Extrem-Berglauf

Auf die Spitze getrieben

Blick in das Karwendeltal auf dem Weg zum Karwendelhaus
Blick in das Karwendeltal © imago/Frank Müller
Von Fritz Schütte · 08.05.2016
Bergläufer lieben extreme Herausforderungen. Rund 300 Touren gibt es im Alpenraum. Beim Karwendelberglauf misst die Strecke nur elf Kilometer, doch ab Kilometer fünf geht es steil bergauf: 1400 Höhenmeter. Was macht den Reiz aus, zum Gipfel zu joggen?
"Peter für Stefan. – Hier Peter. Kommen. – Wie schaut es bei euch aus? – Ich bin jetzt oben im Ziel, und es ist leichter Nebel über dem Grad. Aber man kann bis zur Röhre runterschauen. Von Gewitter merkt man im Moment nichts."
"Ich weiß jetzt nicht … wo ist denn der Josef? … Und da kommt er ... Da ist er schon oben … Josef, auf geht's! ... Neuer Rekord. ... Joseph, neuer Rekord."
"Und das zu laufen, war schlimm. Ich war oben so fertig, ich habe nicht mehr gewusst, wie ich stehen soll. Und dann ist das Wasserlassen nicht mehr gegangen."
"Zermürbend war diese Steinwüste da, wo man die ganze Zeit herunter geguckt hat, aufpassen musste, dass man einen sicheren, festen Stand hat, bin dauernd weggerutscht ..."
Am Zugfenster zieht das Panorama der Alpen vorbei. Marian Beranek kennt die Namen der Berge. Viele hat er bereits bestiegen.
"Wenn ich wandern gehe, dann gehe ich relativ schnell. Wenn ich zum Beispiel ein Schild sehe, auf dem fünf Stunden dreißig steht, dann schaffe ich das in zwei Stunden."
Ganz wichtig: trinken, trinken, trinken!
Heute will er erstmals auf einen Gipfel joggen. Die Idee kam ihm beim Surfen im Internet.
"Da kann man alle Läufe nach Postleitzahl und nach Monat suchen. Und da habe ich durch Zufall den Karwendelberglauf entdeckt und mir gedacht: elf Kilometer und 1500 Höhenmeter, unter zwei Stunden schaffe ich das auf jeden Fall."
"Nächster Halt Mittenwald!" Moritz Günther steht schon an der Tür. Er ist aufgeregt. Es ist sein erster Berglauf.
"Ich bin mal echt gespannt. Es kann sein, dass es ganz gut läuft. Es kann aber auch sein, dass die Bergwacht einen Einsatz kriegt."
"Hallo, zum Anmelden geht es da lang …"
Unter dem Kirchturm mit den barocken Wandgemälden sind Tische aufgebaut.
"Günther, Moritz. Ich muss noch bezahlen – Ach so, Günther ist der Nachname. Jahrgang 91 stimmt? – Ja. – Zwanzig Euro. – Ja, bitte."
Moritz packt ein T-Shirt aus und seine Startnummer in doppelter Ausführung.
"… und die kleine Nummer bitte am Rucksack befestigen, damit ihr alle euer Gepäck wieder findet ..."
Helfer werfen Rucksäcke auf die Ladefläche eines Pickups. Sie werden mit der Seilbahn auf den Berg geschafft. "Oben kann es frisch sein, unterwegs wird euch die Sonne stechen", sagt Organisator Kurt König. Er steht wie ein Entertainer mit dem Mikrophon in der Einkaufsstraße von Mittenwald.
"Also, trinkt rechtzeitig! Da ist der Doktor Willi Huber. Der ist da kompetenter als ich. Servus Willi, freut mich. Wie gesagt trinken, trinken, trinken. Ganz wichtig."
Einige Läufer tippeln auf der Stelle.
Take 7
Jetzt wird es anstrengend. Aber, wenn du dann losläufst, wird es immer schön.
"Ich laufe Bergläufe mittlerweile. Das ist eigentlich so meines. Ich bin auch schon vier oder fünf gelaufen, aber noch nicht so gaach (steil). Mit den 1500 Höhenmetern fast … da habe ich schon Respekt."
Einer der Favoriten steht etwas abseits. Er startet für Run2gether, einen österreichisch-kenianischen Laufverein.
"Mein Name ist Francis Maina Nyoroge. Ich bin letztes Jahr Dritter geworden. Ich trainiere in Kenia.
Vor einem Jahr waren wir zu dritt, aber dieses Jahr bin ich alleine. Ich bleibe drei Monate in Europa. Dann fliege ich wieder zurück."
Ausgleich zum Job als Bankkauffrau
In dieser Saison habe ich an einem Berglauf in Slowenien teilgenommen, und – mal sehen, wie meine Managerin entscheidet – vielleicht werde ich noch woanders in Deutschland starten.
"Also wir haben … wer sich in der Szene auskennt … ein wirklich erlesenes Starterfeld. Ich kann jetzt nicht jeden Einzelnen aufzählen."
"Yossief Tekele ist da, dann bei den Damen die österreichische Spitzenläuferin Karin Freitag, Melanie Noll …"
"Wir haben noch fünf Minuten …"
"Ich laufe halt einfach gern, und dann habe ich gemerkt, dass es mir einfach mehr liegt, so einen Hügel rauf zu laufen. Berg ab, das kann ich irgendwie gar nicht. Ja, und da hat sich das irgendwie so entwickelt."
Melanie Noll war deutsche Berglaufmeisterin und startet für den TSV Annweiler. Verglichen mit den Alpen ist es dort eher hügelig.
"Und bei uns in der Pfalz gibt es den Pfälzer Berglaufpokal. Das war so der Einstieg und der ist ja eigentlich auch gar nicht schlecht, weil da gibt es einfach nicht die Höhen, und dann habe ich gemerkt, dass es Spaß macht und ganz gut läuft. Und dann hat man sich an schwierigere, also richtige Bergläufe herangetraut, und das hat dann daran geendet, den Karwendelberglauf mitzulaufen."
Melanie setzt die Sonnenbrille auf.
"Ich bin Bankkauffrau. Man sitzt ja im Grunde den ganzen Tag, außer dass man einige Akten herumträgt, und da ist es sinnvoll, dass man sich bewegt. Und dann ist das so der Ausgleich."
Sie startet aus der vordersten Reihe.
"Drei, zwo, eins …"
Der Bürgermeister hebt die Pistole.
Wer vor den Läufern den Gipfel erreichen will, muss sich beeilen.
Kurt fährt im Auto zur Talstation der Karwendelbahn.
"Also, dann sind es über dreihundert Leute?"
Mit so viel Interesse hat er offenbar gar nicht gerechnet.
"Das ist halt so, die Leute gehen ins Internet und sehen: Aha, Wetter vielleicht unsicher. – Das war die letzten zwei Jahre das Problem. – Heutzutage ist ja das einfach, gell."
Ein Polizeiauto fährt am Schluss des Läufertrosses.
"Da vorne sind sie. Die laufen da links rauf jetzt. Das ist der erste kleine Anstieg. Und dann ... Dann geht es rauf."
Es ist der vierzehnte Karwendelberglauf und die Logistik mittlerweile erprobt.
"Wenn wir hineinschreiben: die Rucksäcke müssen bis dreizehn Uhr fünfzehn abgegeben sein, dann hat das einen Grund. Aber das ist in dem Fall nicht der Fall gewesen, weil sie einfach zu spät gekommen sind. Da haben wir die Rucksäcke bis um dreizehn Uhr fünfundzwanzig her transportiert. Und das kann unter Umständen zu spät sein. Weil, wenn das Wetter umschlägt, dann haben die Leute oben keine Bekleidung. Weil die Karwendelbahn, wenn ein Gewitter kommt, nicht fährt. Das Seil lädt sich statisch auf, haben sie uns erklärt. Oder, Steff? Und das bedeutet, dass erst eine Leerfahrt aus Sicherheitsgründen gemacht werden muss, bevor wieder Personen transportiert werden."
Im Sommer drohen Gewitter, im Herbst schickt der Winter Vorboten.
"Je später es wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es oben schneit. Oder, Steff?"
Sieben Minuten braucht die Seilbahn für 1311 Meter Höhenunterschied.
2244 Meter über dem Meeresspiegel ist es merklich kühler. Gerade verhüllen Wolken das Ziel des Laufes: die Nördliche Linderspitze. Wenn es weiter zuzieht, muss es nach unten verlegt werden – zum Beispiel ans Ende des Tunnels, den die Läufer durchqueren müssen.
"Peter für Stefan. – Hier Peter. Kommen. – Wie schaut es bei euch aus? – Ich bin jetzt oben im Ziel, und es ist leichter Nebel über dem Grad. Aber man kann bis zur Röhre runterschauen. Von Gewitter merkt man im Moment nichts. – Gut. Ihr entscheidet oben eh selber und sagt uns Bescheid. – Verstanden. Ende."
Zum Gipfel führen Stufen hinauf. 130 Höhenmeter. Kurt ist Mitte 50 und war früher auch Bergläufer.
"Ich trainiere schon jeden Tag: Mountainbike oder auch den Berg hoch gehen. Aber hoch zu laufen, das ist mir zu intensiv. Das muss ich in meinem Alter nicht mehr machen."
Höhenmeter fast so steil wie eine Leiter
Er hat dreimal hintereinander den legendären Empire State Building Run up in New York gewonnen und war in den neunziger Jahren gern gesehener Gast in Talkshows..
"Ich habe natürlich beim Treppenlaufen schon Erlebnisse gehabt. Das muss man schon sagen. Hallo ... wart einmal! … Toni, Servus. – Hast du dein Funkgerät dabei. Was sagt der Wetterbericht? – Das bleibt so. Ich glaube, dass es sogar wieder aufklart. – Gut, alles klar. – Bis nachher. Ich war mal 1995 vom russischen Sportministerium nach Moskau zum Treppenlauf auf den Ostankino-Tower eingeladen. Der Lauf war so anstrengend, dass ich im Flieger gesessen bin und habe nicht mehr Wasser lassen können. Da war ich völlig überrascht von der Treppe. Die ist die letzten einhundertzwanzig Höhenmeter sind fast wie eine Leiter gewesen. Und das zu laufen, war schlimm. Ich war oben so fertig, ich habe nicht mehr gewusst, wie ich stehen soll. Und dann ist das Wasserlassen nicht mehr gegangen. Und dann bin ich in Garmisch ins Krankenhaus, und da haben die mir sofort einen künstlichen Blasensausgang gelegt, weil es nicht mehr gegangen ist. Und kurz bevor ich eine Rückenmarkspunktion hätte machen lassen sollen, hat es wieder funktioniert."
"Da kommt man ganz schön ins Schnaufen, gell?"
Seit einem Jahr ist Kurt Berglauf-Teammanager beim Deutschen Leichtathletik Verband.
"ch bin dafür zuständig, dass ich den Kader aufstelle, dass ich die Leute dem Bundesausschuss Laufen für Weltmeisterschaften und Europameisterschaften vorschlage. Ich bin für die Ausrichtung der Deutschen Berglaufmeisterschaften zuständig, dass ich einen Veranstalter finde. Das wechselt ja immer ab. Aber in der Vergangenheit ist man immer wieder auf dieselben Veranstaltungen zurückgekommen. Aber ich möchte halt einfach auch den Berglauf nach Norddeutschland bringen. Das ist also mein Fernziel, dass wir am Brocken eine Deutsche Meisterschaft durchführen. Es muss nicht alles im Hochgebirge sein. Blödsinn. Es kann auch am Fichtelberg sein, kann im Thüringer Wald sein oder sonst irgendwo."
Kurt schaut auf die Uhr.
"Ich schätze, in acht Minuten läuft der erste unten aus dem Tunnel heraus."
Er wird das Tempo doch ein wenig anziehen müssen, denn er will oben noch das Stativ für die Kamera aufbauen.
In luftiger Höhe ist das Zielband gespannt. Alle schauen gebannt auf den Ausgang des Tunnels rund 130 Meter tiefer, der manchmal aus den Nebelschwaden auftaucht.
"So, jetzt ist es gleich 59 in fünfzehn Sekunden. – Da ist der erste ..."
Es scheint sich um einen der Favoriten zu handeln. Trainer Franz Herzgsell diktiert schon mal den Namen fürs Protokoll.
"Tekle, so wie man es spricht? – Tekle, ja. Also ohne ck. ka, el, e.- Jussuff. - Yossief. Yspsilon, o, es, es, i, e, ef. – Ist er das? – (Walkie-Talkie) – Da kommt der Zweite – Ich sehe gar keinen Zweiten vor lauter Nebel. – Der ist unterhalb des Schneefeldes. – Ich bin ja froh, dass das Wetter gehalten hat. Das ist erstmal das Wichtigste. – Kann man Englisch mit ihm reden? – Englisch und Deutsch auch. So eine Mischung kann man mit ihm reden."
Franz Herzgsell hat seinen Schützling durch Zufall kennen gelernt.
"Der ist da unten in Zusmarshausen, ist der Asylbewerber gewesen, und dann ist der ins Stadion heruntergegangen und der Trainer hat mich angerufen: 'Du, da ist ein Afrikaner gewesen …' Ja, dann bin ich heruntergefahren. Und seitdem kennen wir uns. Er hat gesagt: er sucht einen Trainer. Und da habe ich gesagt: das mache ich dann schon."
"Der war Juniorenweltmeister im Berglauf 2010. Der ist aus Eritrea praktisch fertig gekommen."
"Ich glaube, das ist der Robby, der zweite. Oh, da kommen noch ein paar. Da muss er Gas geben. – Ich sehe den Josef gar nicht mehr. –Der müsste jetzt vor der Madonna seien. Und das ist der Zweite. – Der weiße, oder?"
"Ich weiß jetzt nicht … wo ist denn der Josef? … Und da kommt er ... Da ist er schon heroben … Josef, auf geht's! ... Neuer Rekord. ... Joseph, neuer Rekord."
Yossief muss sich erstmal hinsetzen.
"Das macht Freude mit dem Jungen. Und daheim, wenn der bei uns immer übernachtet. Der übernachtet öfter bei uns. Der macht sein Bett. Meine Frau sagt, das ist wie gestriegelt, und der hilft, und da gibt es gar nichts. Zu Weihnachten war ich eingeladen bei ihm zum Essen. Da hat er afrikanisch gekocht. Da sind wir zusammen gesessen. Der war noch ein anderer Afrikaner und zwei deutsche waren wir. Und er hat gut gekocht."
"Auf geht's! Da kommt noch einer … Jetzt wird der doch noch überholt … Wer hat wen überholt? Ach, da schau her ... Das ist die erste Dame, oder? Das gibt’s ja nicht."
Rund zehn Minuten nach Yossief kommt Melanie ins Ziel, zwei Verfolgerinnen dicht auf den Fersen.
"Auf geht's, Melanie. Super!" – (Beifall. Melanie im Ziel.)
Ein 400 Meter langer Tunnel führt von der Bergstation der Seilbahn zum Dammkarr, im Winter eine spektakuläre Skiabfahrt.
Jetzt laufen die Bergläufer sie hinauf. Sie ist so steil, dass sie nur mühsam einen Fuß vor den anderen setzen. Ihr Puls rast.
Wer den Tunnel erreicht, hat das Schlimmste geschafft und wird mit Beifall belohnt.
"Es wird jeder wie ein Sieger gefeiert. Die haben halt das Ziel, ins Ziel zu kommen, und sind dann genauso stolz wie der, der gewonnen hat."
Die Afrikanischen Läufer zu besiegen ist schwer
Korbinian Schönberger ist Sprecher des Berglauf-Nationalteams. Er klingt traurig. Für ihn ist die Saison ausgefallen. Er ist verletzt.
"Beim Berglauf läuft man ja nur auf dem Vorderfuß gerade im steilen Bereich. Und die Körperspannung ist dann extrem. Das muss ich jetzt ein bisschen büßen."
Vor zwei Jahren war er deutscher Vizemeister und bei jedem Berglauf vorne dabei.
"Da ist man in so einem Flow drin gewesen, dass man nicht mehr viel hat denken müssen. Da war man mental so stark, da geht man an den Start und weiß: ich kann es, ich habe es drauf, dann ist's gelaufen."
Korbinian ist Landschaftsarchitekt. Bei vielen Bergläufen bekommen es deutsche Starter mit Profis aus Afrika zu tun.
"2013 bin ich hier Zweiter geworden. Da waren drei von denen da. Die habe ich aber alle geschlagen. Das ist schön, wenn man dann Kenianer oder Afrikaner, die schneller als die Europäer sind auch in der Leichtathletik ... das macht einen ein bisschen stolz, wenn man die dann schlägt."
Auch heute hat Korbinians Teamkollege den Läufer aus Kenia kurz vorm Ziel vom dritten Platz verdrängt.
"Weiter unten bin ich gestanden und habe ihm gesagt: 'Bleib dran an ihm! Am Schluss, wenn es steil wird, da schnappst du ihn dir!' Und das geht dann eigentlich nur über dem Kopf und über die Kraft.2
Das Lokal an der Bergstation der Seilbahn füllt sich. Für Bergläufer sind Nudeln und Bier umsonst. Der Sieger sitzt neben seinem Trainer. Er ist schüchtern, traut seinen deutschen Sprachkenntnissen noch nicht so ganz.
"Bis jetzt habe ich keine gute Schule gefunden. Ich brauche einen Intensivkurs. Aber bis jetzt habe ich nicht gefunden."
"Ich bin Eritreer. Jetzt ich habe Asyl beantragt in Deutschland. Jetzt ein Jahr schon in Deutschland. Ich warte auf die Erlaubnis zu laufen für Deutschland. Das ist mein Ziel."
Yossief ist 23 und hat Laufen wie einen Beruf erlernt.
"Als ich klein war, habe ich in meinem Ort trainiert. Dann 2009 war ich Champion von meinem Land.
Mir ging es gut, ich bin Profiläufer. Aber ich bekam Probleme mit den Behörden. Ich wurde zu internationalen Wettbewerben eingeladen, aber der Verband hat abgesagt.
Sie sagten: 'Dich unterstützen wir nicht. Wenn du starten willst, muss deine Familie das Ticket bezahlen und die Versicherungen.' Und meine Familie hat die Reise nach Slowenien bezahlt. Ich bin für Eritrea gestartet und habe gewonnen. Das war 2010. Als ich zurück war, bekam ich Einladungen zu internationalen Wettbewerben, aber der Verband hat abgelehnt.
Als ich 2013 wieder bekam, nach Europa zu reisen, wollte ich nicht wieder zurück, weil sich die Probleme da auftürmten."
"Und über Frankfurt ist er dann nach Deutschland gekommen mit dem Flugzeug. Also nicht durch die libysche Wüste wie viele seiner Freunde, sondern mit dem Flugzeug nach Frankfurt. Dann ist er zuerst nach Norwegen rauf, weil da andere Freunde dabei waren. Sie waren zu fünft. Fünf Eritreer. Und die sind alle nach Norwegen. Ein Manager hatte ihm etwas versprochen… aber das war dann nichts. Viel zu kalt und im Winter so dunkel. Dann ist er nach Deutschland. Und Gott sei Dank sind die Fingerabdrücke in Deutschland abgenommen worden, denn man muss ja immer in das Land, wo man die Fingerabdrücke abgenommen bekommen hat. Und das war, Gott sei Dank, Deutschland."
Eritrea, heißt es im Internetlexikon Wikipedia, sei weitgehend abgeschottet und werde von einer Einheitspartei regiert, die alles kontrolliert. Der Staatspräsident sei ein mitleidloser Diktator. Tausende säßen ohne Rechtsbeistand und Kontakt zu ihren Familien im Gefängnis.
"Ich hatte keine finanziellen Probleme, überhaupt nicht. Mein Problem sind die Behörden. Ich bin Profisportler, will zu Wettkämpfen reisen, aber sie lassen mich nicht.
Die Hauptstadt von Eritrea Asmara liegt über 2000 Meter hoch. Da habe ich trainiert."
"Der war, – das muss man sagen –, ab 15 Jahren war der Profileichtathlet in Eritrea. Zweimal täglich Training."
"Der hat bei seiner Schwester in Asmara geschlafen, ist versorgt worden und war jeden Tag in der Gruppe im Training. Die haben eine Superausbildung. Also, der Laufstil und alles ist einmalig, Koordination, Gymnastik, sehr gute Ausbildung. Und es ist schade, wenn man so einen Athleten nicht zu Weltmeisterschaften lässt, nur weil die Politik nicht stimmt, und weil halt andere mehr schmieren."
Körperliche Einbrüche sind schnell möglich
Franz Herzgsell ist Mitte 60, mehrfacher Europameister in seiner Altersklasse und Leichtathletiktrainer bei der LG Reischenau-Zusamtal.
"Das ist 25 Kilometer westlich von Augsburg. Aber er wohnt inzwischen südlich von Augsburg. Also 40 Kilometer von mir weg. Er kriegt Trainingsbausteine. Und die macht er. Und zu den Wettkämpfen sind wir halt immer beieinander. Ab und zu komme ich zum Training, aber selten. Ich kann nicht jeden Tag vierzig Kilometer fahren, einfach."
"Ich habe nie Berglauf gemacht. Ich war immer auf der Straße, auf der Bahn vor allem und im Gelände, Crosslauf. Weil bei mir sind die Berge ja hundert Kilometer entfernt. Ich habe Familie. Ich kann da nicht viel wegfahren. Aber wenn seine Welt die Bergläufe sind, dann fahren wir in die Berge, gell Josef."
"Und zum Beispiel wie der in einem Wettkampf hineingeht … die deutschen Athleten sind aufgeregt ... und er ist angespannt, klar, muss man sein, Adrenalin muss da sein, aber er ist total locker. Und alle Bergläufe hat er bis jetzt gewonnen, alle. Ja, Servus, grüßt dich. Habt ihr euch das angetan, den Berg? … Echt? … Aber der ist doch knallhart, der Lauf."
"Das war richtig anstrengend. Das wusste ich aber vorher schon und es war ein sehr, sehr spannendes Rennen. Also, beim Berglauf ist ja auch ein Einbruch ganz schnell mal möglich, und dann ist so ein Abstand … das ist in Metern gar nicht viel … das ist Wahnsinn."
Danach gibt's einen Teller Spaghetti
Melanie hat ihre Familie mitgebracht. Ein Ausflug in die Berge ist der Lohn für tägliches Training.
"Da ist ein Kollege aus dem Ort, und dann laufen wir dann meistens vor der Arbeit, so um halb sechs herum etwa. Und da geht es dann so durch den Wald. Und man kann bei uns natürlich auch einen steilen Pfad zehnmal hintereinander hoch laufen, wenn man das so explizit trainieren möchte. Aber das braucht man gar nicht unbedingt. Entscheidend ist, dass einem das Spaß macht und dass einem das liegt irgendwie."
"Das ist ein anderes Ziel, als wenn ich einen Halbmarathon oder einen zehn Kilometer Lauf habe. Dann ist man hier oben, und denkt sich: Wahnsinn. Die Sicht und die Berge. Das ist genial."
Marian holt sich einen Teller Spaghetti. Er ist unter zwei Stunden geblieben. Und Moritz?
"Am Anfang war er bestimmt drei, vier Minuten vor mir. Da habe ich gedacht, den hole ich nie wieder ein. Aber vor der Dammkarrhütte, also vor 1500 Meter Höhe, sitzt er plötzlich neben dran und sagt, er braucht eine Pause. Und da habe ich ihn überholt und dann nicht mehr gesehen."
"So, herzlichen Glückwunsch. "
"Wenn man vom Teufel spricht …"
"Du warst wohl doch ein bisschen schneller. Ja, ich habe nicht ganz die Zwei-Stunden-Marke geschafft. Na ja. Natürlich habe ich zu schnell angefangen und dann, als dann diese Schotterpiste kam, konnte ich nicht mehr. Einmal musste ich mich hinsetzen."
"Zermürbend war diese Steinwüste da, wo man die ganze Zeit herunter geguckt hat und aufpassen musste, dass man einen sicheren, festen Stand hat …"
"… und ab da ist keiner mehr gelaufen zumindest, wo ich war. Da gab es einen, der ist immer wieder so ein Stück gelaufen bei mir in der Nähe, aber die anderen sind alle nur noch gegangen."
"Und dann guckt man hoch und sieht, wie weit es noch hochgeht. Und immer wenn man nach hinten guckt, denkt man, da kommt keiner mehr."
Die Seilbahn pausiert. Im Tal hat es offenbar ein Gewitter gegeben.
"Ja, wir können anfangen. Wir können anfangen. Seid ihr schon gespannt? Aber hallo. Gut, wir fangen an …"
Auf dem Gabentisch liegen Kuverts mit dem Preisgeld für die Sieger. 'Die Fahrtkosten sind wieder drinnen', mehr verrät Kurt nicht – und Sachpreise, darunter ein hüfthohes Weißbierglas.
"Erster Platz, Noll, Melanie, zweiter Platz Katrin Freitag, dritter Platz Meier, Michelle, vierter Platz Kühne, Nora, fünfter Platz …"
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