Europa-Universität Viadrina

Wächterin über das deutsch-polnische Verhältnis

International Day an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder
6500 Studierende hat die Europa-Universität Viadrina, die meisten davon sind Polen (hier eine Aufnahme vom International Day 2013) © picture alliance / dpa / Foto: Patrick Pleul
Von Imke Oltmanns · 26.01.2016
Die jüngsten politischen Spannungen lassen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder niemanden kalt. Ein Großteil der Studierenden kommt aus Polen, und hier hat man sich die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen auf die Fahnen geschrieben.
Vom Ufer der Oder, dem Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen, sind es zu Fuß gerade mal fünf Minuten zum Hauptgebäude der Europa Universität Viadrina. In Frankfurt/Oder sind die Wege zwischen den beiden Nachbarstaaten kurz.
Eine Situation, die sich auch im Selbstverständnis der Universität wiederfindet; eine Spezialistin für Grenzräume und interkulturelle Kompetenz will sie sein, ihr Anspruch ist international. Und mit rund 6500 Studierenden aus mehr als 80 Ländern ist sie das wohl auch. Ein Großteil der Studenten ist aus Polen. Die jüngsten Spannungen im Verhältnis der beiden Staaten lassen hier niemanden kalt, erklärt Universitäts-Präsident Alexander Wöll:
"Natürlich sind alle sehr beunruhigt, wenngleich es überhaupt keine Anzeichen gibt, dass unser Projekt in irgendeiner Art und Weise davon betroffen ist. Es wäre ja absurd, nicht beunruhigt zu sein, wenn im Grunde die ganze EU beunruhigt ist und auch schon ein Aufsichtsverfahren eingeleitet hat."
Bisher blieben die polnischen Hochschulen vom politischen Zugriff verschont
Die polnischen Hochschulen seien bisher aber komplett verschont geblieben von politischem Zugriff. Die direkte Folge für seine Universität sei sogar eine ganz andere: Beim jüngsten Treffen mit Vertretern der polnischen Partnerhochschule, der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen, sei die Stimmung so gut und konstruktiv gewesen wie noch nie.
"Weil die polnische Seite unglaublich beunruhigt ist, dass alles zerstört werden könnte, was jetzt aufgebaut wurde. Das hat dazu geführt, dass das wirklich eine der konstruktivsten Sitzungen war, wo bis ins Detail der geplante Aufbau unserer gemeinsamen Fakultät – wir wollen ja eine internationale Fakultät aufbauen – in ganz großer Harmonie und in ganz großem Konsens stattfand, so dass die Auswirkung eigentlich in diesem Punkt eine sehr positive war. Der Druck ist jetzt so stark, die Kollegen wollen jetzt mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, dass das Projekt Schaden nimmt."
Nur 20 Prozent der Wähler haben PiS gewählt
Wissenschaftlich wird das Verhalten der neuen polnischen Regierung an der Viadrina natürlich auch beobachtet. Timm Beichelt ist Professor für Europastudien, für ihn ist das aktuelle Geschehen in Polen keinesfalls ein anti-demokratischer Ausreißer innerhalb Europas.
"Gravierender als damals der Machtantritt Berlusconis oder als die Säuberungen in Ungarn sind die Ereignisse in Polen nicht. Und damals hat sich auch nicht alles verändert in Europa. Wenn man politisch unterwegs ist, sollte man dagegen kämpfen. Ich denke, dass politischer Konflikt nötig ist, auch als Politikwissenschaftler denke ich das. Und das wird jetzt passieren. Punkt."
Skeptisch ist der Politikwissenschaftler aber trotzdem:
"Bedenklich ist, dass die jetzige Regierung mit einem relativ bescheidenen Mandat – nämlich um die 20 Prozent der Wähler, mehr sind das nicht, weil die Wahlbeteiligung so niedrig ist – doch eine Komponente des polnischen Regierungssystems marginalisiert, sogar zwei Komponenten marginalisiert und zwar mit einem Mandat, das sie meiner Meinung nach nicht hat."
Nicht alle Polen über einen Kamm scheren
Marginalisierung des Verfassungsgerichts und der öffentlich-rechtlichen Medien – die Kritik daran wird auch im sogenannten "verbuendungshaus fforst" geteilt, einem studentischen internationalen Wohnprojekt, nur wenige Meter von den Universitätsgebäuden entfernt.
Die beiden Polinnen Bernadetta Wielis und Katarzyna Pytlarczyk liefern sich gerade eine Partie Tischtennis. Das Geschehen in ihrer Heimat beschäftigt sie stark, auch weil sie immer wieder darauf angesprochen werden. Dabei vermisst Bernadetta Wielis etwas:
"Das macht mich traurig, dass zum Beispiel Deutsche und andere Leute aus der Europäischen Union nicht wissen, dass es in Polen auch Leute gibt, die dagegen sind und ganz schnell gezeigt haben, dass diese Regierung ihnen nicht gefällt. Das ist mir wichtig, dass die Europäische Union weiß, dass es auch Polen gibt, die das nicht mögen und dass sie das auch gezeigt haben."
In Polen herrscht "Zirkus auf Rädern"
Mittagspause an der Viadrina, die Mensa ist brechend voll. Zu den jüngsten Geschehnissen in Polen haben viele Studenten eine Meinung:
(Studentin Nicole:) "Es gibt ein ganz kurzes polnisches Sprichwort und das bedeutet: Zirkus auf Rädern. Und das ist grad in Polen. Für mich ist das einfach unfassbar. Ich mach den Fernseher an und nach fünf Minuten wieder aus. Das, was da passiert, ist einfach dämlich."
(O-Ton Studentin Susanne:) "Ich bin sehr zwiegespalten, denn eigentlich ist die Regierung ja demokratisch gewählt worden. Aber mittlerweile gibt es auch Gegendemonstrationen auf den Straßen, wo die Leute wohl erst realisieren, was sie umsetzen von den Versprechen. Es ist sehr chaotisch. Dass sie die Mediengesetze verändert haben, sehr viel Kritik auch von der EU kommt – das interessiert sie alles nicht."
Eines ist klar: Was immer die polnische und die deutsche Regierung in den kommenden Wochen und Monaten unternehmen, um die Beziehungen ihrer beiden Länder wieder ins Lot zu bringen – hier an der Viadrina wird das genauestens beobachtet werden.
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