Europäische Union

Osterweiterung benötigt eine Pause

Mehrere Fußgänger flanieren über die geschmückte Haupteinkaufsmeile der serbischen Hauptstadt Belgrad.
Hoffnungsvolle Serben: Der Balkanstaat will bis 2020 in die EU aufgenommen werden. © dpa picture alliance / Koca Sulejmanovic
Moderation: Nana Brink · 21.01.2014
Serbien habe Fortschritte gemacht im Umgang mit dem Kosovo, sagt der CDU-Europapolitiker Elmar Brok. Für einen Beitritt zur Europäischen Union sei das Land aber noch nicht reif.
Nana Brink: Gleich am Anfang stehen die ganz großen Brocken, die Themen, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man sich Serbien als Mitglied der Europäischen Union vorstellt. Es geht um eine unabhängige Justiz, um Menschenrechte und natürlich das ungelöste Problem namens Kosovo. Heute beginnen offiziell die Beitrittsverhandlungen zwischen Serbien und der EU. Serbien und seine frühere Südprovinz blieben diesem Prozess der Eingliederung wegen der Auseinandersetzungen über die Abspaltung des Kosovos ja lange fern, während Slowenien und Kroatien, zwei Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawiens ja bereits EU-Mitglieder sind.
Wir wollten darüber mit dem CDU-Politiker Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament sprechen. Den erreichen wir leider nicht.
Gleich am Anfang stehen die ganz großen Brocken, die Themen, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man sich Serbien als Mitglied der Europäischen Union vorstellt. Die unabhängige Justiz, Menschenrechte und natürlich das Kosovo. Am Telefon ist jetzt der CDU-Politiker Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Schönen guten Morgen, Herr Brok!
Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Diese Beitrittsverhandlungen sollten ja eine Belohnung sein für Serbien für angebliche Kompromisse im Kosovo. Seit Jahrzehnten sehen wir allerdings, dass das Problem ungelöst ist. Die Integration der Serben liegt in weiter Ferne - wo ist denn da ein Fortschritt?
Brok: Es gibt eine Vereinbarung zwischen Kosovo und Serbien, und ich glaube, dass Serbien akzeptiert, dass etwa bei Kommunalwahlen, die schwierig genug waren zu gestalten, jetzt im Kosovo eingegliedert sein kann, ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt. Ich glaube, die Vereinbarung, die es insgesamt zwischenzeitlich mit dem Kosovo gibt, gibt jetzt die Möglichkeit eines Modus Vivendi, der schrittweise die Möglichkeit gibt, die Spannungen abzubauen. Allerdings sind die im Kosovo lebenden Serben nicht sehr erfreut.
Brink: Aber alle Fachleute gehen davon aus, dass es eher einen Stillstand geben wird. Sie haben es angesprochen, es gab Wahlen, es wird dieses Jahr wieder Wahlen geben, sowohl in Serbien wie auch im Kosovo, und es ist nicht einzusehen, dass beide Parteien aufeinander zu sich bewegen oder das aktuelle Thema wirklich angehen.
"Ein wichtiger Schritt zur Befriedung der Region"
Brok: Ja, aber ich glaube, dass Serbien selbst einen positiven Beitrag geleistet hat und hier Möglichkeiten geschaffen hat. Wir fangen ja noch nicht mit dem Kosovo an zu verhandeln, da ist die interne Entwicklung in der Tat noch nicht ausreichend. Und wir müssen auch sehen, dass gegenüber Serbien, natürlich Serbien nicht die Entwicklung gemacht hat, dass man sagen kann, jetzt ist Serbien reif für die Europäische Union. Aber ich glaube, Serbien hat eine innere Entwicklung gemacht, sie hat einen Beitrag geleistet, auf Dauer, noch nicht abgeschlossen, das Problem der früheren autonomen Provinz Kosovo zu lösen. Und die ist aber eine sehr schmerzliche Frage für Serbien gewesen. Das Kosovo ist verstanden worden, wird von vielen Serben verstanden als der Kern des Serbentums. Da hat die große Schlacht stattgefunden, das große Kulturdenkmal, die großartigen Kirchen, die im Kosovo sind, die orthodoxen Kirchen. Dass jetzt Serbien bereit ist, dort zum Ausdruck zu bringen, dass das Kosovo nicht mehr Teil Serbiens ist, ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt zur Befriedung der Region.
Brink: Sie haben es selber angesprochen, Serbien wäre vom heutigen Stand aus betrachtet nicht reif für die Europäische Union. Wo liegen denn noch weitere Defizite.
Brok: Wir müssen sehen, dass die Entwicklung der Wirtschaft noch nicht so ist, dass man sagen kann, dass voller Wettbewerb da ist und volle Wettbewerbsfähigkeit da ist. Wir müssen sehen, dass Korruption eine große Rolle spielt, wie in all diesen Ländern. Die Fragen, die mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben und manches mehr. Und deswegen wird es ein langer Verhandlungsprozess sein. Da müssen über 30 verschiedene Themen verhandelt werden, die jeweils einstimmig im Ministerrat geöffnet und abgeschlossen werden müssen. Das Europäische Parlament muss zum Schluss entscheiden - das ist ein Prozess, der irgendwie zwischen fünf und acht Jahre dauert, bis diese Verhandlungen abgeschlossen sind.
Brink: Also hat Bundeskanzlerin Merkel recht, dass sie gesagt hat, es müsse bei der Osterweiterung erst mal eine längere Pause geben?
Erst konsolidieren, erst dann erweitern
Brok: Ich glaube, ja. Wir müssen die Europäische Union konsolidieren. Als wir Mitglied der Europäischen Union wurden, da waren wir neun Mitglieder, jetzt sind wir 28. Das muss zum Funktionieren gebracht werden. Da kann man nicht schnelle Erweiterungen machen. Und vor allen Dingen müssen wir sehr viel Sorge dafür tragen, dass die Länder selbst auch fit sind. Und gerade die Frage der Rechtsstaatlichkeit, der Unabhängigkeit der Gerichte, die Verhinderung von Korruption muss von uns sehr viel intensiver verhandelt werden und man muss sehr viel intensiver auf die Umsetzung dieser Dinge achten, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war, damit es im Interesse der Länder und in der Entwicklungsfähigkeit der Europäischen Union dann wirklich funktioniert.
Brink: Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Schönen Dank, Herr Brok, für das Gespräch!
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