Fabulierer mit blumiger Sprache

Von Eduard Hoffmann · 27.12.2011
Die Reporterlegende Heinz Maegerlein war selbst ein hervorragender Sportler: Er bewegte sich auf Schlittschuhen ebenso elegant wie auf Skiern. Als Pionier der fachkundigen und schwärmerischen Sportreportage ist Maegerlein unvergessen.
"Guten Tag meine Damen und Herren. Herzlich willkommen zur heutigen Folge von ‚Hätten Sie’s gewusst?’"

Mit dem populären Ratespiel begeistert Heinz Maegerlein elf Jahre lang in der ARD die Fernsehzuschauer. Beim Start der Quizshow 1958 ist der bienenfleißige und zielstrebige Sachse bereits einem großen Publikum als Sportkommentator bekannt. 1956 hatte er erstmals von Olympischen Spielen berichtet, aus Cortina d’Ampezzo:

"In dieser Mittagsstunde des Sonntags haben sich viele tausend Menschen versammelt in 1700 Meter Höhe am Ziel dieses Riesenslaloms der Herren …"

Heinz Maegerlein, am 27. Dezember 1911 in Leipzig geboren, wollte eigentlich Musiker werden. Der Vater war dagegen, und so studierte der folgsame Sohn Germanistik, Geschichte und Sport. Noch während des Studiums machte er 1931 seine erste Hörfunkreportage: von einem Feldhandballspiel.

Die Nationalsozialisten erkannten sein Talent und verpflichteten ihn für die Olympischen Sommerspiele 1936 als Stadionsprecher bei den Kunstturnwettbewerben. Ein Jahr später wurde Maegerlein Sportreporter für den Reichssender Leipzig. Im Krieg berichtete er als Leutnant der Propaganda-Kompanie von der Ostfront. So auch am 2. März 1945 aus der "Festung Breslau":

"Eben peitschte durch die Straßen das Gewehr eines unserer Scharfschützen, der da oben im zweiten Stock sitzt und die Straße hier kontrolliert. Über 30 Abschüsse hat er in den paar Tagen des Kampfes hier im Südteil von Breslau schon erzielt, ein junger Gefreiter."

Nach dem Krieg arbeitet Maegerlein zunächst freiberuflich, wird Redakteur beim "Münchner Merkur" und wechselt schließlich zum Bayerischen Rundfunk. Dort ist er von 1958 bis zu seiner Pensionierung 1976 omnipräsenter Sportchef. Maegerlein gilt als Pionier der Fernseh-Sportberichterstattung:

"Wunderschön dieser Hebesprung, bei dem Hans Jürgen Bäumler Marika völlig mit gestreckten Armen aushob …"

Vor allem seine Eiskunstlauf-Reportagen - hier vom Olympischen Paarlaufen in Squaw Valley 1960 - machen den leidenschaftlichen Sportsmann berühmt:

"Und nun wieder ein Hineinwerfen in die Libelle, eine Auflösung als Pirouette, und jetzt tief liegende Schritte, weit ausholend, die die Musik umdeuten in Bewegung …"

Seine blumige Sprache gerät zwar hin und wieder etwas zu schwärmerisch und ausschweifend, oftmals auch lehrmeisterlich. Stets aber ist die engagierte und präzise Berichterstattung von großer Fachkenntnis und Allgemeinbildung geprägt.

Maegerlein kommentiert zahlreiche Europa- und Weltmeisterschaften und insgesamt 16 Olympische Spiele. Dabei berichtet er von den unterschiedlichsten Sportarten, von internationalen Tennisturnieren oder großen Leichtathletik-Wettkämpfen:

"Jetzt kommt Kaufmann, Kaufmann kommt auf, spurtet – mächtig, immer mehr liegt der Amerikaner zurück im Oberkörper, kommt Kaufmann nach vorn? – ja, ich weiß es nicht."

Auch bei der ersten Fernseh-Eurovisionsübertragung aus Wimbledon 1954 ist Maegerlein dabei. Mit den Kollegen muss er bei brütender Hitze stundenlang in einer Baracke außerhalb des Center Court ausharren:

"Dann brachte man uns Wasser, in Eimern, wir mussten Schuhe und Strümpfe ausziehen, wir zogen’s gern aus, weil es unerträglich war und haben dann sieben Stunden mit nackten Füßen in Eimern, deren Wasser immer erneuert wurde, gesessen, das war sicherlich eine der merkwürdigsten Übertragungen."

1968, nach den Olympischen Sommerspielen in Mexiko, kritisieren sowohl Zuschauer als auch die ARD-Verantwortlichen die Reporterlegende. Er rede zu viel, außerdem verhindere seine Allgegenwärtigkeit den Aufstieg des Nachwuchses. Der "fabulierfreudige" Kommentator erscheint nicht mehr zeitgemäß und wird vorübergehend vom Bildschirm verbannt. Mit 65 Jahren geht Heinz Maegerlein in den "Unruhestand". Er dreht weiter Filme, schreibt Bücher und hält Vorträge, worin er die Auswirkungen der zunehmenden Kommerzialisierung des Leistungssports kritisiert, vor allem das immer raffinierter praktizierte Doping.

1998 stirbt der eigenwillige Pionier der Sportberichterstattung im Alter von 86 Jahren.
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