Europäer singen afrikanische Lieder

Von Maria Riederer · 09.11.2012
Wenn Makwaya auftritt, können sich Zuschauer und Zuhörer auf Lieder, Tänze, Geschichten und selbst genähte afrikanische Kostüme gefasst machen. Sie werden einiges über Afrika erfahren - von einem rein europäisch besetzten Chor.
Als Henning Wolf das Lied "Bele Mama" anstimmt, ist schnell kein Halten mehr. Der ganze Chor fällt mit ein, singt tanzt, flirtet – ein fröhliches Lied, an dem alle eine Menge Spaß haben.

"Das sieht und hört sich so fröhlich an, ist eigentlich ein Protestlied, kommt aus Nigeria, ich glaub 1970, die Engländer waren noch immer Kolonialmacht und die haben aus irgendwelchen Gründen verboten, sonnabends zum tanzen zu gehen. Und das ganze Volk war empört und hat aufgerufen, die Frauen vor allem: Kommt am Sonnabend zum Tanzen alle, wir werden es den Engländern zeigen. Und alle kamen und die Engländer waren so baff, dass sie das wieder zugelassen haben, das Tanzen."

Dass der Bassist Henning Wolf, beim Singen einer anderen Sängerin schöne Augen macht, stört seine Frau, Sopranistin, überhaupt nicht.

"Das gehört nur zum Stück dazu."

"Das Bele Mama bezieh ich dann auf mich."

Die Sänger und Sängerinnen haben beim Proben und in Konzerten die Hände frei. Noten sind nicht nötig, denn die Leiterin Sabine Glückmann singt vor, und der Chor singt nach. Diese Technik hat Sabine Glückmann bei anderen Chören kennengelernt.

"So funktionieren Lieder in Georgien, wunderschöne Lieder, auf Korsika, wenn sie über die Berggipfel laut sich ansingen und das faszinierende ist, wenn sie das sofort auswendig lernen, dann können sie das auch sofort nachempfinden. Das heißt man kann sich dann sofort vorstellen, ohne dass man ein Blatt in der Hand hält, dass man über einen Berggipfel drüber singt - und das hab ich dann auch auf das afrikanische Singen übertragen, und das macht glaub ich auch den Erfolg dieses Chores aus, weil wir können sofort ins Publikum lächeln, das Publikum mitreißen."

Für die Choristen ist das Auswendig-Singen eine Herausforderung. Denn sie müssen sich ja nicht nur Melodien, sondern auch Texte in Kiswahili und anderen afrikanischen Sprachen merken, ohne dabei die einzelnen Worte zu verstehen. Der Bassist Reiner Huter hat keine Probleme damit, wenn ihm mal ein Ton danebengeht.

"Es muss das Feeling rüberkommen, dass man eben frei singt und nicht nach den Noten. Aber das Gesamtkonzept das muss stehen, dass es authentisch klingt, und so muss dann auch die Stimme rüberkommen."

Einige Sängerinnen begleiten den Gesang mit Trommeln, Djembes, Kongas, Rasseln oder Holzblock. Das beherrschen sie gut, denn viele Mitglieder waren früher schon zusammen in einer Trommelgruppe.

"Wir singen ja aus vielen verschiedenen afrikanischen Ländern und ein richtiger Purist wird wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Uuuhh, man kann doch nicht ne Dschembe zu Liedern aus Tansania oder Liedern aus Mozambique machen, da müsste man doch die typische Trommel nehmen - wir tun’s nicht. Es geht einfach darum, dass man diesen Sound nachempfindet und den lebt."

Weder die Leiterin noch ihre Sänger haben den Anspruch, einen afrikanischen Chor zu kopieren. Trotzdem tauschen sie sich mit afrikanischen Chören aus, lassen sich inspirieren und einige reisen sogar nach Afrika, um vor Ort Gesänge und Rituale zu erleben. Sabine Glücksmann war 2009 das erste Mal in Tansania.

"Und ich hab Chöre gesehen, die haben fantastische Bewegungen dabei gemacht beim Singen und natürlich haben die dann zehn Strophen Kisuaheli gesungen, das schaffen wir nicht, aber ich hab mich bemüht, ein paar von diesen Bewegungen, die die dabei gemacht haben, mit rüberzubringen - und einige haben wir mal ausprobiert, unter großem Gelächter und Freude."

"Also dann guckt man mal rechts, mal links irgendwie, lacht dabei und .. ah, so, jetzt linker Fuß, aber das geht schon alles."

"Es ist ja auch so, dass die Rhythmen der Lieder so anstiftend sind, dass man gar nicht stillstehen kann."

Dass die Sänger und Sängerinnen Spaß haben und ein unterhaltendes Programm präsentieren, ist offensichtlich. Aber darum geht es nicht allein. Viele Lieder haben einen politischen Hintergrund.

"Es gibt auch noch Lieder über Mandela und Lieder aus der Zeit der Apartheid - "He Blaar Coetzie" zum Beispiel, das war ein Lied der Frauen gegen den Innenminister, der auch für die Frauen Passzwang einführen wollte und die dann auf die Straßen zogen und sangen: Hey, Blaar Coetzie - lass uns in Ruhe so ungefähr..."

Der Name des Chores "Makwaya" kommt aus dem Englischen "my choir" – mein Chor. Wenn Makwaya auftritt, können sich Zuschauer und Zuhörer auf Lieder, Tänze, Geschichten und selbst genähte afrikanische Kostüme gefasst machen. Sie werden einiges über Afrika erfahren - von einem rein europäisch besetzten Chor.
"Ich erzählt ziemlich viel zwischendrin, damit meine Sänger Luft holen können und erlaub mir da auch mal so paar Fakten rüberzubringen und seh’ dann zu, dass wir’s schön abschließen mit so ‘ner Gesamtsicht noch mal auf Afrika ... ja."