Exotische Köstlichkeiten im HO-Einheitsbrei

Gesehen von Hannelore Heider · 17.10.2012
Der Titel der Tragikomödie aus dem wahren Alltag der DDR klingt so skurril, dass die Sache eigentlich nur ausgedacht sein kann, aber genau das führt hier auf den Holzweg. Denn Sushi in Suhl gab es wirklich. Das in der Bezirkshauptstadt Suhl hinter dem Thüringer Rennsteig angesiedelte Japan-Restaurant erlangte Weltruf gerade auch seiner ausgesuchten Qualität wegen.
Wie unter der Fuchtel der HO dieses Kleinod ausgefallener kulinarischer Köstlichkeit entstehen konnte, erkundete Produzent Carlo Schmitt in Interviews, die er vor dem Tod mit dem Restauranterfinder Rolf Anschütz machen konnte. Sie werden in der nun vorliegenden Heimatkomödie zu einer märchenhaft fortlaufenden Erzählung, als wahre Geschichte seines Vaters, autorisiert von der Sohnesstimme aus dem Off.

Was dann abläuft, sieht sich an wie ein Schelmenstreich. Doch Rolf Anschütz war in dritter Generation Gastronom, er hatte einfach eine Idee, der er mit Erfindungsreichtum in der Japan-Abteilung seines Weinrestaurants "Waffenschmied" nachjagte. Dass daraus dieser von Japanern und zahlreichen Westbesuchern geschätzte, bei DDR-Bürgern heiß begehrte bunte Hund unter grauem Einheitsbrei werden würde, hat nicht mal er selbst geahnt.

Der Film zeigt ihn als naiven Träumer, der eher seine Familie, denn sein Lebensziel opfert, für Völkerverständigung und Weltfrieden zu kochen. Für diese Lesart ist der in Dresden geborene Kabarettist und Schauspieler Uwe Steimle als Rolf Anschütz die ideale Verkörperung, wie auch andere in der DDR groß gewordene Schauspieler dem Film Authentizität verleihen. Das gilt sogar für die satirisch überspitzen Szenen unter den HO-Bürokraten, die Anschütz mal bekämpfen, mal hofieren, je nach Stimmungslage.

Dass daraus keine wirklich dramatische, sondern eher nur eine putzige Filmerzählung wird, liegt an der pittoresken Ausstattung und der erkennbar festen Absicht, sich hier trotz des realen Hintergrunds auf keinen Fall auf das schwierige Terrain von DDR-Kritik zu begeben. Dabei wäre es in diesem diffusen System gegenseitiger Abhängigkeiten sehr differenziert möglich gewesen!

Die DDR-Bürokraten haben den "König von Suhl" als Devisenbringer und zum Ausweis ihrer Weltoffenheit benutzt und er sie zur Verfolgung seiner Ziele. Das scheint in den satirischen Szenen durchaus durch, trotzdem wird der clevere Geschäftsmann Rolf Anschütz nie als Sympathieträger diskreditiert.

Deutschland 2012. Regie: Carsten Fiebeler, Darsteller: Uwe Steimle, Julia Richter, Deborah Kaufmann, Thorsten Merten, Ernst Georg Schwill, Christian Tramitz, Länge: 107 Minuten, o.A.

Filmhomepage "Sushi in Suhl"
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