Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz

"Ich wollte nie ein Sammler sein"

Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz steht vor einer Wand, auf der ein Entwurf des MOCAA zu sehen ist.
Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz steht vor einer Wand, auf der ein Entwurf des Museums zu sehen ist. © dpa / picture alliance / Kristin Palitza
Von Leonie March · 19.09.2016
In einem Jahr eröffnet in Kapstadt das erste große zeitgenössische Museum Afrikas. Schon vor der Eröffnung wird das "Zeitz MOCAA" in einem Atemzug mit Museen wie der Tate in London genannt. Hinter dem Projekt steht Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz. Was treibt ihn an?
Jochen Zeitz erscheint gewohnt leger: In Turnschuhen und T-Shirt. Ebenso lässig erzählt er von der Geburtsstunde seines neuen Lieblingsprojekts.
"Ich glaub nicht so richtig an Zufälle im Leben. Irgendwo kommen die Dinge zusammen, wie sie zusammen gehören."
Aus dem Fenster der Hotellounge blickt der 53-Jährige auf die Baustelle an Kapstadts Waterfront – dort verwandelt sich das verwaiste Getreidesilo in einen futuristischen Museumsbau. Die Geschichte beginnt jedoch nicht auf afrikanischem Boden, sondern in Miami: Zeitz ist damals noch Vorstandsvorsitzender des Puma-Konzerns, als er den südafrikanischen Kurator Mark Coetzee trifft.
"Innerhalb von einer Stunde war uns klar, was wir zu tun hatten. Und das Schöne ist, dass das in so einem unglaublichen Tempo geklappt hat. Dass wir die richtige Location gefunden haben, die Sammlung so aufbauen konnten – 'under the radar' wie man so schön sagt. Und so schnell wirklich auch das umsetzen konnten, was wir uns erträumt haben."

"Möglichst in die Tiefe gehen"

Ein zeitgenössisches Museum für Afrika. Ein Kontinent, der Jochen Zeitz schon lange fasziniert. Mehrere Monate im Jahr verbringt er auf seinem Landsitz in Kenia. Die Kunstszene hatte den Newcomer zunächst tatsächlich nicht auf dem Radar. Doch das änderte sich schnell: Beraten von Direktor und Chefkurator Coetzee, kauft er seit 2008 Kunst in großem Stil auf Biennalen und Messen. Gern auch ganze Ausstellungen. Als Sammler sieht er sich trotzdem nicht.
"Ich hab ja gesagt, ich will eigentlich nie ein Sammler sein, sondern wir wollen ein Museum bauen und ich will eine Sammlung zusammenstellen. Das heißt, wir haben von Anfang an eine klare Strategie gehabt: Repräsentativ für Afrika, für die Einflüsse von Afrika auf die Welt. Man kauft jetzt natürlich auch, wenn man ein Museum als Ziel hat, einen Künstler nicht nur in seinem Einzelwerk, sondern soweit wie möglich auch repräsentativ. Das heißt, wir versuchen, wenn wir uns mal für einen Künstler entscheiden, auch möglichst in die Tiefe zu gehen."
Viele dieser Künstler sind in der zeitgenössischen Kunstszene Afrikas und ihrer Diaspora keine Unbekannten: Nicholas Hlobo, Edson Chagas, Zanele Muholi. Doch den Vorwurf, die Sammlung stütze sich vor allem auf große Namen, lässt Jochen Zeitz nicht gelten:
"Also die Mehrzahl der Kunstwerke, die ich jetzt gekauft habe, ist von noch unbekannten oder aufstrebenden Künstlern. Wir sind ja ein zeitgenössisches Museum und insofern ist der Fokus ganz klar 21. Jahrhundert. Und das ist das Schöne, dass wir dann auch die Entwicklung der Infrastruktur forcieren können. Gerade für junge Künstler in Afrika."

Kritik: Weiße Männer entschieden über afrikanische Kunst

Sein Konzept erntet viel Lob. Ein solches Museum sei überfällig gewesen, heißt es in der Kunstszene unisono. Kritiker bemängeln jedoch die Doppelfunktion von Mark Coetzee als Chefkurator und Museumsdirektor. Um dem Anspruch der Repräsentativität gerecht zu werden, benötige man ein größeres Auswahlkomitee.
In diesem Zusammenhang stößt vor allem in Südafrika auch teils bitter auf, dass hier zwei weiße Männer über afrikanische Kunst entscheiden. Jochen Zeitz macht eine wegwerfende Handbewegung.
"Ich sag mal, ich bin immer jemand, der global denkt und der viel in der Welt rumgekommen ist und ich denke einfach nicht in diesen, sagen wir mal, abgedroschenen Klischees. Mark ist Südafrikaner und ich bin Deutscher, der seit 1989 viel in Afrika unterwegs ist. Und insofern denke ich: Es hätte ja ein anderer machen können. Aber es hat keiner. Am Ende des Tages ist es ein Museum für alle."
Zeitz betont die Gemeinnützigkeit seines Projekts: Einmal in der Woche solle freier Eintritt gewährt werden, damit Südafrikaner, die es sich normalerweise nicht leisten können, das Museum besuchen könnten. Programme für Schulen sind geplant, in denen es teilweise keinen Kunstunterricht gibt. Und auch die Ausstellungen sollten nicht auf ein fachkundiges Publikum zugeschnitten sein.

Klischeehaftes Bild überdenken

"Die Hemmschwelle, die muss man unbedingt so niedrig wie möglich halten. Also man soll es nicht zu schwierig und zu komplex machen. Und man braucht das auch gar nicht: Denn das Schöne an der afrikanischen Kunst ist, dass die Botschaft der Kunst wirklich eine einfachere Zugänglichkeit hat, weil sie eben soziale Themen, Umweltthemen, politische Themen wirklich so plakativ auch beim Namen nennt. Und deswegen wollen wir auch kein Museum aufbauen, was jetzt moderne Kunst hat, die in einen historischen Kontext gesetzt werden soll. Wobei natürlich ein Museum sich auch mit der Vergangenheit auseinandersetzt."
Wenn das tatsächlich gelänge, wären diese gebündelten künstlerischen Auseinandersetzungen mit den Themen, die dem Kontinent momentan auf den Nägeln brennen, nicht nur für Afrikaner ein Gewinn.
Besucher aus aller Welt, die als Touristen nach Kapstadt kommen, könnten so ihr häufig klischeehaftes Bild des sogenannten schwarzen Kontinents überdenken. Das wäre jedenfalls der Wunsch von Jochen Zeitz. Ob sein Museum diesen hehren Ansprüchen gerecht wird, bleibt noch zu beweisen. Eine Chance ist es allemal.
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