Ex-CSU-Chef schließt Schwarz-Grün nicht aus

04.10.2013
Ab heute sondiert die Union mit der SPD, in der kommenden Woche dann mit den Grünen. Der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber schätzt die Chancen für eine Große Koalition zwar größer ein. Dennoch dürfe sich die Union Gesprächen mit den Grünen nicht verweigern.
Julius Stucke: Wenn man starke Bauchschmerzen hat, Ursache vielleicht Probleme am Magen, dann kennt die Medizin die Magensonde. Mit der Sonde sucht man die genaue Ursache des Übels. Dann muss man aber natürlich auch noch eine Lösung finden, eine passende Behandlung. Bauchschmerzen haben sicher, ob sie es zugeben oder nicht, auch die Parteien seit dem Bundestagswahlergebnis. Hier ist die Ursache klar, keiner kann alleine oder in der Kombination wie gewünscht, und gegensätzliche Positionen machen es zusätzlich schwer. Hier heißt die Sonde Sondierung und man schaut damit mal, ob man die Probleme, die gegensätzlichen Positionen denn loswerden könnte, und ob es dann lohnt, sich zu behandeln, also über eine Koalition zu verhandeln.

Heute Mittag geht es los, CDU und CSU sondieren mit der SPD, und nächste Woche folgen dann Gespräche mit den Grünen. Am Telefon ist jetzt Erwin Huber, früherer CSU-Vorsitzender. Guten Morgen, Herr Huber!

Erwin Huber: Guten Morgen!

Stucke: Herr Huber, die größten Bauchscherzen, so scheint es, hat Ihre Partei bei der Vorstellung, es könne vielleicht zu Schwarz-Grün kommen, oder?

Huber: Nein, wir gehen auch mit den Grünen nächste Woche in offene Sondierungsgespräche. Im Übrigen gefällt mir das Bild mit der Magensonde nicht so recht, es wird eigentlich eher geprüft, ob man Hochzeitsglocken bestellen darf. Denn diese Vorgespräche haben natürlich eigentlich die Aufgabe, abzutasten, gibt es eine belastbare Grundlage für ein festes Bündnis auf Zeit? Nicht auf ewig, sondern für die nächsten vier Jahre. Und das ist der Sinn dieser Sondierungsgespräche.

Stucke: Aber Herr Huber, Hochzeitsglocken und auf Zeit, das passt doch eigentlich nicht so ganz zu Ihrem Weltbild, oder?

Huber: Ja, normalerweise nicht zu unserem Weltbild, das ist richtig, aber der Zeitgeist ist natürlich in Berlin ein anderer.

Stucke: Schwarz-Grün ist für Sie also durchaus möglich? Das klingt in Ihrer Partei aber völlig anders!

Huber: Wir sagen deutlich, dass wir nach unserer politischen Einschätzung die Chance für eine Große Koalition mit der SPD größer und besser einschätzen. Aber wir verweigern uns auch den Gesprächen mit den Grünen nicht, obwohl deren Handlungsfähigkeit begrenzt ist im Moment und obwohl natürlich die Gesellschaftspolitik von Union und Grünen weit auseinander ist. Das heißt also, das ist durchaus auch ein Sondierungsgespräch, um das vielleicht auf den Prüfstand zu stellen, aber nach unserer Einschätzung sind die Chancen, die Schnittmenge, wie man sagt, der Gemeinsamkeit mit der SPD größer.

Stucke: Das heißt auch, Sie sollten heute alles daran setzen, dass die SPD und die CSU und die CDU aufeinander zukommen. Wie könnten Sie denn auf die SPD zugehen?

Huber: Es wird heute mit Sicherheit nicht darum gehen, dass man die verschiedenen Politikbereiche bereits abtastet, denn das ist in der kurzen Zeit ja gar nicht zu leisten. Sondern es geht darum, gibt es den Willen von beiden Partnern oder von den drei Partnern zu einer Koalition, gibt es die Vertrauensbasis dazu? Man wird wahrscheinlich die SPD noch mal fragen, wie hält man es dort mit den Sirenengesängen der Linken, die ja nun ständig die SPD in ein rot-rot-grünes Bündnis ziehen wollen. Das muss klargestellt werden. Auch die Tatsache, dass man vier Jahre zusammenarbeiten will und nicht zwischendrin ein konstruktives Misstrauensvotum macht.

Also, es geht um die grundsätzlichen Fragen, ist die Chance da, vier Jahre eine stabile Regierung zu bilden? Und dann wird man nach den zwei Sondierungsgesprächen auf der Unionsseite sicher entscheiden, mit wem man ganz konkret Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Man kann ja nicht Parallelverhandlungen führen, denn das wäre ja auch eine Täuschung des Partners. Also, jetzt haben diese Sondierungsgespräche doch eine ganz grundsätzlich elementare Weichenstellung zur Folge.

Stucke: Gut, aber wenn es jetzt erst mal um eine Weichenstellung geht, Herr Huber, dann ändert das nichts daran, dass Sie irgendwann auch über Inhalte reden müssen. Und da ist man doch völlig gegensätzlich bei Positionen wie Steuererhöhung, ja oder nein, Betreuungsgeld abschaffen oder beibehalten, Mindestlohn flächendeckend oder branchenspezifisch. Wie lassen sich diese Konflikte zwischen SPD und CDU/CSU lösen, wenn das denn die beste der Lösungen wäre als Koalition?

Huber: Das sind Sachthemen, die in der Tat sehr schwierige Verhandlungen mit sich bringen werden, ist gar keine Frage. Aber in einer Demokratie muss man in Sachfragen auch in der Lage sein, sie zu klären, so oder so. Da wird es also nicht nur Gewinner und nur Verlierer geben können, es geht ja um einen Koalitionsvertrag, nicht um einen Kapitulationsvertrag. Aber die grundsätzliche Bereitschaft, dass man aufeinander zugeht, das ist eigentlich in den Sondierungsgesprächen im Vordergrund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da schon einzelne Sachfragen abhakt, denn es würde ja nun auch bedeuten, dass dann schon eine Vorentscheidung in einer Sachfrage fällt und einer einseitig nachgibt. Es wird insgesamt ein Gesamtpaket an Kompromissen sein, das sicherlich für alle der Partner gewisse Zumutungen mit sich bringen wird. Aber das ist ja auch der Wählerauftrag, jetzt eine gemeinsame Regierung zu machen. Der Wunsch der Menschen ist ja eindeutig eine Große Koalition, und das muss eigentlich heute auch als Überschrift über diesen Sondierungsgesprächen sein.

Stucke: Herr Huber, aber warum werden dann vorher solch hohe Mauern gezogen? Warum sagen Politiker wie Horst Seehofer, wir bleiben bei unserer Position, Steuererhöhungen gibt es nicht? Wenn man solche Mauern aufzieht, dann passt doch das alles nicht zu diesem Wunsch der Bürger, den Sie gerade geäußert haben, zu einem Wunsch der Großen Koalition?

Huber: Aber die sind doch nicht von heute, das ist doch bei allen Tarifverhandlungen ebenso, dass man zunächst die klaren Positionen macht und dann geht man in die Verhandlungen hinein. Die Bundeskanzlerin ist eine außerordentlich erfahrene, geschickte Verhandlungsführerin und wer in Europa zu erfolgreichen Ergebnissen kommt mit 27 Ländern, der schafft es auch in Deutschland mit drei Partnern.

Stucke: Aber dann wird irgendwer am Ende sein Gesicht verlieren müssen!

Huber: Nein, glaube ich nicht. Das Gesicht verlieren, das wäre im Grunde der Keim des Versagens oder des Scheiterns. Es muss ein Kompromiss sein, mit dem sich alle Beteiligten auch sehen lassen können. Und deshalb, meine ich, sollte man auch in den Medien immer sagen: Kompromisse sind etwas Positives in der Demokratie, man sollte sie nicht einfach mit dem Attribut faul versehen.

Stucke: Sagt Erwin Huber, früherer CSU-Vorsitzender, vor dem Beginn der Sondierungen heute zwischen SPD und Union. Herr Huber, ich danke und wünsche einen schönen Tag!

Huber: Schönen Tag!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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