"Ex" von Helen FitzGerald

Alle meine Ex-Freunde - sind tot

Eine Gartenschere
Eine Gartenschere spielt in Helen FitzGeralds "Ex" eine nicht ganz unwesentliche Rolle. © Imago
Von Irene Binal · 15.05.2015
Kurz vor ihrer Hochzeit beschließt eine junge Frau, ein letztes Mal mit ihren Ex-Freunden ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen sind die Liebhaber tot. In ihrem Thriller "Ex" hetzt Helen FitzGerald ihre Heldin durch einen wahren Albtraum - mit viel Tempo und schwarzem Humor.
Kurz vor der Hochzeit bekommt manch einer kalte Füße, und die schottische Wohnungsdesignerin Catriona ist da keine Ausnahme. Bevor sie also mit dem italienischen Arzt Joe vor den Traualtar tritt, will sie ihre Ex-Freunde in Edinburgh noch einmal treffen, um sich selbst zu versichern, dass sie das Richtige tut. Ihr spontaner Entschluss, mit jedem von ihnen ein letztes Mal ins Bett zu gehen, erweist sich freilich als fatal: Am nächsten Morgen sind die Lover tot, ihre Genitalien wurden mit einer Gartenschere abgeschnitten, und Catriona, die zu allem Überfluss beim Anblick des besten Stücks ihres Ex-Freundes Achmed in völlig unpassendes Gelächter ausbricht, landet im Gefängnis.
Dabei weiß sie nicht einmal selbst, ob sie eine Mörderin ist, denn sie kann sich an nichts mehr erinnern: "Ich konnte nicht sagen, dass ich unschuldig sei, weil ich es allen Ernstes nicht wusste. Seit meiner Pubertät hatte ich in Stresssituationen zu Blackouts geneigt, genauso wie ich dazu geneigt hatte, mich für schuldig zu halten."
Seit ihrer Jugend leidet Cat unter einer bipolaren Störung
Es ist eine zerbrechliche Heldin, die Helen FitzGerald in ihrem Thriller durch einen wahren Albtraum hetzt. Seit ihrer Jugend leidet Cat unter einer bipolaren Störung, hält sich selbst für verrückt und minderwertig und kämpft mit ihrer unzuverlässigen Erinnerung - und die wiederum bietet FitzGerald die Möglichkeit, den Leser wieder und wieder in die Irre zu führen.
Was hat Cats überfürsorgliche Mutter Irene getan und was nicht? Hat Cat ihre beste Freundin Anna tatsächlich beim Korbballspiel durch ein Foul verletzt? Warum tauchen in Cats Kopf dauernd Bilder von etwas Kaltem, Glänzendem in ihrer Handtasche auf? Im Manuskript der Journalistin Janet, die eine Biografie über Cat schreibt, sucht die junge Frau nach Antworten, nur um zu entdecken, dass Janet sie als eiskalte Mörderin darstellt. Aber ist sie das wirklich?
Mit viel Tempo und rabenschwarzem Humor spinnt Helen FitzGerald ihre Fäden und spielt mit der Ambivalenz einer Wirklichkeit, die so gewesen sein kann, aber auch ganz anders. Oft scheint die Lösung ganz nahe, nur um sich ein paar Seiten später wieder als Chimäre zu entpuppen, und das macht den Roman zu einem veritablen Pageturner.
Dieser Roman ist mehr als ein bloßer Thriller
Dahinter freilich verbirgt sich eine kluge Struktur, in der jede Figur mit ihren eigenen Defekten kämpft - der von seiner verstorbenen Großmutter besessene Joe, Anna, die seit ihrer Jugend in Cat verliebt ist, oder Irene, die die Aufmerksamkeit der Medien geradezu zu genießen scheint. In all dem stellt FitzGerald auch die Frage nach der sogenannten "Normalität", die in ihrem Roman nichts weiter ist als eine dünne Deckschicht, hinter der der Wahnsinn in all seinen Abstufungen lauert.
Diese psychologische Finesse, dieses geschickte Jonglieren mit Schein und Sein, verleiht dem Buch seinen Tiefgang. Man kann den Roman als bloßen Thriller lesen, der mit einer überraschenden Lösung aufwartet - man kann in FitzGeralds ebenso origineller wie rasanter Prosa aber auch viele, viele verborgene Schätze finden.

Helen FitzGerald: Ex
Verlag Galiani, Berlin 2015
240 Seiten, 14,99 Euro

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