel ins Sortiment nehmen. In England und in der Schweiz gibt es ein solches Zertifikat bereits, nun soll es auch hier eingeführt werden. Für Claudia Brück, Sprecherin von "Fairtrade Deutschland", ist die Einführung des Gold-Siegels für den deutschen Markt Ausdruck eines Kulturwandels.
Brück: "Ich glaube, dass insgesamt die Frage nach Nachhaltigkeit virulenter ist und immer mehr Konsumenten auch verstehen, dass man nachfragen muss, woher Produkte kommen, auch Gold. Deswegen ist es eigentlich eine logische Konsequenz, dass wir das auch anbieten, insbesondere da es ja auch in den Entwicklungsländern geschürft wird. In den Medien ist es natürlich stärker als in den Köpfen der Konsumenten. Da müssen wir jetzt noch ein bisschen mehr zusammenarbeiten."
Fair soll das Siegel auf jeden Fall in sozialer Hinsicht sein. Vor allem sollen die Goldarbeiter eine zusätzliche Prämie zur Entwicklung ihrer Kommunen erhalten. Zum Beispiel für "Fairtrade"-Gold auf dem britischen Markt wird der Zuschlag bereits seit einigen Jahren gezahlt.
Brück: "Und wir haben gesehen, dass Kinderbetreuung hergestellt worden ist und dass diese Gemeinden, die vielleicht früher nur dafür da waren, um zu arbeiten und dann schnell wieder zurückzukehren zu den Familien, dass das ein auch wirklich lebenswerter Raum wird."
Allerdings bauen die lateinamerikanischen Minen, mit denen Fairtrade Deutschland kooperieren will, das Edelmetall noch immer auf konventionelle Weise ab, in Minen und unter Einsatz von hochgiftigem Cyanid, welches das Gold aus dem Gestein herauslöst.
Fairtrade-Gold für verunsicherte Anleger?
Auch wenn es nur einen winzigen Anteil ausmacht und die eigenen Standards teilweise unterläuft - für Jan Spille geht das "Fairtrade"-Siegel in die richtige Richtung. Der Goldschmied macht sich keine Illusionen: das Edelmetall wird ohnehin gefördert.
Spille: "Heute wird zum Beispiel so viel Gold abgebaut wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Jedes Jahr werden die Zahlen getoppt, auch wenn sich der Goldpreis in den letzten zwei Jahren wieder runterreguliert hat, ist der immer noch so hoch, dass, wie gesagt, so viel Gold abgebaut wird."
Umso deutlicher werden die Folgeschäden: frei herumliegendes Gestein, aus dem im Großbergbau nicht nur Gold, sondern auch Blei, Uran und andere Schwermetalle gelöst werden; Bergarbeiter, die eine Staublunge bekommen und daran früh sterben; oder im Kleinbergbau, in dem mit Quecksilber hantiert wird, hochgiftige Emissionen, die in die Umwelt gelangen. Wie viel wirklichen Wert kann Gold da überhaupt noch haben?
Spille: "Gold wird immer finanziell wertvoll sein, das ist der zentrale Wert, den man dem Gold beimisst. Wenn man jetzt aber weiß, dass das Ganze auf ökologisch und sozial total inkorrekte Art und Weise abgebaut wird, dann hängen diese ganzen Folgeschäden, dies ganze Leid, das man mit dem Gold verbindet, hängt an dem Gold dran, das heißt, man verbindet noch andere Werte damit, nicht Werte im Sinne von 'Das ist wertvoll', sondern im Sinne von: 'Ich habe eigentlich hehre Ziele, ich möchte, dass es Menschen gut geht, ich möchte nicht, dass die Ökosysteme und so weiter aus... darunter leiden, dass jetzt Gold abgebaut wird, und das auch noch für mich als Träger zum Beispiel, als Schmuck ...'"
... oder vielleicht für verunsicherte Anleger inmitten von Währungs- und Finanzkrisen.
Spille: "Und das letztlich Absurde bei der ganzen Geschichte ist ja, dass man das Gold aus dem Tiefsten der Erde, aus dem Dunkel der Erde herausholt, um es dann als Wertanlage wieder in die tiefen Tresore, also ins Dunkle, zurückzuführen, und dass das Gold dadurch überhaupt gar keinen Gebrauchswert hat."
Mehr zum Thema