EZB flutet Kapitalmärkte

Draghis Geldspritze - ein fataler Fehler

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, spricht auf der Pressekonferenz der EZB in Frankfurt vor Journalisten.
EZB-Präsident Mario Draghi bei der Ankündigung des Ankaufs von Staatsanleihen im ganz großen Stil © afp / Daniel Roland
Von Henning Krumrey · 24.01.2015
Die EZB kauft in den nächsten eineinhalb Jahren Staatsanleihen im Wert von über 1,1 Billionen Euro. So werden die Probleme Europas nicht gelöst, sondern nur mit Geldscheinen überdeckt, kommentiert Henning Krumrey und spricht von einer irrsinnigen Operation.
EZB-Präsident Mario Draghi hat nicht zu viel versprochen: "Whatever it takes" – alles Notwendige wollte er unternehmen, um den Euro zu stabilisieren. Man kann es auch etwas umgangssprachlicher übersetzen: "Whatever it takes" – koste es, was es wolle.
Die Entscheidung vom Donnerstag, die Kapitalmärkte mit über 1,1 Billionen Euro zu fluten, ist ein fataler Fehler. Sie geht von falschen Voraussetzungen aus, verfolgt verdeckte falsche Ziele und ruiniert die deutschen Sparer.
Schon die Annahme, Europa marschiere in eine Deflation, trifft nicht zu. Zwar liegt die Inflationsrate tatsächlich nahe Null, aber das ist vor allem ein statistischer Effekt. Denn der rasant abstürzende Ölpreis hat nur Benzin und Heizöl billiger werden lassen. Rechnet man die Energiepreise heraus, liegt die Inflationsrate bei 0,7 Prozent. Jeder Verbraucher sieht das ja täglich selbst: Außer bei Sprit und saisonalem Gemüse sinken die Preise in den Geschäften nicht.
Offiziell begründet die EZB die Milliarden-Schwemme auch damit, die Investitionen in den weiter vor sich hin kriselnden Südländern mittels niedriger Zinsen anzukurbeln. Doch dass dort Unternehmen keine Kredite bekommen liegt zum einen daran, dass etliche Firmen gar nicht kreditwürdig sind; zum anderen gibt es nicht genügend rentable Projekte – obwohl die Zinsen schon so niedrig sind.
Draghi bricht europäische Verträge
Wenn es also gar nicht darum geht, eine Deflation zu verhindern und die Konjunktur dadurch nicht anspringt – worum geht es dann bei Draghis Geldspritze?
Die EZB kauft in den nächsten eineinhalb Jahren europäische Staatsanleihen im Wert von über 1,1 Billionen Euro. Das neu geschaffene Geld drückt das Zinsniveau in Europa. Alle Staaten können so noch günstiger Schulden machen. Vor allem für die Südländer sinkt dadurch der Druck auf Reformen. Denn wenn ich die Löcher im Staatshaushalt fast zum Nulltarif schließen kann, muss ich nicht den Arbeitsmarkt auflockern, das Renteneintrittsalter erhöhen oder Staatsbedienstete entlassen – es mir also mit meinen Wählern nicht verscherzen.
De facto handelt es sich um direkte Staatsfinanzierung, die der Europäischen Zentralbank eigentlich verboten ist. Deshalb behilft man sich mit einem Trick: Die EZB erwirbt die Staatsanleihen nicht direkt vom jeweiligen Finanzministerium, sondern wartet, bis die Stücke an der Börse eingeführt werden. Wenn sie dann nach ein paar Sekunden Computerhandel zugreift, hat sie nicht direkt gekauft, sondern am Kapitalmarkt. Faktisch werden so erneut europäische Verträge gebrochen, um den Euro zu stabilisieren. Nur – die Probleme Europas werden so nicht gelöst, sondern nur mit Geldscheinen überdeckt.
Die langfristige Folgen sind gefährlich
Gefährlich sind – neben dem Erlahmen der notwendigen Reformen - vor allem die langfristigen Folgen des Aufkaufprogramms:
Der auf Jahre absehbare Niedrigzins enteignet die Sparer und entwertet ihre Altersvorsorge. Auf dem Sparbuch liegt die Rendite unter der Inflationsrate – das Kapital wird also langsam aufgezehrt. Und die Lebensversicherungen senken ebenfalls die Verzinsung und können nicht mehr so hohe Überschussbeteiligungen auszahlen.
Die Staaten können sich noch stärker mit billigen Krediten vollsaugen. Deutschland zahlt dank des bisherigen Zinsverfalls jedes Jahr über 10 Milliarden Euro weniger Zinsen, obwohl die Gesamtverschuldung weiter gestiegen ist. Der riskante Fehlschluss lautet: Das sieht doch alles tragbar aus. Aber das dicke Ende kommt erst noch. Denn wenn die Zinsen mal wieder steigen, fressen die nach oben schnellenden Kosten jeden Spielraum in einem Bundes- oder sogar Gemeindehaushalt auf.
Trotzdem wird Deutschland erstmal von der Geldschwemme profitieren. Denn der Eurokurs sackt im Vergleich zum Dollar und anderen Währungen ab. Und das heißt: Deutsche Produkte werden in aller Welt billiger, der Export wird weiter florieren und ein Stück Aufschwung nach Deutschland bringen.
Das zeigt den ganzen Irrsinn von Draghis Operation: Kurzfristig gewinnt sogar das reichste Land. Langfristig verlieren alle.
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