Europäische Union

Brückenbauen zwischen Nord und Süd

Von Sabine Hackländer · 15.01.2014
Griechenland hat für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Athen könnte ein glaubwürdiger Vermittler sein zwischen reichen und armen EU-Ländern.
Was wäre Europa ohne Griechenland, ohne seine Philosophen, Mathematiker, seine Theaterkunst und Literatur? Auf jeden Fall nicht die große Zivilisation, die sie heute ist, erklärte erst kürzlich EU-Kommissionspräsident Barroso. Und fügte hinzu: Schon allein deshalb stehe ganz Europa tief in der Schuld Griechenlands. Warme Worte für ein Land, das sich so mancher Eurokritiker lieber heute als morgen ganz weit weg wünscht von Europa.
"Länder wie Griechenland oder Portugal haben in der Euro-Zone nichts zu suchen. Sie funktionieren ganz anders als Länder wie Deutschland, Holland oder Flandern. Die meisten der Südländer werden niemals wettbewerbsfähig sein."
Den flämischen Rechtspopulisten Philip Claeys schaudert es bei dem Gedanken, dass ein Krisenstaat wie Griechenland nun die Europäische Union anführt. Dabei ist die Sorge vollkommen unbegründet, sagt der Politologe Janis Emmanouilidis vom European Policy Center in Brüssel. Immerhin übernehme das Land zum fünften Mal den halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz, habe also eine gewisse Erfahrung vorzuweisen.
Geberländer und Krisenstaaten versöhnen
"Zweitens, die Ratspräsidentschaft hat nicht mehr die Bedeutung, die sie in der Vergangenheit hatte, es gibt andere Organe wie den Präsidenten des Europäischen Rates, der Verantwortung übernommen hat, der hohe Repräsentant für die Außenpolitik, also man hat die Aufgaben der Ratspräsidentschaft auf viele Schultern verteilt, von daher ist die Rolle einer rotierenden Präsidentschaft nicht mehr die, die sie in der Vergangenheit war."
Und so wird das Land auch sicher keine Möglichkeit haben, Einfluss auf sein eigenes Rettungsprogramm zu nehmen, um womöglich weniger zu sparen als gefordert. Aber darum geht es ohnehin nicht in den kommenden sechs Monaten, meint der FDP-Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimakakis. Seiner Meinung nach liegen die Chancen dieser Ratspräsidentschaft ganz woanders.
"Wenn es gelingt die Geberländer, also die Gläubiger Griechenlands, ruhig und zufrieden zu stellen, auch als Ratspräsident, dann wird das auch dazu beitragen, dass die Abkehr von Europa bei vielen Menschen, sowohl im Norden Europas, auch in Deutschland, aber vor allem im Süden, wo Europa gleichgesetzt wird mit Sparpolitik, auch mit ungerechter Sparpolitik. Wenn die Griechen es verstehen, den Trend zu drehen, dann haben wir eine Chance, dass es eine große Ratspräsidentschaft wird."
Asylpolitik, Bankenunion, Datenschutz
Der Krisenstaat als Brückenbauer, glaubwürdiger Vermittler zwischen reichen und armen EU-Ländern. Die Strategie dazu könnte folgendermaßen aussehen, erklärt der Politologe Emmanoulidis:
"Ich glaube, dass im Kontext der Krise und der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion vor allem die sozialen Aspekte, Aspekte sind, die die griechische Ratspräsidentschaft fördern wird und dort auch Unterstützung erhält von anderen Staaten, die besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden aufgrund der Krise. Vor allem die Italiener, die Spanier, die Portugiesen, aber auch teilweise die Franzosen. Ob am Ende des Tages etwas dabei herauskommt, das muss man abwarten."
Daneben hat sich die griechische Regierung vorgenommen, in Fragen der EU-Migrations- und Asylpolitik voranzukommen, schließlich ist das Land ebenso wie Italien täglich mit der Flüchtlingsproblematik konfrontiert. Außerdem wird die Fischereipolitik ein Schwerpunkt sein. Und dann gibt es ja auch noch Dinge, die ganz einfach abgearbeitet werden müssen, dazu zählt die Umsetzung der Bankenunion ebenso wie Fortschritte in der gemeinsamen Energiepolitik. Viel Arbeit und große Erwartungen, wie die von EU-Jusitzkommissarin Reding in Sachen Datenschutz.
"Der Datenschutz ist seit zwei Jahren in der Ausarbeitung und die griechische Präsidentschaft bereitet sich jetzt schon seit sechs Monaten darauf vor, um gleich im Januar zusammen mit dem Europaparlament Nägel mit Köpfen zu machen. Die Griechen werden vorankommen."
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