EU und Ukraine

Abkommen mit russischer Handschrift

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nach Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens. © dpa / picture alliance / Nikolay Lazarenko
Von Annette Riedel · 16.09.2014
Im Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine fehlt ein wesentlicher Teil: der Abbau von Handelsschranken. Der Grund für den Verzicht liegt aber weder in Brüssel noch in Kiew, kommentiert Annette Riedel.
Nein, die reine Lehre, nach der ein so weitgehendes Partnerschaftsabkommen wie das zwischen der EU und der Ukraine idealtypisch ratifiziert werden sollte, war das heute nicht: Die Entscheidung der EU-Kommission in letzter Minute einen wesentlichen Teil des Vertragswerkes, das Freihandelsabkommen, bis Ende nächsten Jahres auszusetzen, mag zwar tatsächlich auf ausdrücklichen Wunsch der Ukraine geschehen sein. Dass dieser Wunsch auf den letzten Metern vor der Ratifizierung entstand, hat mit dem inoffiziellen, aber sehr wirksam auftretenden Dritten im ukrainisch-europäischen Bunde zu tun: Mit dem russischen Präsidenten. Er hat der Ukraine die wirtschaftspolitischen Folterwerkzeuge sehr anschaulich vor Augen geführt, sollte das Land den Freihandel mit der EU unmittelbar in die Tat umsetzen.
Das EU-Parlament hat sich letztlich mit großer Mehrheit entschieden, dass die geübte Solidarität mit der von Russland bedrängten und zudem wirtschaftlich extrem unter Druck stehenden Ukraine mehr wiegt, als die berechtigten eigenen handelspolitischen Interessen, die die EU hat. Die einseitigen Vorzüge der fast völlig zollfreien Exportmöglichkeiten für ukrainische Produkte in die EU, die eigentlich am 1. November auslaufen sollten – sie werden verlängert. Davon wird die Ukraine profitieren können, ohne dass die EU im Gegenzug vom zollfreien Export in die Ukraine profitieren kann.
Das ist aus Sicht der Ukraine vielleicht sogar sinnvoll. Das Land braucht wohl wirklich noch Zeit, bis es alle Normen und Standards umgesetzt hat, die Voraussetzung für den Fall sämtlicher Handelsbarrieren mit der EU in beide Richtungen sind. Es ist auch wahr, dass die Bedenken Russlands nicht völlig von der Hand zu weisen sind, dass seine Wirtschaft Schaden nehmen könnte, sollten über die Ukraine europäische Waren unkontrolliert zollfrei auch nach Russland gelangen.
Beigeschmack, von Russland erpresst worden zu sein
Ärgerlich ist das Timing. Es muss bei den Parlamentariern in Kiew und in Straßburg den bitteren Beigeschmack hinterlassen, letztlich von Russland erpresst worden zu sein. Moskau hatte der Ukraine mit kaum weniger als einem veritablen Handelskrieg gedroht, sollte Kiew seine Märkte der EU jetzt öffnen. Man kann aber auch der EU-Kommission grobe Fahrlässigkeit vorwerfen, weil sie nicht weitsichtig genug die Interessen Russlands von Anfang an mit ins Verhandlungskalkül einbezogen hat. Sie zu ignorieren konnte in der jetzigen Situation nur zum Schaden der Ukraine ausgehen.
Das Abkommen mit der Ukraine ist weit mehr als das Freihandelsabkommen. Wenn es schon bei der Ratifizierung heute nicht nach der reinen Lehre zugegangen ist, so müssen jetzt unbedingt drei Bedingungen erfüllt werden, damit es seine gewünschte Wirkung entfalten kann: Es muss schnell von allen EU-Ländern ratifiziert werden. Die Inkraftsetzung des Freihandelsteils darf nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Und es muss unmissverständlich klar sein: Verträge zwischen der EU und der Ukraine können nur von der EU oder der Ukraine verändert werden und nicht auf Geheiß Dritter. Auch nicht, wenn sie Wladimir Putin heißen.
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