Evangelische Kirche Deutschland

Keine Absage an die Judenmission

Eine Martin Luther Playmobil-Figur steht auf dem Rednerpult des Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bedford-Strohm, während seiner Rede im Mai 2015 bei der 12. EKD-Synode in Würzburg.
Streitbare Figur in der Geschichte der evangelischen Kirche: Eine Martin-Luther-Playmobil-Figur steht bei der Frühjahrs-Synode auf dem Rednerpult © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Anne Françoise Weber · 15.11.2015
In Bremen hat in der vergangenen Woche die Synode der evangelischen Kirche in Deutschland getagt. Dort distanzierte man sich klar von den judenfeindlichen Äußerungen von Martin Luther, zu einer Absage an die Mission von Juden konnte man sich aber nicht durchringen.
Schon bei seinem Grußwort am ersten Tag der EKD-Synode in Bremen gab der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, dem evangelischen Kirchenparlament eine Hausaufgabe. Er lobte ausdrücklich den Entwurf einer Synodenerklärung zu den judenfeindlichen Schriften Martin Luthers, fügte aber hinzu:
"Was wir allerdings in dem Textentwurf vermissen, ist eine ebenso deutliche Distanzierung von der Judenmission. Ihr Urteil, dass Luther die biblischen Aussagen zu Gottes Bundestreue gegenüber seinem Volk und zur bleibenden Erwählung Israels verkannt habe, wird nur dann glaubwürdig, wenn Sie jeder Form von Judenmission eine klare Absage erteilen."
Eine solche klare Absage haben einige der zwanzig Gliedkirchen der EKD durchaus schon formuliert, und auch auf EKD-Ebene gab es dazu bereits Erklärungen. So hatten die Synoden der Evangelischen Kirchen im Rheinland, in Westfalen und Berlin-Brandenburg zwischen 1980 und 1999 Erklärungen verfasst, in denen Judenmission klar abgelehnt wird. Dennoch sei es nicht möglich gewesen, eine solche Distanzierung auch in den von der Synode verabschiedeten Text zu den judenfeindlichen Schriften Martin Luthers aufzunehmen, erklärt die Präses der Synode Irmgard Schwaetzer - zu unterschiedlich seien die Positionen in der EKD. Sie will in den nächsten Monaten öffentliche Anhörungen, Studientage und Diskussionen zum Thema veranstalten.

"Ich hoffe sehr, dass uns gelingt, dann tatsächlich festzustellen, was wir gemeinsam sagen können, und das kann in meinen Augen eben nur eine klare Absage sein."
Ob die Synode allerdings wirklich in einem Jahr eine solche klare Absage an die Judenmission formuliert haben wird, da ist sich auch Schwaetzer nicht sicher. Besonders umstritten ist das Thema in der württembergischen Landeskirche. Dort hatte sich die Synode zwar im Jahr 2000 auch gegen Judenmission ausgesprochen - im Vor- und Nachgang sprachen sich aber zahlreiche Theologieprofessoren und Pfarrer dafür aus. In Bremen erklärte der Synodale Steffen Kern, der in der Tradition des württembergischen Pietismus steht:

"Es gibt in der Landeskirche natürlich verschiedene Positionen. Zunächst einmal das Anliegen, dass wir mit Menschen, die sich als messianische Juden verstehen, in einem engen Zusammenhalt leben."
"Der Begriff der Mission ist ungeeignet"
Zuletzt war beim Kirchentag in Stuttgart im Juni eine heftige Diskussion um die Teilnahme von messianischen Juden entbrannt – also Gläubige, die sich als Juden begreifen, aber zugleich an Jesus als den Messias glauben. Sie wollten sich mit einem Stand am Markt der Möglichkeiten beteiligen. Der Kirchentag lehnte ab – so wie er das in der Vergangenheit schon immer getan hatte. Als Kompromiss allerdings gab es zum ersten Mal eine Veranstaltung im offiziellen Programm, bei der ein messianischer Jude auftrat. In Württemberg ist auch der "Evangeliumsdienst für Israel" angesiedelt, der sich um messianische Juden kümmert und auf dessen Webseite es heißt:
"Wir setzen uns dafür ein, dass jüdische Menschen erfahren, dass Jesus von Nazareth ihr Messias ist."
Dennoch glaubt Steffen Kern, dass auch in seiner Landeskirche niemand unbedingt am Begriff der Judenmission festhalten würde:
"Und dann gibt es auch einen Konsens, so würde ich das einschätzen, dass Juden und Christen gemeinsam an den Gott des Alten Testaments glauben. Und insofern ist der Begriff der Mission ungeeignet. Wohl aber der des gegenseitigen Zeugnisses, das wir in den Dialog miteinbringen. Und da gehört auch das Christuszeugnis dazu, so würde ich das verstehen."
Das Wort "Christuszeugnis" ist auch für Präses Irmgard Schwaetzer grundsätzlich unproblematisch. Allerdings ist sie der Ansicht, dass die Idee der Judenmission nicht überall vom Tisch ist.
"Zumindest gibt es im evangelischen Spektrum Stimmen, die das sehr nachdrücklich vertreten. Mit denen müssen wir reden. Mit denen müssen wir über die theologische Bedeutung der bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes als Gottesvolk reden und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Der andere Diskussionsstrang besteht eben darin: Was ist für uns Mission?"
Sehr unterschiedliche Ansichten innerhalb der EKD
Anders gefragt: mit welchem Ziel und mit welcher Aufdringlichkeit wird Juden gegenüber von Christus gesprochen – und da bestehen wohl weiterhin sehr unterschiedliche Ansichten, auch innerhalb der EKD.
Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, rät unterdessen denen, die sich weiter für Judenmission einsetzen, die Dimensionen nicht aus dem Blick zu verlieren:
"In Deutschland wird auch solchen Gruppierungen ja deutlich sein, dass wenn in Eisleben, wo Luther geboren und gestorben ist, sieben Prozent der Menschen Mitglied einer Kirche sind, die Frage, wen wir missionieren, vielleicht sich in der Priorität mal anders setzt, als dass man jetzt gerade Judenmission ins Zentrum stellen müsste, um es jetzt vorsichtig auszudrücken."
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